Interview | Leiter des Cottbuser Planetariums - Warum uns die Sonne am Mittwoch so nah ist

Mi 04.01.23 | 12:58 Uhr
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Hohenjesar: Farbenprächtig leuchtet die untergehende Sonne hinter der Spitze der barocken Dorfkirche. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.01.2023 | Josefine Jahn | Bild: Patrick Pleul/dpa

Immer Anfang Januar kommt die Sonne der Erde am nächsten - wenn auf der Nordhalbkugel Winter ist. Im Interview erklärt der Leiter des Cottbuser Planetariums, warum das kein Widerspruch ist und ob man die veränderte Entfernung spüren kann.

rbb: Herr Thiele, am Mittwoch kommt die Sonne der Erde am nächsten. Was genau bedeutet das? Wie nah ist die Sonne denn der Erde?

Gerd Thiele: Die genaue Entfernung ist 147.098.925 Kilometer. Das kann man sich kaum vorstellen. Im Juli, wenn die Sonne die weiteste Entfernung hat, ist sie 152.093.251 Kilometer entfernt. Das macht immerhin einen Unterschied von fünf Millionen Kilometern aus, eine ganze Menge, wenn man die zu Fuß gehen müsste. Auf diese Entfernung ist das aber nur eine Änderung von rund drei Prozent. Heruntergebrochen auf einen Meter würde die Änderung gerade mal drei Zentimeter betragen. Die Bahn der Erde um die Sonne ist eben doch fast ein Kreis und nur eine schwache Ellipse.

Sie sagen, die Veränderung ist nur minimal. Bekommen wir das trotzdem auf der Erde mit?

Sehen kann man das nicht. Man schaut ohnehin nicht direkt in die Sonne und der Größenunterschied ist minimal. Es ist also nicht wie beim Mond, den man gut vergleichen kann, wenn er uns mal näher kommt. Wir können es aber spüren, weil wir einen großen Vorteil davon haben: Wenn ein Planet dicht an der Sonne ist, bewegt er sich etwas schneller als wenn er weiter entfernt ist. Das hat zur Folge, dass der Zeitraum zwischen Herbstanfang und Frühlingsanfang - also die kalte Jahreszeit - bei uns etwa sieben Tage kürzer ist als die warme Jahreszeit zwischen Frühlingsbeginn und Herbstanfang. Auf der Südhalbkugel ist es genau umgekehrt. Es ist bei uns also länger warm und kürzer kalt.

Wussten das auch schon Vorreiter der Astronomie wie Galileo Galilei oder Nikolaus Kopernikus oder seit wann kann man diese Distanzen so genau berechnen?

Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber dass die Bahnen der Planeten Ellipsen sind, hat Johannes Kepler entdeckt. Das ist ein Keplersches Gesetz. Die Sonne steht im Brennpunkt der Ellipse - das heißt, es gibt einen entferntesten Punkt, das sogenannte Aphel, und es gibt den dichtesten Punkt zur Sonne, das sogenannte Perihel. Das erreichen wir am Mittwoch, exakt um 17:17 Uhr.

Viele Leute wundern sich dann und meinen: Es ist doch Winter! Wenn wir der Sonne so nah sind, müsste es doch viel wärmer sein. Aber dass es an diesem - im astronomischen Sinne kleinen - Unterschied von fünf Millionen Kilometern nicht liegen kann, sieht man schon daran, dass in Australien jetzt Sommer ist. Deutschland und Australien liegen auf der gleichen Erde, der Abstand ist derselbe.

Tatsächlich liegt es an der geneigten Erdachse, die der Sonne im Norden jetzt abgeneigt ist. Das heißt der Nordpol bekommt aktuell gar keine Sonne ab, dort ist jetzt Polarnacht. Gleichzeitig wird der Südpol ganztätig von der Sonne beschienen, dort ist jetzt Polartag. Im Sommer ist es dann genau umgekehrt. Die Erdachse ist um 23° geneigt, auch bei uns ist jetzt die Sonne am Tag nur kurz zu sehen, sie steigt auch nicht besonders hoch. Das führt zu den geringeren Temperaturen.

Wer jetzt Bekannte in Australien hat, die vielleicht neidisch sind, weil wir sieben Tage länger die warme Jahreszeit haben, kann sie trösten. Alle 60 Jahre verschiebt sich das Perihel um ungefähr einen Tag. Das heißt, in ungefähr 10.000 Jahren ist es genau umgekehrt, dann sind die Leute auf der Südhalbkugel im Vorteil. Solange wir leben, wird uns die Sonne aber immer am 4. oder 5. Januar am nächsten sein.

Lässt sich die Nähe der Sonne durch spezielle Geräte sichtbar machen?

Man kann mit einer Sonnenfinsternisbrille auch direkt in die Sonne blicken. Wenn man vielleicht ein Teleskop mit einem Sonnenfilter hat, kann man beispielsweise auch einen Sonnenfleck entdecken. Einen Größenunterschied wird man dabei nicht wahrnehmen. Das geht höchstens, wenn man die Sonne aus dem Juli und die vom Mittwoch nebeneinander hält. Aber weil der unmittelbare Größenvergleich fehlt, fällt das nicht auf.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Josefine Jahn für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.01.2022, 13:40 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Es sind drei Prozent und 5 millionen km

    Aber die Australier leben auf einer anderen Erde. Die ist unserer Erde aber gleich.

  2. 6.

    Oh, ja! Und zwar komplett. Von meinem Balkon konnte man beide Ende sehen. Dann sogar den Doppelbogen! Die Kinder kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Dazu noch die Farbe des Himmels davor...

  3. 4.

    Ja, sitze im 17. Stock und es war wunderschön. Der gestrige Sonnenuntergang war auch nicht zu verachten.

  4. 3.

    Apropos Sonne - hat jemand heute früh diesen wunderschönen Regenbogen über Berlin wahrgenommen?

  5. 2.

    @rbb Interessant. Aber rund 5% runtergebrochen auf einen Meter sind grade mal 3 Zentimeter?! Müssten es nicht etwa 5 Zentimeter sein? Oder sind es doch nur drei Prozent :)

  6. 1.

    Hat sich die Neigung der Erdachse verändert?

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