Konzertkritik | Mr. Bungle im Huxleys - Düster-virtuoses Musik-Cabaret
Die US-amerikanische Band Mr. Bungle war bis in die 1990er Jahre eine der einflussreichsten Gruppen im Avantgarde-Rock. Nach einer Auflösung gab es vor ein paar Jahren das Comeback. Jakob Bauer hat nun einen wilden Abend im Huxleys erlebt.
Um die Schizophrenie dieses Abends nachzuvollziehen, hilft es, mal kurz in Erinnerung zu rufen, welcher der größte Hit des "Mr. Bungle"-Sängers Mike Patton war. Patton hat nämlich auch bei Faith No More gesungen und deren größter Hit, das süffige "Easy", läuft bis heute in den Frühstücks-Lobbys dieser Welt.
Wer's noch nicht im Ohr hat, hier eine kurze Hilfestellung: "That's why I'm easy – ohohohoho – easy like Sunday Morning". Und ja – an diesem Abend im Berliner Huxleys ist durchaus ein bisschen Laid-Back-Lounge-Sound und entspannter Sonntags-Gesang dabei, aber vor allem: Metal. Thrash Metal. Speed Metal. Death Metal.
Kein klassisches Konzert
Mr. Bungle waren schon immer Grenzgänger. Eine Band, die Genres gegeneinander knallt, die nicht zusammengehören. Sie haben früh Metal mit Bongos und Saxophonen verbunden, Ska, Swing, Funk und Ambient gespielt. Und Techno. Mit ihren radikalen Musik-Ansätzen wurden sie zu Stars der Avantgarde-Rock-Szene. An diesem Mittwochabend in Berlin ist es aber eben der Metal, der die Hauptrolle spielt, in einem – tja – Konzert ist eigentlich das falsche Wort. Es ist eher ein düster-humoriges Musik-Cabaret, das Mr. Bungle hier aufführen.
Ein irrer Mathe-Lehrer auf Malle-Fahrt
Das beginnt schon mit dem theatralen Intro, einer nöligen, zerquetschten Version von Richard Strauß' "Also sprach Zarathustra". Sänger Mike Patton kommt mit geschmacklosem Hemd, hochgesteckten, geflochtenen Zöpfen und Brille auf die Bühne. Er schaut aus wie ein irrer Mathe-Lehrer auf Mallorca-Fahrt und hat einen Notenständer, auf dem er, nachdem er wild ins Mikro gebrüllt hat, brav die Seiten umblättert, um sich auf das nächste Stück Chaos-Musik vorzubereiten.
Dann kommt ein Typ im orangenen Trainingsanzug auf die Bühne, spielt einen Song Bass und geht wieder. Die Band erzählt in einer Pause Flachwitze auf Deutsch, dann gurgelt der Bassist sein Getränk, Patton reibt sein Mikro an einer Percussion-Gurke, was wie Entenquaken klingt, und der Drummer – Dave Lombardo, Ex-Slayer-Trommler, einer der besten und begehrtesten Schlagzeuger der Welt – tupft zart auf einem Glockenspiel herum.
Musikalische Extremisten
Das klingt jetzt alles sehr albern, aber das ist nur ein Teil der Konzerterfahrung und Mr. Bungle gehören eben auch zu den virtuosesten Gruppen der letzten 30 Jahre. Patton ist ein Stimm-Künstler, vom Metal-Growler wird er in Sekunden-Schnelle zum Schmalz-Crooner, die Gitarristen spielen atemberaubend hart und schnell und dann jazzig warm und weich.
Es sind musikalische Extremisten, die einfach total neugierig sind und eine Riesen-Freude daran haben, immer wieder andere Sachen auszuprobieren. Die alles Mögliche mit großer Genauigkeit imitieren, um dann doch noch einen eigenen Dreh hinzuzufügen.
Damit schaffen Mr. Bungle auch wirklich wunderbar obskure Musik-Momente, wenn sie zum Beispiel in Sekundenschnelle vom Thrash-Metal-Geballere zu einem Cover der 1980er Schmonzette "True" von Spandau Ballett wechseln. Hat man halt noch nie gehört, sowas.
Und das Publikum geht mit, wechselt vom Metal-Headbanging ohne Murren zum beseelten, bierzeltartigen Hin- und Hergewinke. Diese Brüche auskosten, das ist die Idee von Mr. Bungle. Immer gleichzeitig bierernst in der Ausführung und doch mit ironischer Note im Konzept stehen sie über dem Klischee, das populäre Musik ur-authentisch sein müsste.
Einflussreiches Frühwerk bleibt Randerscheinung
Trotzdem fehlt an diesem Abend etwas. Denn dieser starke Metal-Fokus ist neu, den gibt es erst seit der Wiedervereinigung der Band. Metal hat schon immer eine wichtige Rolle bei Mr. Bungle gespielt, aber das, was sie zu so einer einflussreichen, bekannten Band gemacht hat, war, dass auch Jazz, Ska, Funk und Ambient, Progressive-Rock und Weltmusik ihre ganz großen Momente hatten. Die dürfen im Rahmen des Mr. Bungle-Wahnsinns hier zwar auch dabei sein, immer mal wieder den Metal umspielen und brechen, aber sie bleiben eben Rand-Erscheinungen. Das ganze Früh- und Hauptwerk von Mr. Bungle aus den 1980er und 1990er Jahren bleibt Randerscheinung.
Das Comeback-Metal-Album von 2020 gibt den Ton an. Und das ist einfach ein bisschen schade. Auch wenn das Konzert trotzdem einen Heidenspaß macht, denn: So eine Mischung aus Ironie und Hingabe, aus musikalischer Virtuosität und Wucht und seltsamer Unterhaltung, die ist schon ziemlich außerordentlich.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.06.2024, 7:55 Uhr