Neue Hundeverordnung in Brandenburg - "Kein Hund ist aggressiv, weil er einer bestimmten Rasse angehört"

Alle Hunderassen dürfen nun in Brandenburg gehalten werden. Tierheime hoffen darauf, dass sie ihre ehemals verbotenen Hunde jetzt leichter vermitteln können. Im Tierheim Tornow geht man nicht davon aus, dass sie per se gefährlich sind. Von Anna Bordel
Mehrere Hunde bellen immer lauter und aufgeregter, rennen an den Zäunen ihrer Zwinger auf und ab, springen hoch, einige wedeln mit dem Schwanz. Unbekannte Menschen irritieren sie. Besonders imposant wirkt das Gebaren eines Rüden, den man klischeehaft in die Schublade Kampfhund einordnen möchte. Breiter Kopf und breitschultrig, riesiges rosalippiges Maul, das beim Bellen erstaunliche Zähne entblößt.
Pascha war in Brandenburg bislang verboten
Hundepflegerin Jamie Schackert zeigt auf ihn: "Der Grau-Weiße, das ist Pascha. Ein Staffordshire Bullterrier. Er ist ein unglaublich freundlicher Hund. Aber er macht sehr viel Eindruck hinterm Zaun". Pascha ist seit Ende 2023 im Tierheim Tornow in Oberhavel wie Jamie erzählt. Er wurde in Berlin nicht artgerecht gehalten und deshalb vom Veterinäramt eingezogen und ist wegen Überfüllung in Berlin im Tierheim Tornow in Oberhavel gelandet, wie Schackert erzählt. Seine Vermittlung sei bisher schwierig gewesen.
Hunde bestimmter Rassen, unter ihnen auch der Staffordshire Bullterrier, waren bis zum 1. Juli 2024 in Brandenburg verboten oder nur mit gewissen Tests erlaubt. Nach der neuen Hundeverordnung, die seit Anfang des Monats gilt, sind die Rasselisten in Brandenburg gestrichen - und Pascha kann einfach gehalten werden wie Pinscher oder Pudel auch.
Weitere Staffordshire Bullterrier im Tierheim eher aggressiv
Einen weiteren Staffordshire Bullterrier hat das Tierheim, zwei Zwinger neben Pascha wohnt Buddy. Während Schackert zu Pascha aber einfach in den Zwinger gehen, ihn streicheln, sich auf sein Lager setzen und seinen Futternapf berühren kann, ohne dass es den Rüden sonderlich interessiert, ist das bei seinem Rassekollegen offenbar anders. Auch wenn dieser beim ersten Hinschauen weniger eindrucksvoll daher kommt.
Er steht still weiter hinten im Zwinger und guckt mit finsterem Blick nach vorne, die Ohren hat er leicht nach hinten gelegt. "Er ist schwierig mit fremden Menschen. Wenn jemand auf ihn zugeht und ihn sofort anfassen will, dann kann es sein, dass er gegen den Menschen geht", so Schackert. Und doch sei er mit Menschen, die er kennt, ein freundlicher Hund. Zwei ehemals verbotene Hunde also, die aber grundverschieden scheinen, obwohl sie derselben Rasse angehören.
Manche Hunderassen leichter abzurichten als andere
"Kein Hund ist aggressiv, weil er einer bestimmten Rasse angehört", meint Schackert. "Es ist immer das, was die Menschen mit ihm machen". Auch die Hundesachverständige Cindy Hansche ist ihrer Meinung. Sie ist Hundetrainerin und zertifizierte Wesensprüferin für Hunde im Land Brandenburg, und sie begrüßt die Abschaffung der Rasselisten. "So bekommt jeder eine Chance meint sie".
Die meisten Hunde seien nicht von sich aus aggressiv oder wollten kämpfen. Vieles am Verhalten eines Hundes entstehe dadurch, "wie die Halter sie führen", meint auch Hansche. Dennoch seien manche Rassen leichter zum Kämpfen abzurichten als andere. Dazu gehören Hansches Erfahrung nach auch Hunde, die gar nicht auf den Rasselisten in Brandenburg standen, wie die Deutsche Dogge oder Schäferhunde.

Gefährlichster Hund im Tierheim ein Labrador
Einer der aktuell schwierigsten Hunde im Tierheim Tornow gehört zu keiner der bislang genannten Rassen, sondern ist ein Labrador, der klassische Familienhund. Doch bei Cira sei das leider nicht der Fall, wie Schackert erzählt.
Sie fällt dem Besucher schon deshalb auf, weil sie selbst im Zwinger einen Maulkorb und eine Leine trägt. "Den Maulkorb nehmen wir ihr gleich ab. Sie war bis eben im Auslauf, und danach ist sie einen Moment lang noch zu aufgeregt, um ihn abzunehmen", sagt Schackert. Sie lockt Cira mit einem Leckerli von außen an den Zaun des Zwingers und befestigt sie dann mit einer Leine am Zaun. Erst dann betritt sie den Zwinger, geht vorsichtig auf die Hündin zu, füttert sie erneut mit einem Leckerli und versucht ihr den Maulkorb abzustreifen und gleichzeitig schon einen Schritt zurück zu machen, damit Cira sie danach nicht mehr erreichen kann.
Das Verhalten des Hundeprofis zeigt: Der Hündin ist offenbar nicht zu trauen. Sie wurde von ihren Vorbesitzern schwer mit Stromschlägen misshandelt, wie Schackert erklärt. Mittlerweile sei sie schon viel zutraulicher geworden, meint sie, aber bei fremden Menschen würde sie sich noch immer durch Beißen verteidigen.
Schackert geht zu Pascha in den Zwinger, der noch immer sehr aufgeregt hin und her läuft. Als er sein Gehege unter dem Gebell seiner Nachbarn verlässt, zieht er aufgeregt mal in die eine, dann in die andere Richtung.
Nach einigen Minuten und mit etwas Entfernung wird er ruhiger, hört auf einzelne Kommandos. Immer wieder spitzt er die Ohren, schaut nach einer Katze, einem Auto oder einem anderen Hund in der Ferne. Ob die neue Hundeverordnung dafür sorgt, dass er das Tierheim bald verlassen kann, bleibt abzuwarten.

Geduld und Konsequenz bei Hundeerziehung
Alle Verantwortung für das Verhalten eines Hundes liege, so die beiden Expertinnen, bei den Halter:innen. Jamie Schackert und ihre Kolleg:innen vom Tierheim prüfen bei der Vermittlung dehalb genau, ob Mensch und Hund zusammenpassen. Staffordshire Bullterrier Pascha mag freundlich sein, stürmisch und unerzogen ist er allemal auch. Wenn kleine Kinder im Haushalt sind, dann könnte er die schon mal umrennen, so Schackert. Deshalb geben sie ihn nicht an Familien. Ein Halter müsse auch kräftig sein, denn gehorsam an der Leine zu gehen, muss Pascha erst üben.
Hundetrainerin Hansche findet es generell wichtig, sich klarzumachen, dass ein Hund, Führung und Struktur benötige. "Jeder Hund bringt die Bereitsschaft mit, sich unterzuordnen", sagt sie. Die Gelegenheit müsse man ihnen auch geben. "Wer antiautoritär unterwegs ist, sollte sich keinen Pascha zulegen", so Hansche. Um einen Hund gut zu erziehen brauche es viel Geduld und liebevolle Konsequenz – ganz egal ob Chihuahua oder Pitbull.
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