Analyse | BrandenburgTrend - Das sind die Gründe für das Umfragehoch der Brandenburger AfD
Die AfD-Umfragewerte steigen geradezu ungebremst. Besonders auffällig: Immer weniger Menschen interessiert, wie rechtsextrem und verfassungsfeindlich Teile der AfD agieren. Geht die Strategie der AfD auf? Von Hanno Christ
- AfD erreicht Allzeithoch in Brandenburg
- Heizungsgesetz und Migration sind die wichtigsten Themen
- Immer weniger Menschen haben ein Problem mit Rechtsextremismus in der AfD
Deutschland hadert mit seinen Regierungen, im Bund wie im Land. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Politik der Bundesregierung hat im ARD-Deutschland-Trend einen neuen Tiefstwert erreicht. Gerade mal 19 Prozent finden, dass die Bundesregierung einen guten Job macht. Mit den Bewertungen der Bundespolitiker purzeln auch die der Landesregierungen.
Von dieser Entwicklung profitiert vor allem die AfD, die im BrandenburgTrend des rbb einen neuen Höchstwert erklimmt. Mit nun 32 Prozent legt sie noch einmal neun Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Umfrage des rbb im April zu. Gut ein Jahr vor der Landtagswahl ist die Zustimmung für die AfD in Brandenburg damit auf einem Allzeithoch.
AfD vorne in drei Ost-Bundesländern
Wer nach weiteren Gründen für das derzeitige AfD-Hoch sucht, wird vor allem in der Bundespolitik fündig. Gefragt danach, was für sie in den vergangenen Tagen die wichtigsten politischen Themen waren, antworteten 27 Prozent der Befragten mit dem Heizungsgesetz und der Energiepolitik, gefolgt von Zuwanderung (19 Prozent), Ukraine-Krieg (14) und steigenden Preisen. Alles Themen, bei denen die Länder wenig bis keine Mitsprachemöglichkeiten haben.
Klassische Landesbereiche wie Bildung beschäftigten hingegen nur fünf Prozent der Befragten. Auch die Bedrohung durch den Klimawandel treibt nur elf Prozent der Befragten um.
Mit dem AfD-Hoch schließt sich Brandenburg der Entwicklung in anderen Bundesländern an. Im Juli lag die AfD in Thüringen in einer Umfrage des MDR bei 34 Prozent [mdr.de]. In Sachsen liegt die Partei bei 35 Prozent, wie Ende August eine Umfrage großer Tageszeitungen ergab. Auch in Thüringen und Sachsen finden nächstes Jahr im September Landtagswahlen statt, drei Wochen vor der Wahl in Brandenburg. Dazu kommt: In Brandenburg verlieren gleichzeitig die regierenden Parteien SPD, Grüne und CDU an Zuspruch.
Mehr Zuspruch trotz Beobachtung durch Verfassungsschutz
Bemerkenswert dabei auch: Es ist ein Umfrage-Hoch trotz anhaltend kritischer Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Die AfD in Brandenburg wird dort seit Jahren als rechtsextremer Verdachtsfall gesehen. Die Jugendorganisation der Partei, die Junge Alternative (JA), gilt mittlerweile als gesichert rechtsextremistisch.
Vielen Wählern scheint das kein Kriterium bei der Beurteilung der AfD zu sein. Im BrandenburgTrend des rbb sagten nur noch 58 Prozent der Befragten, die AfD distanziere sich nicht genug von rechtsextremen Inhalten. Das sind 19 Prozentpunkte weniger als noch 2019. Und auch unter der AfD-Anhängerschaft meint nur jeder Dritte, dass es an Distanzierung von rechtsextremen Inhalten fehle.
38 Prozent der Befragten hätten kein Problem mit einer AfD in der Landesregierung, eine Einschätzung, die auch unter Anhänger von Linken (21 Prozent) und CDU (24 Prozent) Verbreitung findet.
Mehrheit der Brandenburger unzufrieden mit der Regierungsarbeit
AfD punktet als Stimmungspartei
Während Parteien wie SPD und CDU im Wahlkampf stark auf ihre Spitzenkandidaten Dietmar Woidke und Jan Redmann setzen, spielt das Personal bei der AfD nur eine untergeordnete Rolle. Bislang punktet die Partei eher durch Stimmungen als durch Köpfe.
In Brandenburg ist bislang noch unklar, mit wem die AfD in den Landtagswahlkampf ziehen wird. So hatte der Fraktionschef im Landtag, Hans-Christoph Berndt, unlängst seine Bereitschaft signalisiert, aber auch die Landeschefin Birgit Bessin will offenbar kandidieren. Beide stehen im Fokus des Verfassungsschutzes, Berndt wird dort als Rechtsextremist geführt.
Bessin und Berndt haben ähnliche politische Inhalte mit dem Ziel einer Regierungsbeteiligung, unterscheiden sich aber im Politikstil. Bessin pflegt weiterhin den rauen Ton harscher Fundamentalopposition ohne klares Programm; das Lager um Berndt, den parlamentarischen Geschäftsführer Dennis Hohloch und den Bundestagsabgeordneten René Springer dagegen schlägt einen eher rechtsintellektuellen Weg ein. Die AfD, so das Konzept, müsse sich wandeln, weg von einer reinen Protestpartei. Der Machtkampf in der Brandenburger AfD – und damit auch deren Ausrichtung - wird erst auf einem Landesparteitag entschieden, für den aber bislang weder Ort noch Zeitpunkt geklärt ist.
AfD-Strategie gegen Medien, Migranten und Eliten
Die Strategie der AfD ist deutlich: Es geht vor allem gegen "die da oben". Bei einer Kundgebung in Oranienburg vergangene Woche wetterten der Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, Bessin und der AfD-Kreisvorsitzende (und Landtagsvizepräsident) Andreas Galau nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen Migranten, Medien ("Totengräber der Demokratie"), gegen den Verfassungsschutz und gegen die Gerichte.
Die Verächtlichmachung von staatlichen Institutionen und Funktionsträgern ist Teil der Erzählung der AfD. Eine "Anti-Elite" beherrsche dieses Land, so Höcke in Oranienburg vor einer johlenden Menge von etwa 450 Zuhörern.
Die Partei zeigt sich zunehmend selbstbewusst, spricht auch im Landtag in Ausschüssen und Pressekonferenzen gerne von einer künftigen Regierungsbeteiligung, obgleich sich bislang niemand findet, der mit ihr gemeinsame Sache machen möchte. Die AfD-Abgeordnete Lena Kotré drohte unlängst dem Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller mit dessen Ablösung, sollte die AfD an die Macht gelangen.
Parallel zu den verbalen Attacken auf Verfassungsorgane und Amtsträger arbeitet die Partei daran, ihre radikalen Inhalte zum eigentlichen Normalzustand zu erklären. Mit dem Slogan "Deutschland aber normal" legte die Partei vor der Bundestagswahl 2021 die Marschrichtung fest. Geht es nach den Umfragewerten, scheint die Partei mit dieser Strategie nun langsam Erfolg zu haben.
Spitzenkandidaten von SPD und CDU schwächeln
Fraglich ist nun, wie die anderen Parteien reagieren werden. Schon bei der vergangenen Wahl 2019 zeichnete sich ein enges Rennen zwischen SPD und AfD ab, bei dem am Ende die SPD einen deutlichen Vorsprung herausgearbeitet hatte, auch aufgrund der Strategie, an die Einigkeit im Land zu appellieren und viel auf die Zugkraft eines SPD-Ministerpräsidenten wie Dietmar Woidke zu setzen.
Derzeit schwächelt aber auch die Zugkraft des Landeschef: Woidke ist zwar noch immer der bekannteste und beliebteste Spitzenpolitiker im Land, aber sein Beliebtheitswert ist rückläufig. Er liegt aktuell im Vergleich zu November 2020 16 Prozentpunkte niedriger bei 51 Prozent. Der Landesvorsitzende der CDU, Jan Redmann, ist vielen im Land noch immer wenig bekannt.
Den Parteien bleibt noch ein Jahr Zeit, das aber weiterhin reich an Krisen sein dürfte: Die Energiekrise ist nicht ausgestanden, ein Ende des Kriegs in der Ukraine nicht abzusehen und die Auswirkungen des Klimawandels sind immer deutlicher zu spüren. Genug Krise, um Menschen zu verunsichern - und reichlich Treibstoff für die AfD.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 13.09.2023, 19.30 Uhr
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