Ilja Jaschin in Berlin - "Russland wird frei sein"

Do 08.08.24 | 09:44 Uhr
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Eine Woche nachdem der russischer Oppositionspolitiker Ilja Jaschin durch einen Gefangenenaustausch freigekommen ist, hat er sich in Berlin mit Exil-Russen getroffen. (Quelle: rbb)
Audio: Radioeins | 08.08.2024 | Interview mit Uta Gerlant, Memorial Deutschland | Bild: rbb

Vergangene Woche kam Ilja Jaschin bei dem spektakulären Gefangenenaustausch frei, am Mittwochabend trat er vor zahlreichen Anhängern im Berliner Mauerpark auf. Der Kreml-Kritiker machte der russischen Opposition Mut.

Mehrere hundert Menschen sind in den Berliner Mauerpark gekommen, um ihn persönlich zu treffen: Ilja Jaschin, der Moskauer Kommunalpolitiker und Kreml-Kritiker ist erst vor einer Woche bei dem historischen Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen freigekommen. Als er auf die mitten im Park aufgebaute Bühne tritt, stehen viele von der Wiese auf und begrüßen ihn mit Jubel. "Jaschin! Jaschin!" rufen sie, und er zeigt sich sichtlich berührt von dem warmen Empfang. "Ich wollte dieses Treffen veranstalten, um vor allem Ihnen allen zu danken", sagt er.

In den zwei Jahren hinter Gittern habe er eine starke Unterstützung gespürt. Etwa 30.000 Briefe und Postkarten habe er in der Zeit bekommen und sich als freier Mensch dadurch gefühlt. Ein Drittel davon habe er beantwortet, wie er sagt, "bis zu Blasen an den Fingern vom Schreiben". Auch allen Mitwirkenden am Gefangenenaustausch dankt er erneut.

Mehrere hundert Menschen versammeln sich am Mittwochabend im Mauerpark, um Ilja Jaschin persönlich zu treffen. (Quelle: rbb)
Hunderte Menschen versammelten sich, um die Rede von Ilja Jaschin zu verfolgen | Bild: rbb

"Liebe ist stärker als Angst"

Gleich zu Beginn seiner Rede verurteilt Jaschin den russischen Angriffskrieg: "Dieser Krieg ist eine Tragödie für die Ukraine." Die Front des Konflikts verlaufe auch durch Russland und durch Belarus, wo Regimekritiker und Freiheitskämpfer verhaftet werden. Er fordert ihre Freilassung und ebenso die Freilassung von gefangenen Ukrainern in Russland. Sein Ziel sei, dass Russland zu einem Land werde, in dem es sich frei und sicher leben lasse und das seine Nachbarn nicht bedrohe.

"Nächstenliebe macht uns stärker. Liebe gibt uns Kraft", sagt Jaschin. Dabei ruft jemand aus der Menge: "Liebe ist stärker als Angst", – ein Zitat des in russischer Haft verstorbenen Oppositionellen Alexey Nawalny, und viele schließen sich an.

Aus Mannheim angereist

Einer der Teilnehmenden aus der russischen Exil-Community ist Evgeny Meshaninov. Er trägt eine grüne Basecap und hat zwei Bücher unter dem Arm. Das eine ist von Nawalny und das andere von Jaschin geschrieben. Diese hat er hier für eine Spende erworben. Meshaninov ist extra für die Veranstaltung aus Mannheim über 12 Stunden mit dem Deutschlandticket angereist. "Ich habe lange gezögert, ob ich hierherkommen soll." Er habe schon in Russland an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Er selbst habe Russland mit seiner Familie kurz nach der russischen Invasion der Ukraine verlassen, unter anderem, weil er gegen den Krieg protestiert habe.

"Ich glaube, diese Veranstaltung hier ist auch ein kleiner Versuch, etwas an der politischen Situation zu ändern, sich zusammen zu schließen", sagte Meshaninov. Auch für Ilja Jaschin ist es ein Anliegen, mit anderen oppositionellen Politikerinnen und Politikern gemeinsam zu agieren, die Opposition gilt als zerstritten. Als positives Beispiel nennt er die Spendenaktion für politische Gefangene, die seit zwei Jahren am 12. Juni stattfindet. Jaschin will gemeinsam nach weiteren Themen und Projekten suchen, um die Zusammenarbeit voranzubringen.

Direkt hinter der Bühne stellen sich zwei Frauen und ein Mann mit Plakaten auf. Sie und andere Protestierende widersprechen Jaschins Äußerungen, dass viele Russen gegen den Krieg seien. (Quelle: rbb)Es gab auch Gegenprotest im Mauerpark

Kritik an Jaschins Äußerungen

Direkt hinter der Bühne stellen sich zwei Frauen und ein Mann mit Plakaten auf. Sie und andere Protestierende widersprechen Jaschins Äußerungen, dass viele Russen gegen den Krieg seien. Eine von ihnen ist Anhelina Klymenuk, sie kommt aus der Ukraine. Auf ihrem Plakat steht "Ist es Putin, der Bomben und Raketen auf Kinder abschießt? Oder sind es viele Russen?" Sie sagt, schuld sind Menschen, die auf Putin hören und ihn unterstützen: "Deswegen beschießen sie meine Familie und viele Leute in der Ukraine mit Raketen." Aus dieser Kritik, die in letzten Tagen auch seitens russischer Regimegegner kam, Jaschin hätte wenig Mitgefühl mit der Ukraine, hat er offenbar Lehren gezogen und spricht während des Treffens mehrfach über die Ukraine.

Auch die ukrainische Journalistin Anna Filimonova ist als Teilnehmerin da: "Ich freue mich für Ilja, dass er frei ist". Sie sei nicht mit allem einverstanden, was er öffentlich sagt. Dennoch sagt sie, empfindet sie für ihn eine gewisse Empathie.

"Bitte verzweifeln Sie nicht"

Am Ende seiner Rede will Jaschin Hoffnung und Mut zusprechen, auch wenn man Opfer bringen müsse. "Bitte verzweifeln sie nicht, unterstützen Sie einander", sagt er und steigt von der Bühne runter auf die Wiese. Er sei überzeugt, es wird alles gut werden. "Russland wird frei sein!", ruft Jaschin in die Menge.

Viele junge Menschen sind zum Treffen gekommen, aber auch einige ältere. Eine davon ist Morin Smolé, sie hat vor über 25 Jahren Russland verlassen: "Ich kannte Jaschin gar nicht so richtig. Aber ich finde es ist wichtig, sich mit politischen Gefangenen zu treffen." Den Abend fand sie inspirierend. "Ich habe noch nie Briefe an politische Gefangene geschrieben, aber ich habe es mir nun vorgenommen, das zu tun".

Sendung: Radioeins, 08.08.2024, 7:40 Uhr

16 Kommentare

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  1. 16.

    #1 Ina,
    leider muss auch Ihnen Recht geben. Auch hier wird versucht, den Meinungskorridor einzuengen.
    Natürlich wird das mit "whataboutism" betitelt, wissend, dass sie sich genau dessen bedienen.

  2. 15.

    Solange gewählt wird, haben wir eine Demokratie. Auch wenn die Ergebnisse von AfD und BSW stark ausfallen sollten.
    Und ich sage es noch deutlicher: Die Aufregung über die Erfolge von AfD und BSW in Ostdeutschland kann ich nicht nachvollziehen. Und wenn solche Ergebnisse unerwünscht seien, dann müsse man eben andere Politik machen.
    Wenn man etwas gegen Wahlergebnisse hat, wäre es da nicht besser, die Demokratie ganz abzuschaffen?
    Dann kann das die nur Quintessenz sein: Das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will: Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen.

  3. 14.

    Ina:
    "Gewisse Oppositionelle haben es bei uns auch nicht leicht und erhalten bestimmte „Titel“ verpasst um sie mundtot zu machen. In den 90ern war man freier mit anderen Meinungen als heute"

    Und wenn bestimmte Parteien an die Macht kommen, dann soll es nach deren Willen ähnlich werden wie in Russland. Dann soll man die Demokratie nicht mehr schützen dürfen, indem man Demokratiefeinde überwacht, dann soll die Meinungsfreiheit eingeschränkt und Rechtsextreme geschützt werden, indem man sie nicht mehr als Rechtsextreme bezeichnen darf. Schon jetzt bedrohen von Putin und China bezahlte Demokratiefeinde von AfD & Co. in einigen Bundesländern demokratisch gewählte Demokraten persönlich und greifen sie an und bekämpfen demokratiefördernde Kunst & Kultur und Informations- und Aufklärungsprojekte.

    Demokratie, Menschenrechte & Meinungsfreiheit sind gefährdet!

    Durch AfD & Co.!

    Nur mit dieser Interpretation ergibt der diffuse Kommentar von Ina einen Sinn.

  4. 13.

    Ich wünsche der russischen Gesellschaft nach Putin auch von ganzem Herzen Demokratie und Freiheit. Nur wird der Weg dorthin sehr bitter. Die 3 Personen auf dem Foto haben Recht: Es sind russische Bürger, welche die Gleitbomben in Krankenhäuser lenken, das Massaker von Butscha begangen haben, durch die Welt ziehen und "Verräter" ermorden, Putin zujubeln....
    Wer in Russland die Wahrheit sehen will, kann sich informieren und muss nicht mitmachen.

  5. 12.

    Bei dieser Opferrolle kann es sich doch wohl nur um die AfD handeln, oder?
    Und es scheint nur so, dass es in den 90ern freier gewesen wäre. Da gab es aber auch schon Bestrebungen der Republikaner und ähnliche Gruppen. Aber die meisten Menschen haben noch aus der Geschichte gelernt, im Gegensatz zu heute!
    Und wer die Demokratie abschaffen will, kann nicht erwarten, das demokratische Menschen es hinnehmen müssen! Wenn mich jemand umbringen will, darf ich mich doch wehren, oder?

  6. 11.

    Ich wünsche allen Freiheit, nur ist die Begriffsdefinition extrem Unterschiedlich!
    Für den einen bedeutet Freiheit auf Elefantenjagd zu gehen, und für andere, bedeutet es, Elefantenjäger jagen zu dürfen!

    Auf jeden Fall hat das Nach-Kriegs-Russland, für alle Schäden und alles Leid + Entgangene Gewinne, Verlust von Leben, Landzeitfolgen, Infrastrukturschäden, Therapien, Traumata, Umweltschäden, Minenräumung, Aufforstung, Friedhofspflege, Begräbniskosten, Wiederaufbau, Verlust von Hausrat, Privateigentum, Datenverlust u.v.m. aufzukommen!

  7. 10.

    Bekommt Herr Jaschin Polizeischutz?
    Und falls ja--wie schützt man ihn, wenn er in der Öffentlichkeit auf einer Bühne Veranstaltungen abhält?

  8. 9.

    ist doch klar: inzwischen sind die Leute aufgewacht und reden z.Bsp. mit oder gegen die afd tacheles und das ist auch gut so.

  9. 8.

    ......wie ein einzelner Kommentar (Nummer 1) versucht, in welche Richtung die ganze Diskussion gelenkt werden soll. Es geht hier aber um einen Russischen Oppositionellen, der gegen Verbrecher ausgetauscht wurde. Das ist ein extrem schwieriges Thema, denn für die Opposition in Russland (falls überhaupt noch vorhanden) wird es immer schwieriger. Was bin ich froh darüber, nicht in einem solchen Land leben zu müssen. Ein falsches Wort und schon findet man sich im Gefängnis wieder und das unter den schärfsten Bedingungen. Ein ganz schwieriges Thema, dieser Gefangenenaustausch, gibt er doch Putin die Möglichkeit in die Hand, Schwerverbrecher gegen Oppositionelle oder sogar unschuldig verurteilte Menschen auszutauschen. Trotzdem kann ich diesen Austausch vollkommen nachvollziehen

  10. 7.

    Ina:
    "Gewisse Oppositionelle haben es bei uns auch nicht leicht und erhalten bestimmte „Titel“ verpasst um sie mundtot zu machen. In den 90ern war man freier mit anderen Meinungen als heute"

    Wen meinen Sie? Bitte konkret statt pauschaler, unkonkreter, inhaltsleerer und verschwörungswahnhafter Behauptungen!

  11. 6.

    Nein, ich kann über sowas nur mit dem Kopf schütteln...

  12. 4.

    @ Ina, ja, und es ist richtig, das den extrem Rechtsradikalen Einhalt geboten wird.

  13. 3.

    Für diesen dummen Spruch wären sie in Russland in Sibirien gelandet, hier passiert ihnen... Nichts. Sie werden höchstens ausgelacht.

  14. 1.

    Gewisse Oppositionelle haben es bei uns auch nicht leicht und erhalten bestimmte „Titel“ verpasst um sie mundtot zu machen. In den 90ern war man freier mit anderen Meinungen als heute

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