Ungenügender Indikator - Berlin wirft R-Wert aus der Corona-Ampel

Fr 23.07.21 | 17:59 Uhr
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Eine Frau mit Maske läuft an einem Corona-Testzentrum am Alexanderplatz vorbei. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Bild: dpa/Fabian Sommer

Der R-Wert wird nicht mehr in der Berliner Corona-Ampel angezeigt: Die Entwicklung des Infektionsgeschehens habe sich an der stark schwankenden Zahl kaum ablesen lassen, so die Gesundheitsverwaltung. Ein anderer Wert soll das besser zeigen.

Berlin hat seine Corona-Ampel verändert. Statt des R-Werts wird seit Freitag die Entwicklung der 7-Tage-Inzidenz im Wochenvergleich dargestellt, wie die Gesundheitsverwaltung in ihrem Corona-Lagebericht vermerkte. Damit soll die Beschleunigung des Infektionsgeschehens besser abgebildet werden.

Der R-Wert, also die Reproduktionszahl, gibt an, wie viele weitere Personen im Mittel von einer infizierten Person angesteckt werden. Dieser bisher in der Ampel dargestellte 4-Tage-R-Wert unterliege aus verschiedenen methodischen Gründen starken Schwankungen, erklärte die Senatsgesundheitsverwaltung auf rbb-Anfrage. "Diese Schwankungen waren im Verlauf der Pandemie so ausgeprägt, dass eine Beschleunigung bzw. Verlangsamung der Infektionsdynamik auf Basis dies Indikators kaum abzulesen war", hieß es weiter.

Neuer Indikator soll Überschreiten der Grenzwerte frühzeitig anzeigen

So zeigte die Corona-Ampel in der Vergangenheit öfter einen "grünen" R-Wert an, während gleichzeitig die Inzidenzzahlen deutlich stiegen. Der neue Indikator hingegen korrespondiere sehr gut mit der 7-Tage-Inzidenz und zeige ein Überschreiten der Grenzwerte frühzeitig an, hieß es jetzt von der Gesundheitsverwaltung.

Der Wochen-Trend stellt in Prozentzahlen dar, wie sich die 7-Tage-Inzidenz gegenüber dem Wert in der Vorwoche verändert hat - die neueste Zahl steht ganz links. Solange der Wert unter Null ist, steht die Ampel auf Grün. Liegt der Wert an drei aufeinanderfolgenden Tagen über Null, schaltet die Corona-Ampel auf Gelb. Ab drei Tagen in Folge mit über 40 Prozent wird Rot angezeigt.

Unseren täglich aktualisierten Artikel zu den Corona-Zahlen in Berlin und Brandenburg haben wir entsprechend angepasst.

Gelb bedeutet Reden, Rot Handeln

Die Corona-Ampel als Warnsystem hatte der Berliner Senat im Mai vergangenen Jahres eingeführt. Grün bedeutet, dass nicht gehandelt werden muss. Steht ein Wert auf Gelb, wird Alarm bei den zuständigen Stellen ausgelöst. Stehen zwei Indikatoren auf Gelb, wird die Lage im Senat erörtert. Zweimal Rot heißt: Handeln.

Allerdings sind die Werte, die der Senat für seine Ampel angibt, nicht immer deckungsgleich mit den Werten anderer Stellen. So benutzt der Senat für die Bettenauslastung das IVENA-Register, bundesweit gilt aber das Divi-Register als Maßstab.

Sendung: Abendschau, 23.07.2021, 19:30 Uhr

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28 Kommentare

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  1. 28.

    "Eine wissenschaftliche Entwicklung. Parameter werden entsprechend der Erkenntnisse angepasst. Auch wenn es Ihnen nicht passt."
    1. Von wem (Die Bezeichnung "Gesundheitsverwaltung" ist mir, mit Verlaub, zu wenig und als Kompetenzbeweis. Wer hat die Entscheidung eigentlich getroffen und wer war hier beratend tätig? Welche Qualifikationen, Ausbildung und Erfahrung hat dieser Jemand?
    2. Nach welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen richtet sich dieser Beschluss?
    Vielleicht kennen Sie Antworten auf diese Fragen. Ich kenne sie nicht und es fällt mir nach 15 Monaten voller für mich nicht nachvollziehbaren Maßnahmen sehr schwer irgendeinem politisch getriebenen und motivierten Gremium oder Behörde einfach blindes Vertrauen entgegen zu bringen.

    Ich weiß nicht wie das bei Ihnen ist, aber ich möchte wissen wer und aufgrund welcher Erkenntnisse über mich und mein Leben entscheidet.

  2. 27.

    Die gesamte Ampel müsste längst überarbeitet werden, sie bildet schon seit längerem nicht mehr das tatsächliche Risiko ab, weil die Risikogruppen inzwischen durch die Impfungen geschützt sind. Die wenigen Fälle, in denen die Impfung nicht ausreichend wirkt, liegen im normalen Maß des allgemeinen Risikos. Diese Menschen würden wahrscheinlich an jeder Infektion jenseits von Corona genau so verstorben. Das kann nicht der Maßstab sein, einem ganzen Volk die Grundrechte weiterhin zu verweigern. Ich gehöre selbst zur Risikogruppe und bin geimpft. Sollte Corona mich erwischen, dann ist das eben so. Deshalb enthalte ich jungen, gesunden Menschen nicht weiter ihr Leben vor.
    Seit den Impfungen infizieren sich vermehrt junge Menschen, denen das Virus im Großen und Ganzen nichts anhaben kann. Für die ist Corona auch bei höchster Inzidenz keine besondere Gefahr. Der Rest ist mittels Impfung geschützt. Die Inzidenz ist somit ohne Aussagekraft.

  3. 26.

    Genau das ist die Frage. Wer sich schützen will, ist inzwischen geschützt. Wenn sich jemand nicht schützen will, aus welchem Grund auch immer, dann ist das dessen freie, vom Grundgesetz geschützte und eigene Entscheidung. Der Staat hat gar nicht das Recht, darüber zu bestimmen, wenn dadurch nicht Dritte massivst gefährdet werden, was durch die Impfungen aber inzwischen obsolet ist. Es gibt keine Impfpflicht und diese darf auch nicht ohne Weiteres durch die Hintertür (drohende Lockdowns oder andere freiheitsbeschränkende Maßnahmen) erzwungen werden. Ich bin selbstverständlich geimpft, aus freier Entscheidung, aber ich empfinde diesen Staat inzwischen als zunehmend übergriffig.
    Warum gibt es immer noch Verbote, trotz der lächerlichen Inzidenzen? Erst hieß es unter 50, dann unter 35 und jetzt gibt es gar keine Grenze mehr!

  4. 25.

    Der neue Parameter verhält sich genauso, als wenn man die 7d-R genommen hätte. Man hätte mit gleichem Effekt auch den zappeligen 4d-R durch den normalen 7d-R ersetzen können. 4d-R gab es ja auch nur auf speziellen Wunsch von Berlin und ist kein normalerweise berechneter Parameter. Um das zum Indikator umzuarbeiten, müßten Sie diesen Parameter mit der absoluten Fallzahl multiplizieren, dann wird er bei absolut geringen Zahlen unempfindlicher udn bei hohen Zahlen empfindlicher (also rot).

  5. 23.

    Bitte sagen sie mal welche Wissenschaftler diesen Wert empfohlen haben.
    Würde mich wirklich interessieren.

  6. 22.

    Warum wird eigentlich nicht der 7-Tage-R-Wert genutzt?
    War dieser nicht auch mal ein wichtiges Indiz, um die Lage einschätzen zu können?
    Unter 0,7 gerade noch okay - über 1,0 "Mist"!

  7. 21.

    Wer kommt bloß immer auf Ampeln? Und dazu noch drei Stück.

  8. 20.

    Aber das sollte doch auch nie jemand verstehen oder vernünftig nachvollziehen können. Deshalb kam ja auch die Nowcast-Schätzung noch mit rein, so dass auch der mit den 3 Semestern Mathestudium raus war. Lustig war aber immer wieder, wenn bei einem R-Wert über 1 und Wielerschem Gerede von exponentiellem Wachstum der Blick auf die Grafik einen linearen Anstieg zeigte, wie steil auch immer (das zu sehen geht ohne Mathestudium, Abi reicht).

  9. 19.

    Daten zu den Hospitalisierten liegen vor, werden aber leider politisch und medial nicht genutzt.
    https://www.kbv.de/media/sp/2021-07-21_Corona_Report.pdf
    Es gab bei der KBV auch schon Modelle um die Belastung des Systems einfach auszudrücken, die man sicher noch ausbauen kann. Aber der Ansatz existiert auch und gerade in Fachkreisen.

  10. 18.

    Ich habe auch nochmal darüber nachgedacht.

    Bei niedrigen Inzidenzen wird der Indikator schnell rot.
    Vorwoche (Mo/Di/Mi): 2,0 / 2,2 / 2,3
    Akt. Woche (Mo/Di/Mi): 3,0 / 3,2 / 3,3
    Indikator: 50,0% / 45,5% / 43,5%

    Andererseits bliebe die Ampel grün, wenn wir hohe Inzidenzen haben und die Werte um einen hohen Wert herum schwanken.
    Vorwoche (Mo/Di/Mi): 300 / 320 / 330
    Akt. Woche (Mo/Di/Mi): 310 / 315 / 320
    Indikator: 3,3% / -1,6% / -3,0%

    Zur Feststellung der Tendenz der Infektionsentwicklung ist der Wert okay, aber ist er als Indikator für die Ampel geeignet?
    Er hat bei kleinen Zahlen im Prinzip die gleiche Schwäche wie sie (auch durch rbb|24) für den R-Wert beschrieben wurde.
    Also Ich weiß nicht so recht.

  11. 17.

    Und? Den muss auch nicht der Normalbürger verstehen sondern die Entscheidungsträger

  12. 16.

    Eine wissenschaftliche Entwicklung. Parameter werden entsprechend der Erkenntnisse angepasst. Auch wenn es Ihnen nicht passt.

  13. 15.

    Nächste Woche könnten zwei Ampeln auf Rot stehen.

  14. 14.

    Für mich stellt es sich so dar…. die Steigerungen in Prozent darzustellen sieht bedrohlich aus, denn so hat man bei Steigerungen von wenigen Fällen (wenn die fallzahlen niedrig sind) schnell eine rote Ampel.
    Das ist so laienhaft von mir angenommen….

  15. 13.

    ...und hupsschwubidubs haben wir von heute auf morgen einen besorgniserregenden Indikator von dem "Gesundheitsverwaltung behauptet, dass er "sehr gut" mit einem anderen besorgniserregenden Indikator korrespondiere und deshalb "sehr gut sei". 1,5 Jahre lang hat die Gesundheitsverwaltung exakt das Gleiche vom R-Wert behauptet.
    Ich war, weiß Gott kein Freund des R-Wertes, der noch niemals irgendwas richtig abgebildet hat und kann mich noch genau daran erinnern als man als Leugner, Verharmloser und AfD-Anhänger wüst beschimpft wurde wenn man es wagte seine Zweifel an Aussagekraft dieses Indikators zu äußern.
    Nun wurde wiederholt auf Verwaltungsebene eine medizinisch nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Anstatt den 7-T Schnitt der Krankenhauseinweisungen zu nehmen (was den tatsächlichen Ernst der Lage in Übereinstimmung mit RKI-Empfehlungen abbilden würde), wird doppelt gemoppelt und der fragwürdigen Inzidenz mehr Gewicht zugesteht. Eine peinliche Entwicklung.

  16. 12.

    Zu Andreas /FF sie haben einfach Recht. Es ist auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss, nach welchen Kriterien und mit welchen Methoden und künftigen Bezeichnungen die Pandemiewerte publik gemacht werden! Das Einzige, was ich mir wünsche ist, dass die Entscheidungen, welche aus der jeweiligen Lage resultieren, verständlich vernünftig und nachvollziehbar sind. Ich hoffe das auch die Politik ihre Hausaufgaben dementsprechend macht, weil die Begründungen für viele Maßnahmen, sind für viele der Bevölkerung so auch für mich, kaum noch als vernünftig und verhältnismäßig eingestuft werden oder sie stoßen bereits auf totale Ablehnung!

  17. 11.

    Nein es sind nicht zwei Inzidenzwerte. Der eine „klassische“ Wert bildet praktisch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Infektion ab. Der zweite zeigt quasi die Beschleunigung der Ausbreitung. Soweit besser da mathematisch transparenter, nachvollziehbar und somit allgemein interessanter als der R-Wert.
    Das RKI fordert die echten Erkrankungen, Altersquerschnitt und ähnliche Daten stärker zur Risikobewertung hinzuzuziehen. Da wird wohl noch geknobelt wie man das verständlich hinbekommt und vor allem wie man an die Daten kommt.

  18. 10.

    Es kann nicht kompliziert genug sein. Vieleicht sollten Politiker mal ihre Arbeit richtig machen und denen die Ahnung haben(RKI) das sagen lassen oder auf diese Leute hören.
    Hier stimmt es schon lange nicht mehr!
    Ehe Parteien und Regierung sich entscheiden sind Wochen vergangen und nichts trifft mehr zu.

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