Logistikkonzern sucht neue Standorte - Black Friday und Co. bringen DHL in Berlin an Belastungsgrenze
Die "Cyber Week" und erste Weihnachtseinkäufe bringen den Logistikriesen DHL in Berlin in Bedrängnis. Der Konzern sucht nach Lösungen für den anhaltenden Online-Shopping-Boom. Weitere Hallen würden helfen - aber die gibt es in Berlin kaum noch.
- Das Paketaufkommen bei DHL ist seit der Pandemie weiter gestiegen
- In Berlin ist die Suche nach Standorten für neue Logistikhallen kompliziert
- Viele Saisonarbeitskräfte rekrutiert DHL im Ausland
- Abholstationen könnten das System in Zukunft entlasten
Der Logistikkonzern DHL stößt in Berlin wegen vieler Online-Bestellungen in der Black-Friday-Woche und in der Vorweihnachtszeit allmählich an Kapazitätsgrenzen. "Unsere Paketzentren sind über das Jahr im Schnitt zu 90 Prozent ausgelastet", erklärt DHL-Regionalleiter Max Neumann, im Gespräch mit rbb|24, "während der Cyber Week arbeiten wir nah an der Auslastungsgrenze". Bereits jetzt liege die Zahl der Pakete 60 Prozent höher als zum Beispiel im Sommer, kurz vor Weihnachten waren es zuletzt doppelt so viele Pakete wie sonst.
Während der Black-Friday-Woche, in der Onlinehändler Ende November mit etlichen Angeboten und Rabatten werben, erzielt die E-Commerce-Branche Jahr für Jahr höhere Umsätze. Im Jahr 2023 belief sich die Steigerung laut Branchenangaben im Vergleich zum Vorjahr auf 15 Prozent. In diesem Jahr findet die "Cyber Week" vom 25. November bis 2. Dezember statt. Für DHL startet die heiße Phase schon vorher, weil einige Angebote online bereits früher verfügbar sind.
70 Prozent mehr Pakete in vier Jahren
Die Pakete, die DHL aus dem Bundesgebiet nach Berlin transportiert, werden in drei riesigen Verteilzentren vor den Grenzen der Hauptstadt gesammelt: Rüdersdorf, Börnicke und Ludwigsfelde - Ortsnamen, die viele Kund:innen zumindest schon mal bei der Sendungsverfolgung gelesen haben dürften. Hunderte Mitarbeitende sortieren in diesen Verteilzentren im Schichtbetrieb die Pakete, laden sie in LKW, die dann Tag und Nacht in die DHL-Zustellbasen der Hauptstadt fahren. Aber da sind die Kapazitäten für die Lagerung und die Verladung der Pakete nicht unendlich.
"Wir sind für die kommenden Wochen gewappnet, aber in Zukunft brauchen wir wahrscheinlich weitere Kapazitäten, wenn das Paketaufkommen weiter so steigt, wie in den vergangenen Jahren", sagt DHL-Sprecher Johannes Nedo. Die Pandemie habe den Onlinehandel beflügelt, allerdings ebbte die Nachfrage anschließend nicht ab, sondern stieg weiter - der Logistikkonzern DHL sprach im vergangenen Jahr von einer Zunahme um 70 Prozent allein zwischen 2019 und 2023.
Zeitfenster für die Zustellung begrenzt
Auf die immer größeren Paketmengen hatten einige Berliner DHL-Standorte unter anderem mit Änderungen in den Schichtplänen reagiert. Paketzusteller kommen seither schichtweise in die Zustellbasen, laden ihre Fahrzeuge eigenhändig voll und verlassen das Gelände zwischen 8 und 10:30 Uhr in drei Wellen.
Mit rund 200 Päckchen pro Fahrzeug fahren die Zusteller:innen fest zugewiesene Straßenzüge ab, die genauen Routen werden in der Nacht von Mitarbeitenden vorbereitet. Die Zustellung sei nur in einem bestimmten Zeitfenster möglich, sagt Nedo: "Wir können die Leute nicht morgens um 6 Uhr oder spät abends aus dem Bett klingeln, deshalb bringen wir die Pakete in aller Regel nur zwischen 9:30 und 18 Uhr."
Dass gerade ab November Überstunden anfielen, sei dem hohen Paketaufkommen geschuldet, sagt der Standortleiter der DHL-Zustellbasis in Berlin-Lichtenberg, Ronny Köhler. Allerdings sei die maximale Arbeitszeit pro Zusteller auch in der Hochphase auf zusätzliche 45 Minuten pro Tag begrenzt. "Wenn ein Zusteller am Ende nicht alle Pakete geschafft hat, werden die Sendungen am Folgetag zugestellt", betont Köhler.
Komplizierte Immobiliensuche
DHL steht in Berlin nun vor zwei Herausforderungen: Das Unternehmen braucht in Zukunft voraussichtlich mehr Mitarbeitende und zusätzliche Logistikhallen. Die Suche nach geeigneten Immobilien laufe in allen Teilen der Hauptstadt, erklärt DHL-Regionalleiter Max Neumann. "Passende Standorte sind in Berlin inzwischen extrem rar, der Markt für solche Gewerbeimmobilien ist ähnlich angespannt wie der Wohnungsmarkt."
Bei der Suche müssen die Mitarbeitenden der Immobilienabteilung etwa auf eine gute Verkehrsanbindung achten, auf eine geeignete Stromversorgung für E-Fahrzeuge, einen großen Außenbereich mit ausreichend Parkplätzen für LKW und Lieferwagen und die festgelegte Flächennutzungspläne der Behörden.
Dabei bräuchte DHL laut Neumann eigentlich weitere Zustellhallen wie in Lichtenberg, wo zur "Cyber Week" täglich rund 20.000 Pakete verladen werden. Von Lichtenberg - einem von acht großen DHL-Standorten in Berlin - beliefern Zusteller große Teile von Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Mitte und Lichtenberg. Neben der Stammbelegschaft von 130 Mitarbeitenden arbeiten hier zehn Angestellte befristet zwischen Oktober und Januar - nachdem sie in einem Schulungszentrum in Großbeeren eine etwa zweiwöchige Einarbeitung durchlaufen haben.
Bundesweit hat DHL für Cyber Week und Co. 10.000 zusätzliche Mitarbeitende eingestellt, sagt Johannes Nedo. Auf eine Zusammenarbeit mit Subunternehmen verzichte der Konzern.
Mitarbeitersuche im Ausland
Mitarbeitende für die Herbst- und Wintersaison sucht DHL inzwischen verstärkt im Ausland. In Deutschland sei es kaum mehr möglich, ausreichend Verstärkung für die Hochphase zu finden, sagt Nedo. In verschiedenen Ländern habe DHL deshalb auch Agenturen mit der Suche nach Mitarbeitenden für die Saison in Deutschland beauftragt. Die zehn Saisonarbeiter in Lichtenberg etwa kommen aus Georgien, in anderen Zentren Berlins kommen die meisten Aushilfskräfte aus Polen, der Türkei oder vom Westbalkan.
Wie sehr das Versandgeschäft boomt, kann Zusteller Michael Boyn noch an einem anderen Faktor festmachen: Der Paketdichte pro Straße. Wenn er morgens ins Paketzentrum Lichtenberg kommt und seinen Transorter volllädt, verteilt er an normalen Tagen anschließend etwa 200 Pakete in etwa 15 Straßen - in der Cyber Week und an den Tagen vor Weihnachten verteilt er dieselbe Menge in 8 Straßen - als er im Jahr 2012 anfing, konnte er noch mehr als 20 Straßen mit einer Fracht beliefern. "Autoreifen, Hundefutter, Fernseher, Matratzen, Ikea", zählt Boyn auf, "es sind mehr Kunden, die bestellen und die Frequenz der Bestellungen hat zugenommen."
Im Gespräch mit rbb|24 sagt Boyn, dass die Bewegungs-App auf seinem Handy im Schnitt rund 20.000 Schritte aufzeichne, davon viele rauf und runter und quer durch Berliner Wohnhäuser, wo sich anhand der Klingelschilder gerade bei Altbauten nicht erschließe, ob eine Wohnung im Vorder- oder Hinterhaus, im 5. OG oder im Erdgeschoss liege. "Viele Häuser und Namen lernt man auf seiner Route im Laufe der Jahre kennen."
Abholstationen könnten System entlasten
Was den Pakete-Boom zusätzlich befeuert, sind die damit einhergehenden Retouren, erklärt Boyn - insbesondere bei Modeartikeln. "Mein persönlicher Eindruck ist, die Leute bestellen wahlloser als früher." Zudem gebe es eine enorme Zunahme von Paketen chinesischer Onlinehändler, die alle möglichen Produkte, von Toastern bis Abendkleidern zu extrem niedrigen Preisen anbieten würden. "Wir bemerken eine enorme Zunahme von Paketen dieser chinesischen Onlineshops", bestätigt DHL-Sprecher Nedo.
Es ist möglich, dass DHL in Zukunft noch stärker auf ein Modell setzt, das jetzt bereits in ländlicheren Gebieten und am Stadtrand umgesetzt wird, wie DHL-Sprecher Nedo erklärt: "Da das Aufkommen an Briefen sinkt und die Zahl der Pakete steigt, führen wir diese Bereiche immer mehr zusammen." Mit anderen Worten: Briefträger nehmen auch in Berlin vermehrt kleinere Päckchen mit.
Eine andere Option wäre eine Ausweitung der Packstationen im Berliner Stadtgebiet, wo DHL derzeit bereits mehr als 800 solcher 24-Stunden-Depots betreibt. Zusammen mit der Senatsverwaltung für Verkehr [berlin.de, PDF] steht der Konzern im Austausch über eine Weiterentwicklung der Packstationeninfrastruktur für Berlin - ein Teil davon beinhaltet im Rahmen eines Pilotprojekts eine stärkere Nutzung der Wasserstraßen mit solarbetriebenen Zustellbooten. "Beides" sagt Nedo, "könnte die Zusteller und die Infrastruktur in Zukunft entlasten".
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