Stettin - Prozess gegen Prenzlauer Frauenärztin wegen Abtreibungen in Polen wird um Monate vertagt
In der Corona-Zeit soll eine Prenzlauer Gynäkologin Abtreibungspillen nach Polen geschickt haben. Der Prozess gegen sie in Stettin ist am Mittwoch um mehrere Monate vertagt worden, damit die Verteidigung medizinische Unterlagen vorlegen kann.
Der Strafprozess gegen Maria Kubisa, die leitende Gynäkologin im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark), ist um mindestens vier, möglicherweise sogar sechs Monate vertagt worden. So lange habe die Verteidigung von Kubisa Zeit, dem Bezirksgericht Unterlagen aus dem Krankenhaus Prenzlau vorzulegen, berichten rbb-Reporter.
Die polnische Staatsbürgerin Kubisa ist im polnischen Stettin (Szczecin) angeklagt, weil sie laut Staatsanwaltschaft während der Corona-Zeit in sechs Fällen Abtreibungspillen an Frauen nach Polen geschickt haben soll.
Abtreibungen und auch die Hilfe dazu sind in Polen verboten. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung oder durch Inzest entstanden ist, oder wenn die Gesundheit der werdenden Mutter in Gefahr ist. Mit den nun zu besorgenden Unterlagen solle die Arbeit in der Gynäkologie und die medizinische Notwendigkeit der Schwangerschafts-Abbrüche erläutert werden, hieß es.
Im Falle einer Verurteilung drohen Kubisa bis zu drei Jahre Haft.
Polinnen kommen zur Abtreibung nach Deutschland
Polen hat aktuell eines der restriktivsten Abtreibungsrechte in Europa. Deshalb lassen sich viele Polinnen von Ärzten in Deutschland beraten und gegebenenfalls Abtreibungen vornehmen. Dann wird ein Termin gemacht, es gibt eine Beratung und schließlich - wenn nötig - den Eingriff. Im Krankenhaus Prenzlau werden so mehreren tausend Patientinnen jährlich behandelt.
Die jetzt von der polnischen Justiz angeklagten Fälle sollen sich während der Coronazeit abgespielt haben. Damals war Frauen in Not wegen der Einschränkungen der Weg nach Prenzlau versperrt. Kubisa wird vorgeworfen, die Pillen daher verkauft zu haben, um daraus finanzielle Vorteile zu erzielen.
Sie bestreitet die Vorwürfe. "Das ist eine Lüge", sagte sie zum Prozessauftakt im Oktober dem rbb. Ihr zufolge sei Frauen in lebensbedrohlichen Situationen medizinische Hilfe geleistet worden.
Gefährdung von Frauen und illegale Beweismittel?
Der Fall gestaltet sich als schwierig. Denn war in den sechs Fällen tatsächlich die Gesundheit oder gar das Leben der Schwangeren in Gefahr, wären die Abbrüche auch vom polnischen Recht gedeckt. Dies soll nun mit den angefragten Unterlagen geklärt werden.
Erschwerend kommt die Beweisgewinnung hinzu. Das Wissen der Bezirks-Staatsanwaltschaft Stettin stammt aus Patientenakten, die die Polizei in der Stettiner Praxis von Maria Kubisa beschlagnahmt hatte. Dabei handelt es sich laut Verteidigung um 6.000 Akten mit Inhalten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.
Maria Kubisa und auch Patientinnen sind gegen die Beschlagnahme juristisch vorgegangen und haben Recht bekommen. Die Aktion wurde von einem polnischen Gericht als illegal eingestuft. Schließt sich das Bezirksgericht Stettin dieser Einschätzung an, wäre das Beweismaterial auch in den sechs angeklagten Fällen illegal beschafft - und ein Freispruch wäre wohl die Folge.
Verteidigung spielt auf Zeit
Ein Urteil war von Prozessbeobachtern des rbb am Mittwoch auch nicht erwartet worden. So sollen erst einmal weitere Zeugen vernommen werden. Der Anwalt der Gynäkologin setzt zudem auf den Faktor Zeit. Denn während der Prozess läuft, der laut den Beobachtern von vielen Polen als politisch motiviert betrachtet wird, läuft im polnischen Parlament erneut eine Debatte, das Abtreibungs-Gesetz zu liberalisieren.
Es ist der zweite Versuch der Bürgerkoalition um Regierungschef Tusk, eines ihrer zentralen Wahlversprechen umzusetzen und das von der nationalkonservativen Vorgängerregierung der PiS-Partei umgesetzte nahezu vollständige Abtreibungsverbot zu lockern. Die Mitte-Regierung hat zudem bereits im August die Justiz im Land aufgefordert, im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit einer Frau als ausreichenden Grund für einen Schwangerschaftsabbruch anzuerkennen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.12.2024, 16:30 Uhr
Mit Material von Michael Lietz