Analyse | BerlinTrend - Schwarz-grüne Zukunft mit vielen Fragezeichen

Mi 20.11.24 | 18:01 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Archivbild: Bettina Jarasch, Fraktionsvorsitzende Grüne, spricht mit Kai Wegner, CDU, Regierender Bürgermeister. (Quelle: dpa/dts)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.11.2024 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/dts

Kai Wegner kann sich mit seiner CDU im neuesten BerlinTrend zwar behaupten, doch ein Weiter-so mit der SPD ist nicht mehr machbar. Die Sozialdemokraten erreichen einen neuen Umfrage-Tiefpunkt – und damit sind sie nicht die einzigen. Von Thorsten Gabriel

"Wenn am Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre …" - ein Satzanfang, der mindestens bei der Berliner SPD den Stoßseufzer auslösen dürfte: "Zum Glück ist dem nicht so." Denn der Blick auf den jüngsten BerlinTrend von infratest dimap im Auftrag von rbb24 Abendschau und rbb 88.8 zeigt: Es steht nicht gut um die Sozialdemokratie in Berlin. Wenn am nächsten Sonntag gewählt werden würde, käme die SPD auf gerade mal noch zwölf Prozent.

Trotz neuen Personals an der Landesparteispitze ist eine Aufbruchstimmung beim besten Willen aus diesen Zahlen nicht herauszulesen. Seit Jahren eilt die SPD in Wahlen und Umfragen von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Und das ausgerechnet in Berlin, der Stadt, in der sie seit 1989 ununterbrochen regiert und über Jahrzehnte aus jeder Wahl als stärkste Kraft hervorging. Doch das ist lange her.

Rot-Grün-Rot? Das war einmal

Ganz ähnlich hätte dieser Text auch beginnen können beim Blick auf die Berliner Linke: Bei ihr sieht es noch trostloser aus. Mit sechs Prozent bei der Sonntagsfrage schrammt die Partei haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde und damit nahezu an der Bedeutungslosigkeit vorbei. Waren es bei der SPD minus drei Prozentpunkte gegenüber dem BerlinTrend im April, sind es bei der Linken sogar vier Punkte Verlust.

Vom einstigen rot-grün-roten Bündnis, das sieben Jahre lang die Stadt regierte, ist nur noch ein Häufchen Elend übrig geblieben. Doch halt! Da sind ja noch die Grünen. Sie stehen wie festgetackert bei 20 Prozent – was dem linken Bündnis von einst aber auch nicht zur Mehrheit verhilft.

Grafik: Berlin Trend - Sonntagsfrag Abgeordnetenhaus. (Quelle: rbb/infratest dimap)

Ein Zweierbündnis von CDU und Grünen wäre möglich

Für die Grünen ist das keine schlechte Ausgangssituation – allerdings mit einem entscheidenden Haken. Auf der Habenseite kann die Partei verbuchen, dass sie ausweislich der jüngsten Umfragezahlen tatsächlich eine Regierungsoption hat. Denn die CDU liegt – ebenso festgetackert – bei 27 Prozent als stärkste Kraft vorn. Zusammen reicht das für eine komfortable Regierungsmehrheit, sogar als Zweierbündnis.

Hinzu kommt auch, dass die führenden Köpfe von CDU und Grünen seit geraumer Zeit gut miteinander können. Man ist vertrauensvoll per Du seit den Sondierungsgesprächen im Frühjahr 2023. Das alles sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für gemeinsames Regieren. Doch das Aber ist groß: Inhaltlich haben sich beide Parteien zuletzt eher voneinander entfernt als zusammengefunden.

Inhaltlich liegen Union und Grüne weit auseinander

Die CDU, die zwischendurch mal das Fahrrad als Großstadtverkehrsmittel für sich entdeckt hatte, stellte bei der letzten Wahl dann doch sicherheitshalber die alte Liebe zum Auto wieder nach vorn – und punktete damit beim Wahlvolk. Auch bei der Inneren Sicherheit liegen die Vorstellungen teils weit auseinander. Ein Bündnis zu schmieden, noch dazu unter Führung der CDU, dürfte an der Basis beider Parteien bei einigen Bauchschmerzen auslösen.

Und doch dürfte der Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef Kai Wegner im Fall des Falles genau dies versuchen. Durch die Schwäche der Sozialdemokratie dürfte sein derzeitiges schwarz-rotes Bündnis dann Geschichte sein und die rechnerisch möglichen Alternativen erscheinen kaum verlockend.

Wegners Alternative: BSW oder Linke dazuholen?

Mehrheiten gäbe es für die CDU noch mit SPD und BSW und auch mit SPD und Linken. Wegner selbst hatte zuletzt kaum einen Hehl daraus gemacht, dass die CDU im Zweifelsfalle lieber mit den Linken als mit dem BSW koalieren solle – aber beides doch nicht ohne Not. Und warum ein Dreierbündnis eingehen, wenn eine Zweier-Ehe möglich wäre, mag sie auch noch so kompliziert werden.

Unterm Strich bleiben aber all diese Gedankenspiele mit Blick auf die nächste Abgeordnetenhauswahl – voraussichtlich 2026 – Kaffeesatzleserei. Denn offen bleibt, in welche Richtung AfD und BSW in Berlin steuern. Die These, Berlin sei eine strukturell linke Stadt mit eher wenig Potenzial für Parteien rechts von der CDU scheint jedenfalls widerlegt.

Wohin steuern AfD und BSW?

Auch wenn es für die AfD in den vergangenen BerlinTrend-Umfragen immer mal auf und ab ging: Sie hat diesmal wieder um drei Prozentpunkte zugelegt und ist seit langem stabil zweistellig, diesmal bei 15 Prozent. Völlig unberechenbar ist zudem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Der leichte Zugewinn um einen Prozentpunkt auf sieben Prozent lässt noch keine Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung zu. In jedem Fall aber geht von beiden Parteien das Signal an die anderen Parteien aus, dass bis zum Wahltag noch alles offen – und auf einstige Stammwählerinnen und Stammwähler schon lange kein Verlass mehr ist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

75 Kommentare

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  1. 75.

    Ich hoffe mal auf den Kaffeesatz. Der ist ja auch vielseitig verwendbar.

  2. 74.

    Um Gottes Willen, das ist der Untergang der Hauptstadt.
    Eigentlich egal, es wird laut Trendbarometer alles dem Untergang und der Armut geweiht sein, was gewählt wird.

  3. 72.

    Nein der "Verrat" ist mir egal - Hauptsache die Geldverschwender sind weg und belasten die Steuerzahler nicht unentwegt.
    Bei der letzten Wahl war die CDU die Notbremse.

  4. 69.

    Eine mehrheitsfähige Variante wurde nicht genannt. Grüne,spd,bsw und linke...

  5. 68.

    Bloß nicht, dann ist Berlin komplett pleite. Grund: 1.000.000 Insektenfreundliche Laternen und 150.000 Drogen-WCs.

  6. 67.

    Ich weiß auch nicht welcher Teichert das heute ist, den gibt es zw. Teichert 1 bis..... .

  7. 66.

    Garantiert nicht.Alles andere,leider mussten sie ihre Posten nicht aufgeben und dürfen bis zur nächsten Wahl weiter in ihrem Amt ihr Unheil treiben.
    Hoffentlich läuft die nächste Wahl reel und reibungslos ohne Desaster oder sogar Fälschung ab.

  8. 65.

    Ha, da lachen ja die Hühner. Wer soll ,,das Volk'' sein? ich bin es und wähle deshalb auch grün. Sie auch?

  9. 64.

    Sie sind wie eine Fahne im Wind, mal links, mal CDU-Like und nun rechtsradikal. Warum können Sie sich nicht entscheiden? Mal nachdenken!

  10. 63.

    Das BSW ist weder klassisch rechts, noch links. Das BSW ist das was draufsteht, Sahra Wagenknecht.

    Die ist mal nationalistisch rechts, mal ist sie als Altstalinistin sowas wie links, also was Altstalinisten so für links halten.

    Also mal rechts wie die Rechtsextremisten der AfD, mal "links" wie die Steinzeitkommunisten der DKP. Also klassisch Querfront.

  11. 62.

    Wie sehr für Linksalternativen in Berlin den ÖPNV als Teil der Verkehrswende angesehen haben, sieht am an weggepollerten Haltestellen und regelmäßig genutzten SEV-Routen, bereits 2022 gekürzten Fahrplänen, verschleppten Ausschreibungen und neuem Radwegen wie am Richard-von Weizsäcker-Platz, der fast schon vorsätzlich die Fahrgäste der Busse gefährdet. Dazu kommen neu angepflanzte Bäume entlang der potentiellen Tramtrasse auf der Schöneberger Hauptstraße, die sich nahtlos an die Sabotage der Tramplanungen unter Günther und Jarasch anschließt.

  12. 61.

    "Denn offen bleibt, in welche Richtung AfD und BSW in Berlin steuern. Die These, Berlin sei eine strukturell linke Stadt mit eher wenig Potenzial für Parteien rechts von der CDU scheint jedenfalls widerlegt."
    Soll das heißen, der Autor ordnet das BSW als klassisch rechte Partei ein? Darf man das fragen?
    Dem würde ich jedenfalls klar widersprechen. Allerdings sind diese Begriffe heutzutage eh schwammig definiert.

  13. 60.

    An den Radfahrer und db, Daumen hoch, ihr habt Recht!! Der Meinung bin ich auch, schon sehr lange! Abartig, was hier gerade passiert.

  14. 59.

    Sorry, aber ich finde, in dem Punkt hat "AreFriendsElectric?" vollkommen Recht, auch wenn es vielleicht etwas plakativ ausgedrückt war, aber auch ich sehe Aiwanger und Söder als zwei Politiker, die für mich relativ klar und deutlich für Populismus stehen.

  15. 58.

    Na, Überraschung! Was haben die Parteikarrieristen nicht getrommelt in der SPD die große Koalition im Land Berlin einzugehen.
    Gegen viele gute Argumente immun, hat sich die Partei mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen.
    Was viele Gegner:innen dieser Konstellation als Befürchtung formuliert haben ist nun real. Die SPD in Berlin marginalisiert sich. Opposition ist eben manchmal der bessere Weg und nicht Mist.

  16. 57.

    ......ich weiß auch nicht, ob ich das gut finden würde oder nicht, ich bin mir da noch nicht so sicher. Ich würde es allerdings anders begründen als Sie ;-). Für Kritik (und keine Scheinargumente) bin ich immer offen, aber bei solchen Kommentaren wie den, auf den ich geantwortet habe, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Wahrscheinlich bringt da auch keine noch so überlegte Antwort mehr irgendetwas.

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