Pandemie - Keine einheitliche Linie im Umgang mit Corona-Genesenen

Mo 01.02.21 | 17:39 Uhr | Von Oda Tischewski
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Eine Person im Schutzanzug läuft im Schnelltest-Zentrum (Quelle: imago images/Florian Gaertne)
Audio: Inforadio | 01.02.2021 | Oda Tischewski | Bild: imago images/Florian Gaertne

Wenn täglich die Neuinfektionszahlen vermeldet und die Corona-Maßnahmen immer wieder aufs Neue diskutiert werden, bleibt eine Gruppe unerwähnt: Wo stehen die fast zwei Millionen Corona-Genesenen? Welche Regeln gelten für sie? Von Oda Tischewski

Durchschnittlich einmal pro Sekunde sticht in Deutschland gerade eine Spritze mit dem Biontech- oder dem Moderna-Impfstoff in einen Oberarm. Stand heute vermeldet das RKI 2.467.918 verimpfte Dosen Sars-CoV2-Vakzin – gut zwei Prozent der Bevölkerung haben damit zumindest eine erste Impfung erhalten, mehr als eine halbe Million sogar eine zweite. Und schon stehen Geimpfte im Fokus der Debatte und es wird diskutiert, ob sie nicht vielleicht die darbenden Restaurants füllen könnten oder wieder in die leerstehenden Kinos gehen dürfen.

Eine andere Gruppe liegt zahlenmäßig gar nicht so weit darunter, wird aber kaum erwähnt: Die Nicht-mehr-Infizierten. 1.935.600 Menschen gelten in Deutschland derzeit als von Corona genesen – aber wenn sie überhaupt in Diskussionen auftauchen, dann nur, wenn es um mögliche, aber extrem seltene Reinfektionen geht, um langanhaltende schwere Nachwirkungen – sogenanntes LongCovid – oder gar um Spätfolgen. Aber was ist mit all den anderen Bereichen?

Keine Kita nach Corona

Anfrage bei der Senatsverwaltung für Bildung: Wie stuft man dort genesene Kinder und Jugendliche ein? Dürfen die wieder in die Notbetreuung in der Kita oder der Schule, auch wenn ihre Eltern nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten? Schriftlich teilt man mir mit: "Eine solche Einstufung erfolgt nicht. Kita und Schule unterscheiden sich diesbezüglich nicht von allen anderen Lebensbereichen, die von Corona-Eindämmungsmaßnahmen betroffen sind." Also: Auch Corona-genesene Kinder sitzen gerade zu Hause.

Die Meldungen über mögliche Reinfektionen und die jetzt entdeckten Virus-Varianten erschweren die Informationslage zusätzlich: Im Januar verstarb erstmals ein Patient in Deutschland [www.swr.de], nachdem er sich zum zweiten Mal mit Corona infiziert hatte. Ob es sich im zweiten Fall um denselben Virus-Typ gehandelt hatte oder doch um eine Mutante, konnte im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden. Erste Studien deuten darauf hin, dass der körpereigene Schutz nach einer Erstinfektion mit dem Wildtyp oder nach einer Impfung auch die britische Virus-Variante B.1.1.7 neutralisieren kann.

Bei der brasilianischen und der südafrikanischen Variante allerdings ist das noch recht unklar. Anfrage bei der Senatsverwaltung für Gesundheit: Welche Vorgaben gibt es für Behörden und öffentlichen Einrichtungen, im Umgang mit Corona-Genesenen? Auch hier eine schriftliche Antwort: "Wir begleiten die wissenschaftliche Forschung und Diskussion intensiv. Verbindliches lässt sich dazu noch nicht mitteilen."

Eine Frage der Immunität

Und eben weil man über Dauer und Effektivität einer Immunität bislang noch zu wenig Verbindliches weiß, gibt es für Corona-Genesene keine Sonderregeln: Auch sie sitzen mit medizinischem Mund-Nasen-Schutz im Büro oder in der S-Bahn, auch sie dürfen nur wenige private Kontakte pflegen, auch sie können sich nicht die Haare schneiden lassen, nicht zum Sport, nicht ins Theater gehen. Bis vor kurzem hatte das RKI empfohlen, dass sie nach Einreise aus einem Risikogebiet oder einem Risikokontakt nicht in Quarantäne gehen müssen – mittlerweile werden diese Regelungen ganz den Bundesländern überlassen. Berlin und Brandenburg erwähnen Genesene in ihren aktuellen Verordnungen nicht.

Beim Impfen ganz unten auf der Liste

Einen Bereich gibt es aber, in dem zwischen Noch-nie-Infizierten und Nicht-mehr-Infizierten sehr wohl ein Unterschied gemacht wird: Obgleich es aus medizinischer Sicht keine Bedenken wegen einer etwaigen Überreaktion des Immunsystems gibt, so die Ständige Impfkommission in ihrem aktuellen "Epidemiologischen Bulletin", schreibt sie aber weiter: "Nach überwiegender ExpertInnenmeinung sollten Personen, die eine labordiagnostisch gesicherte Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht haben, zunächst nicht geimpft werden." Damit sitzen Corona-Genesene derzeit zwischen allen Stühlen: Für ein Leben ohne Corona-Maßnahmen erscheint ihre Immunität nicht verlässlich genug, für eine Impfung sind sie aber auch nicht vorgesehen.

Sendung: Inforadio, 01.02.2021, 06:10 Uhr

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Beitrag von Oda Tischewski

9 Kommentare

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  1. 9.

    Aber jeder Corona Kranke ist zu viel, es sterben zwar nicht alle, aber sehr viele haben schwere Langzeitschäden und jeder Corona Tote ist einer zu viel.

  2. 8.

    In diesem Chaos Staat wundert mich gar nicht mehr. Da weiß die rechte Hand nicht was die linke Hand macht.

  3. 7.

    Herzlichen Glückwunsch rbb24! Wieder einmal einen vermeintlicher Skandal (so zumindestens der Duktus dieses Artikels)aufgedeckt und den selbst ernanannten Virologen und Verschwörungstheoretikern eine Steilvorlage geliefert. Was ist so skandalös daran, dass bei unklarer Datenlage für Genese im Sinne des Vorsorgeprinzips die gleichen allgemeinen Verhaltensregeln gelten, wie für den Rest der Menschen. Während man aufgrund der Studienlage davon ausgeht, dass für einige Monate ein körpereigener Schutz vor einer erneuten schweren Erkrankung besteht, weiß man eben (ähnlich wie bei den Impfungen) noch nicht, ob danach auch ein Schutz vor symptomloser Infektion und Weitergabe besteht. Insofern ist es dann m. E. auch völlig plausibel, dass für die Zeit, in der der körpereigene Schutz vor der erneuten schweren Erkrankung anhält, die Zurückstellung von einer zeitnahen Impfung zugunsten stärker gefährdeter Menschen (die noch keine Antikörper gebildet haben) empfohlen wird.

  4. 6.

    @vikiberlin: Gott sei Dank werden bei uns in wirklich wichtigen Fragen keine Volksabstimmungen durchgeführt. Genau dies könnte unter Umständen sogar eine Gefahr für die Demokratie sein.

  5. 5.

    Eine Demokratie, die Volksabstimmung in wirklich wichtigen Fragen grundsätzlich ablehnt, ist keine Demokratie.

  6. 4.

    Es ist mir bekannt, dass diverse Menschen mit Vitamin "B" bereits geimpft worden. Es ist mit auch bekannt, dass einige auch vor Wochen eine zweite Impfung erhalten haben. Alles außerhalb der Impfplanung. Es Entstehen Fragen
    1. Ist es erstrebenswert in so eine Gesellschaft zu leben, wo nur der Bekanschaftsgrad und Beziehung eine rolle spielt?
    2. ist es erstrebenswert so eine Gesellschaft zu unterstürzen und am leben zu erhalten, wo die Regierung etwas suggeriert, was nicht war ist?
    3. wie dämlich sied ihr eigentlich?
    Die Regierung wäre gut beraten, wenn die nicht auf die andere Länder hinzeigt, wo Korruption durchaus aktuell ist, sondern bei sich zuhause damit anfängt, dies zu beenden. Ansonsten ist die Glaubwürdigkeit nicht mehr vorhanden. Und somit auch die Existenzgrundlage.

  7. 3.

    Besonders spannend finde ich bei dieser Diskussion, dass die Leute, die geimpften Leuten gewisse Freiheiten geben wollen, empört waren, als dies für Genesene zur Debatte stand, a la man könne doch nicht gewisse Gruppen bevorzugen etc.
    Einfach nur absolut scheinheilig und verlogen.

  8. 2.

    Die sogenannten genesenen dürften nicht 2 Mio sein sondern eher 20 Mio.. Nach einem Jahr dürfte so ziemlich fast jeder Kontakt mit c19 oder diversen Mutationen gehabt haben.. Ich fuehl mich übrigens heute auch leicht fiebrig und schlapp....

  9. 1.

    Das entspricht doch der „Strategie“ in allen Bereichen..... wir wissen es nicht daher wird verboten....auch widersprüchlich.

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