Webseite mit Macken - Weitere Merkwürdigkeiten bei Corona-Testanbieter 21DX
Datenleck und Verdacht unerlaubter Wettbewerbsvorteile: Das Unternehmen 21DX, das den Auftrag bekam, die Berliner Schnelltest-Strategie zu organisieren, wird harsch kritisiert. Doch auch ansonsten bleibt die Wahl merkwürdig. Von Haluka Maier-Borst
Manchmal findet sich der Fortschritt an unscheinbaren Orten – zum Beispiel im brandenburgischen Oberkrämer. Das kleine Zwei-Mann-Unternehmen "Homepage-Future", vormals "Red Crown" hilft meist mittelständischen Unternehmen im Netz anzukommen. Da lobt dann schon mal die Dorfschmiede Heiligensee: "Danke für kompetente Beratung". Oder die Friseurin Susanne Jurk freut sich, weil ihr Unternehmen"endlich" online gehen kann. Starthilfe für kleine und mittlere Unternehmen im Internet. Doch der letzte Auftrag des Unternehmens fällt ein wenig aus der Reihe.
Der Berliner Senat und das Unternehmen 21DX suchten sich "Homepage-Future" aus, um die Website-Struktur für die Corona-Schnelltests zu bauen, also sowohl "test-to-go.berlin" als auch "testen-lernen.de/berlin".
Von ungenau bis unsicher
Die Ungenauigkeiten und Abweichungen von branchenüblichen Standards reichen über die gesamte Webseite. Mal entbehrt das Piktogramm zu "trockenem Husten" nicht einer gewissen Komik, weil es eine Person zeigt, die sich mit einen grünen Strahl übergibt. Mal widersprechen sich die Angaben, weil im Text von 1,5 Metern Abstand die Rede ist, aber in der Zeichnung ein Abstand von zwei Metern empfohlen wird – was vielleicht auch daran liegt, dass die Grafik wohl einfach im Netz für fünf Dollar gekauft wurde [iconscout.com].
Aber es gibt auch ernstere Probleme. So sind ähnlich klingende Domains nicht gesichert. Wer statt "test-to-go.berlin" zum Beispiel "testtogo.berlin" tippt, wird momentan ins Nichts des Internet geleitet. Denkbar wäre aber, dass jemand unter dieser Domain eine ähnlich aussehende Seite aufsetzt, um sensible Daten unachtsamer Nutzerinnen und Nutzer abzufragen – eine Methode, die als sogenanntes Phishing bekannt ist. Normalerweise werden darum verwandte Adressen oder Adressen mit Tippfehlern aufgekauft und umgeleitet. Ein Prozedere, das nur wenige Euro mehr kostet. Trotzdem ist dies bis heute nicht passiert.
Die Macher von 21DX hatten sich schon zuvor an einem Corona-Startup versucht
Die Wahl für "Homepage-Future" zur Webseiten-Umsetzung reiht sich damit in die Liste der Merkwürdigkeiten rund um das Start-up 21DX. Das Unternehmen, das in Berlin die Corona-Schnelltests koordinieren soll und sich als zunehmend fragwürdige Wahl darstellt. Zum einen, weil sensible Daten der Getesteten über Wochen zugänglich waren. Zum anderen, weil der Vorwurf im Raum steht, dass das Start-up den lukrativen Auftrag von der Politik ungerechterweise bekommen hat, ohne an einer Ausschreibung teilnehmen zu müssen. Es geht dabei um ein Auftragsvolumen von mehreren Millionen Euro. Pro Monat.
21DX wirbt damit, dass "ein erfahrenes Team aus dem Gesundheitswesen" hinter dem Unternehmen stecke. Laut Handelsregister wurde es im September 2020 gegründet von Peter Bristot und Martina Steiner-Samwer - und ist wohl nicht das erste Corona-bezogene Start-up der beiden. Schon im Frühjahr versuchten beide mit einem Unternehmen namens RPR Group, Covid-19-Testlösungen an Unternehmen zu verkaufen. Nun versuchen beide es mit dem Start-up 21DX.
Bristot und Steiner-Samwer kommen ursprünglich aus der Berater-Branche, haben zusammen in den 2000er Jahren bei der Management-Beratung "Bain & Company" gearbeitet. Danach war Bristot bis zur Pandemie bei dem Medizintechnik-Unternehmen "Medtronic" tätig, Steiner-Samwer in München-Schwabing als Managerin der Schön-Klinik.
Es stellt sich also die Frage, wie viel Erfahrung 21DX tatsächlich mitbringt. In anderen Städten beispielsweise übernehmen das Deutsche Rote Kreuz oder die örtliche Verwaltung selbst die Organisation der Test-Infrastruktur. In Berlin tut dies aber 21DX als Dienstleiter für den Senat.
Martina Steiner-Samwer, Geschäftsführerin von 21DX, erklärt auf telefonische Nachfrage, dass man sich sehr wohl als kompetent genug für die Aufgabe sehe: "Herr Bristot ist Arzt und ich habe in meiner Zeit bei den Schön-Kliniken dort die Labore neu strukturiert." Außerdem sei man sehr wohl der Meinung, dass die zwei jungen Männer von "Homepage-Future" kompetent genug für den Auftrag gewesen seien. Und was die Situation mit den Domains angehe, eine Gefahr für Phishing sehe man so nicht gegeben.
Die Konkurrenz sieht vieles davon naturgemäß anders. Wenig nachvollziehbar sei die Wahl für 21DX, ganz ohne Ausschreibung, monieren Mitbewerber wie Medicorum TAM. Sie haben schon mehrfach den Senat gerügt. Auch in der Politik ist man nicht sparsam mit der Kritik. CDU-Gesundheitsexperte Tim-Christopher Zeelen sagte dem rbb bereits am Donnerstag, Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hätte trotz Pandemielage zumindest andere Angebote einholen müssen. Auch erfahrene Hilfsorganisationen wären nicht genügend einbezogen worden.
Am Ende bleiben eine Menge Fragen rund um 21DX offen. Und die Wahl für das Unternehmen könnte noch zu einem Politikum werden.