Analyse | Berliner Corona-Politik - Zwischen Hoffnung und Vorsicht

Di 04.05.21 | 19:53 Uhr | Von Sabine Müller
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Zwei Frauen gehen auf dem Tempelhofer Feld während des Sonnenuntergangs spazieren (Bild: dpa/Christophe Gateau)
Bild: dpa/Christophe Gateau

Der Berliner Senat freut sich über die anstehenden Lockerungen für Geimpfte und Genesene. Doch wann Erleichterungen für alle kommen, bleibt erst einmal offen. Der Regierende Bürgermeister wirkt bei seinem Auftritt unbestimmt und übervorsichtig. Von Sabine Müller

Die Eilmeldung kommt, als der Regierende Bürgermeister gerade vor der Presse aus der Senatssitzung berichtet. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zu Lockerungen für vollständig Geimpfte und Genesene beschlossen, schon am Wochenende sollen sie kommen. Michael Müller (SPD) zeigt sich an diesem Dienstagnachmittag hocherfreut, sieht sich in seinem Kurs bestätigt. Denn in Berlin gelten schon einige solche Erleichterungen, etwa beim Shoppen oder beim Friseurbesuch.

Was das Bundeskabinett beschlossen hat, geht aber noch deutlich darüber hinaus. Es soll für Geimpfte und Genesene weniger Kontaktbeschränkungen geben, die im Senat so ungeliebten Ausgangssperren sollen für sie nicht mehr gelten.

Kontrollprobleme inklusive

Michael Müller nennt die Entscheidung "dringend geboten". Er macht allerdings keinen Hehl daraus, dass es nicht leicht wird, das Ganze zu kontrollieren. Auf den nächtlichen Straßen werden dann geimpfte Menschen unterwegs sein und genesene. Dazu Personen, die zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit sind, und manche, die sich ohne triftigen Grund und damit widerrechtlich draußen aufhalten. Müller betont: "Ein Problem in der Kontrolle darf kein Grund sein für Grundrechtseinschränkungen."

Bei der Frage, wann Ungeimpfte auf Lockerungen hoffen können, will der Regierende Bürgermeister noch nichts Konkretes versprechen. In der kommenden Woche wird der Senat darüber reden, was er "anbieten" kann, wenn die Inzidenz weiter sinkt und dauerhaft unter 100 bleibt. Müller stellt klar, dass es hauptsächlich um Aktivitäten unter freiem Himmel gehen wird: in der Kultur, im Sport, in der Außen-Gastronomie.

Ähnliches hat die Brandenburger Regierung ihren Bürgerinnen und Bürgern bereits in Aussicht gestellt und mit einem konkreten Datum versehen: Pfingsten. "Wir bereiten uns vor", sagt Müller dazu, und "könnten gegebenenfalls mit Brandenburg kompatibel ein Angebot machen." Das klingt alles noch sehr unbestimmt.

Müller bleibt vage, Söder macht Ansagen

Vorsichtig klingt der Regierende auch, was den Tourismus angeht. "Zum Sommer hin" erwartet er in Berlin wieder Tourismusangebote, aber immer mit sehr genauem Blick auf die Inzidenz-Entwicklung. Was den Sommerurlaub betrifft, fordert Müller eine bundesweite Abstimmung über den "Reiseverkehr Inland, Ausland, Städte-Tourismus". Das gehe nur in Verständigung zwischen den Bundesländern. Da spricht der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.

Gleichzeitig gibt in München Markus Söder (CSU) bekannt, dass in Bayern ab dem 21. Mai wieder Tourismus zugelassen wird, wo die Inzidenz stabil unter 100 liegt. Dort sollen Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder öffnen.

Bis Pfingsten ist es noch ein Stück hin. Da ist es nicht zwingend notwendig, jetzt schon Ansagen zu machen und Hoffnungen zu wecken, die sich vielleicht nicht erfüllen. Aber andere tun das eben. Und deshalb wirkt Michael Müller übervorsichtig, wie ein Zauderer.

Pilotprojekte Impfen

Zeitlich klarere Ansagen macht der Regierende Bürgermeister beim Thema Impfen. In der kommenden Woche sollen in sozialen Brennpunkten Berlins mobile Impfangebote starten. 10.000 Impfungen sollen über Stadtteilquartiere oder auch Familienzentren angeboten werden.

Niedrigschwellig soll es sein, ohne aufwändige Terminvergabe wie in den Impfzentren. Damit will der Senat mehr Menschen in beengten Wohnlagen erreichen, die oft in einfachen Jobs mit viel Kundenkontakt arbeiten. Verabreicht wird Johnson & Johnson – dieser Impfstoff muss nur einmal gespritzt werden, nicht zweimal. Das macht die Sache leichter. Andere Städte probieren solche Projekte schon erfolgreich aus. Wo genau in Berlin diese Angebote gemacht werden, wird noch geklärt.

Ebenfalls in der kommenden Woche sollen Pilotprojekte für die Impfung durch Betriebsärzte starten. Unterstützt durch Pharmaunternehmen sollen Beschäftigte der kritischen Infrastruktur geimpft werden, allen voran der BVG. Hier stellt der Senat 5.000 Impfdosen bereit. Gleichzeitig legen Betriebsärzte in der Verwaltung los, auch hier sind 5.000 Dosen vorgesehen. Ab 7. Juni sollen die Berliner Betriebsärzte dann flächendeckend ins Impfen einsteigen.

Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) geht nach seinen Angaben davon aus, dass die Erstimpfungs-Quote noch im Juni die 50 Prozent-Marke überschreitet. Eine Aussage, die nicht nur hoffnungsvoll, sondern auch konkret ist.

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Sendung: Abendschau, 04.05.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Sabine Müller

34 Kommentare

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  1. 34.

    Das fällt ihnen aber sehr leicht, hier über alle Jüngeren zu urteilen. Genauso falsch ist es. Ich bin 28 jahre alt, sitze seit Anfang der Pandemie brav ausschließlich im Home-Office, um mich und vor allem andere zu schützen. Und schaue mir jetzt seit geraumer Zeit an, wie erst die Älteren und Kranken, nun bald die Kinder und auch die sozial Schwachen geimpft werden, bald alle wieder in den Urlaub fahren können und Außengastronomie genießen können. Wann ich irgendwann mal ein Impfangebot bekomme steht wohl in den Sternen. Die einzige Möglichkeit: mich freiwillig für einen Impfstoff mit höherem Risiko (aufgrund Familiengeschichte) zu melden, der offiziell für mich nicht empfohlen wird. Und das auch, weil die Älteren überhaupt die absurde Chance bekommen ihren Impfstoff wählen zu dürfen und darauf beharren den jüngeren den für diese Altersklasse zugelassenen und empfohlenen Impfstoff wegzunehmen, obwohl Studien zeigen, dass Astrazeneca für die ältere Bevölkerung sehr gut ist. Das ist doch mal ein schöner Dank der Älteren, auf die wir so beharrlich Rücksicht genommen haben.

  2. 33.

    Also Heiko, Arme und Reiche gab es schon immer. Wir leben zumal auch in einer Marktwirtschaft. Haben Sie den Staat überhaupt verstanden? Er funtioniert so. Unser Sozialsystem ist eins der besten. Schauen sie mal auf das Positive

  3. 32.

    Danke Christina!!

  4. 31.

    Ja, das nennt man Demokratie! Vor allem nennt man das Solidarität den Mitmenschen gegenüber, die das Glück haben, geimpft schon einen Schritt vorwärts sind. Zum Wohle auch anderer. Die haben nur einen zeitlichen Vorsprung, den ich von Herzen gönne.

  5. 30.

    Ihre Einlassungen entbehren jeglicher Grundlage. Ich bin genügend mit jungen Leuten zusammen, um zu wissen, dass Rücksicht genommen wurde und die legendären "Saufgelage" marginale Ausnahmen waren.
    Hingegen fand ich bei meinen Spaziergängen durch Kolonien jede Menge illegale Grillparties von Leuten mit 50+.
    Oder Omis und Opis beim täglichen und unnötigen Ausflug in den Supermarkt.
    Dieser Hass auf die Jugend ist hier echt nicht mehr zu ertragen.
    Wg. Impfung: Es werden viele Familien mit Kindern auch diesen Sommer wohl keinen richtigen Urlaub machen können, weil die Impfung zu spät kommt. Die, die am meisten zurückstecken mussten. Da ist der Depri schon plausibel.

  6. 29.

    Was bejammern wir, daß unsere Grundrechte eingeschränkt werden? Wir finden uns doch damit ab, daß wir über alles diskutieren, nur nicht, wie man schneller Impfstoffe bereitstellen kann! Wo und wer kümmert sich konkret darum, daß der Impfzug endlich in Fahrt kommt? Je schneller geimpft wird, um so weniger wird sich die Gesellschaft spalten und wir können normal weiter leben. Dann brauche ich auch kein Gesetz, was nur den Mangel an Impfstoff zementiert.

  7. 28.

    Weil nicht genug Impfstoff da ist. Es ist nicht möglich, jedem ein Impfangebot zu machen. Somit haben wir Ungeimpften die A..karte. Hilflos stehen wir dumm da und müssen uns gedulden

  8. 27.

    So hat man sich im Karusell der Einschränkungen und Lockerungen nun endgültig für die Privilegien von manchen entschieden (ca. 8% der Bev.). Entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und, bei aller Betonung von Grundrechten, auch gegen das verfassungsgemäße Solidaritätsprinzip. Es wird so getan, als sei die Krise überstanden. Ist sie nicht und die Lockerungen bergen ein so großes Risiko, dass man mit diesen Vorhaben beim Prinzip Hoffnung und Glück angelangt ist, mal wieder. Natürlich passiert auch das wieder gem. föderalem Flickenteppich, wenn man es schon falsch macht, dann jede*r anders.

    Man schaue auf den Sektor, der krisenentscheidend ist, um den es als erstes geht: die öffentliche Gesundheit. Und wie sieht es in den Kliniken aus, was sagen nicht nur Bettenbelegung, sondern vor allem Personalaus- sowie -überlastung? Wir stehen noch immer am Rande des geradeso Machbaren.

    Das spaltet die Gesellschaft weiter und gefährdet trotz aller Fortschritte die öffentliche Gesundheit.

  9. 26.

    Ja, die Jugend war solidarisch. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber ok, wenn Sie jetzt auf „Rache der Älteren“ abstellen, dann haben wir den Konflikt der Generationen. Wer hat zum Beginn der Pandemie denn Einkäufe für Ältere angeboten? Die Jugend in der Nachbarschaft. Wer bietet Schülern Hilfe beim Homeschooling an? Jüngere. Die Älteren denken jetzt nur noch an den Sommerurlaub...

  10. 25.

    Ist noch nicht so lange her, da wurden Maßnahmen verschärft, damit B117 (da lag die Anteil dieser bei Neuinfektionen bei 20%) sich nicht weiter verbreitet.
    Und wie so oft .... hat’s nicht geklappt die Beschränkungen sind aber geblieben.

  11. 24.

    Ich verstehe dieses ganze rumeiern nicht, denn spätestens Mitte Juni wird so viel Impfstoff verfügbar sein, das mehr da ist als überhaupt impf interessierte.
    Ist wie mit der grippeschutzimpfung letztes Jahr im Winter, da wurden dann tatsächlich Millionen Dosen weggeworfen.
    Man schaue sich einfach England als Beispiel an, dort ist seit Wochen praktisch kein geschehen mehr, obwohl wieder das meiste offen ist, von daher brauchen wir hier nicht weiter Ängste schüren sondern endlich mal überlegen was man dann ab Juli wieder alles vollumfänglich öffnen kann.

  12. 23.
    Antwort auf [Rene] vom 04.05.2021 um 22:38

    Ich gehöre auch zur sog, Prio Gruppe 4 (da ist aber keine Priorität) und somit zum „Rest“ der Bevölkerung. Und so fühle ich mich inzwischen auch, als „Rest“.

  13. 22.

    Genau dieses hat der ehem. MP Edmund Stoiber(Bayer) schon vor Jahren erkannt, als er sagte: Das Problem der Stimmenverluste der CSU bei der Wahl sind die von auswärts nach Bayern zugezogenen "Grünen".

  14. 21.

    Das BMG sagt aktuell immer noch: „ Nach jetzigem Kenntnisstand und wenn noch weitere Impfstoffe zugelassen werden, gehen wir davon aus, dass im Sommer jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden kann.“. Wie Merkel schon länger sagt, bis 21.9. also. Daran hat sich nichts geändert. Das ist doch das Problem, welches gelöst werden muss. Fast Ende September bekommt jeder ein Angebot und kann sich dann um Termine kümmern. Nach dem jetzigen Stand wären dann noch lange Nichtgeimpfte unterwegs. Sollen die sich noch monatelang ihrer Grundrechte nur durch Tests holen dürfen?

  15. 20.

    Können? Dürfen! Sagen Sie es deutlicher. Es gibt durch die aktuellem Regelungen Menschen, die haben noch keinen rechtlichen Anspruch auf Impfung. Es gibt Ärzte, die keinen Impfstoff bekommen. Das ist die Ungerechtigkeit. Und sie wird ausschließlich mit dem fehlenden Impfstoff begründet. Im Ergebnis kompensiert die Regierung ihr Versagen dadurch, dass sie Grundrechte einschränkt. Nur, wie lange noch sagt sie nicht konkret. Unbestimmte Dauer ist aber nicht sehr vertrauensfördernd.

  16. 18.
    Antwort auf [Rene] vom 04.05.2021 um 22:38

    Stimmt. Jetzt kommt genau das, was wir eigentlich verhindern wollten. Das Spaltet die Gesellschaft nur noch mehr. Bald giebt es nur noch Arm oder Reich.

  17. 17.
    Antwort auf [Rene] vom 04.05.2021 um 22:38

    Habt Ihr Euch denn klassensolidarisch verhalten, als es darum ging, keine Sauf- und Partygelage abzuhalten und Rücksicht auf die Älteren zu nehmen, sich an die Regeln zu halten und Schnuffi aufzusetzen? Nee, wir hätten viel weniger Infizierte gehabt und wären schon viel weiter. Jetzt sind die Älteren die Ersten, die ein Paar Normalitäten zurück bekommen und wieder seit Ihr die jenigen, die alle Rechte für sich beanspruchen.

  18. 16.

    Warum darf man problemlos die Grundrechte der nicht oder noch nicht geimpften Bürger einschränken?
    Erklärung?

  19. 15.

    Meine Freude über bevorstehende Lockerungen, wie z. B. Das Öffnen der Außengastronomie ist groß! Wenn ich manche Kommentare hier lese vermisse ich das Aufatmen, die Freude über sinkende Inzidenzen, über einen deutlichen Impfprogress. Sicher müssen wir weiterhin vor- und umsichtig bleiben. Unser Leben wird jedoch nicht schöner und leichter wenn wir uns immer nur mit negativen Gedanken befassen. Draußen blühen die Bäume, es ist Frühling, schaut hin!

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