Urteil zu Hochrisiko-Spielen - Berlin und Brandenburg können Fußballvereine an Polizeikosten beteiligen - planen es aber nicht

Di 14.01.25 | 17:16 Uhr
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Polizisten stehen bei einem Fußball-Spiel vor dem Fanblock (Quelle: IMAGO / Sebastian Wells)
Video: rbb24 Abendschau | 14.01.2025 | Phil Beng | Bild: IMAGO / Sebastian Wells

Das Bundesverfassungsgericht hat den langen Streit um die Polizeikosten bei Hochrisiko-Spielen beendet. Die Bundesländer dürfen entsprechende Kosten ab sofort dem Profi-Fußball in Rechnung stellen.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist im Streit um eine Beteiligung an den Polizeikosten für Hochrisiko-Spiele am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Bundesländer können die Rechnungen ab sofort an die Fußball-Vereine weiterleiten. Das verkündete das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Vorausgegangen war eine Verfassungsbeschwerde der DFL gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen.

Keine Pläne in Berlin und Brandenburg

Das Land Berlin plant auch nach dem Scheitern der DFL-Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht keine Kostenbeteiligung der Fußball-Klubs an Polizeieinsätzen bei Hochrisiko-Spielen. "Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegt. Es gilt aber auch weiterhin meine Position, dass das Land Berlin keine Kostenbeteiligung für Vereine an Zusatzausgaben bei Polizeieinsätzen im Hinblick auf Hochrisiko-Spiele plant", sagte Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. Mit den regionalen Vereinen stehe der Senat dazu im regelmäßigen Austausch.

Tom Herrich, Geschäftsführer von Hertha BSC, bleibt trotz des Urteils positiv gestimmt: "Wir werden mit dem Land Berlin die weitere Handhabe dieser Thematik nochmals erörtern, sind aber schon jetzt überzeugt, dass das Land Berlin mit all seinen zahlreichen Großveranstaltungen keinerlei Interesse daran haben wird, die Veranstalter mit einem solchen Gebührentatbestand über die bereits zahlreichen Herausforderungen bei der Durchführung entsprechender Veranstaltungen zusätzlich zu belasten.“

Auch das Land Brandenburg plant derzeit keine Kostenbeteiligung der Vereine an sogenannten Hochrisiko-Spielen. Das bestätigte die Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) gegenüber dem rbb. Vor allem mit den Vereinen Energie Cottbus und dem SV Babelsberg solle sich nun zusammengesetzt werden, um über die Gestaltung von potentiellen Hochrisiko-Spielen zu beraten.

Energie-Präsident Lemke: "Bin über dieses Urteil sehr traurig"

Sebastian Lemke, Präsident des FC Energie Cottbus, äußerte sich am späten Dienstagnachmittag: "Ich bin über dieses Urteil sehr traurig. Ich glaube, dass der Umfang und das, was alles passieren kann, nicht allen bewusst ist. Es kann alle Vereine betreffen, auch wenn es jetzt nur heißt, dass es um die erste und zweite Liga geht – grundsätzlich geht das aber von der ersten Liga bis in den Amateursport", so Lemke.

Es sei ein vielschichtiges Urteil, das einige Anschlussfragen nach sich zöge, die zum Teil noch unbeantwortet seien. "Das beginnt schon bei der Einstufung: Was ist ein Hochsicherheitsspiel? Und geht weiter damit, wo und wie Kosten anfallen. Handeln alle Bundesländer gleich oder gibt es eine unterschiedliche Behandlung? Aus einer unterschiedlichen Behandlung könnte sich ein Wettbewerbsnachteil ergeben", so der FCE-Präsident. "Man muss klar sagen, dass das existenzbedrohend werden kann. Das ist alles noch nicht in Gänze geklärt."

Regelung mit Grundgesetz vereinbar

Für die Kosten von Polizeieinsätzen bei Hochrisiko-Spielen bittet die Stadt Bremen die DFL seit mehreren Jahren zur Kasse. 2015 stellte das Land Bremen nach dem Derby zwischen Werder und dem Hamburger SV der DFL erstmals eine Rechnung (425.000 Euro) für einen Polizeieinsatz. Der Verband der 36 deutschen Erst- und Zweitligisten wehrte sich dagegen, musste aber juristische Niederlagen vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinnehmen.

Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht war im April 2024 eröffnet worden. Gerichtspräsident Stephan Harbarth erklärte nun in der Urteilsverkündung, dass die angegriffene Norm mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.

Was gilt als Hochrisiko-Spiel?

Als Hochrisiko-Spiele gelten Begegnungen zweier Klubs, deren Anhängerschaften als verfeindet bekannt sind oder deren Fans in Teilen als gewaltbereit eingestuft werden. In solchen Fällen trifft die Polizei schärfere Sicherheitsvorkehrungen, ist also mit mehr Einsätzkräften vor Ort als sonst, wodurch Mehrkosten entstehen.

Die Regelung bezieht sich auf sogenannte gewinnorientierte, erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen. In Berlin und Brandenburg könnte die Entscheidung demnach Hertha BSC, Union Berlin und Energie Cottbus betreffen, sowie weitere Ansetzungen, bei denen diese Kriterien zutreffen.

In Berlin habe es laut Berliner Polizei in 2024 neun Spiele mit hoher Gefährungseinschätzung gegeben. Laut Gericht werde das Ziel verfolgt, "nur diejenigen Veranstaltungen zu erfassen, die einen deutlichen polizeilichen Mehraufwand hervorrufen."

Watzke spricht sich gegen gemeinsamen Fonds aus

Bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde die Idee eines Poilizeikosten-Fonds der Profi-Klubs diskutiert. Ein gemeinsamer Topf, in den die Vereine einzahlen und aus dem die entsprechenden Polizeikosten bezahlt werden könnten. Der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke schließt einen solchen Fonds allerdings aus: "Es wird nicht so kommen, dass die Klubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen." Das sei Verantwortung der einzelnen Landesregierungen.

Reaktionen fallen unterschiedlich aus

Das Fanbündnis "Unsere Kurve" reagierte mit Fassungslosigkeit auf das Urteil. "Nach unserer Auffassung und im Einklang mit den Ansichten unzähliger Fachleute ist die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates", schreibt das Bündnis in einem Statement. Durch das Urteil verkomme Polizeiarbeit zur "simplen Dienstleistung". Mit dem Urteil sei es nun außerdem "unabdingbar", dass den Vereinen Entscheidungsgewalt bei der polizeilichen Einsatzplanung zukomme.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Gewerkschaft habe sich seit Jahren für eine Beteiligung der Profi-Liga eingesetzt, damit die "immensen" Kosten nicht "allein dem Steuerzahler aufgebürdet" werden, teilte sie mit.

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.01.2025, 19:30 Uhr

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103 Kommentare

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  1. 103.

    Einsatzhundertschaften sind ein ganz anderes Kaliber als normale Polizisten. Mit ihrer martialischen Uniform und ihrem meist aggressiven Auftreten tun sie ihr Übriges. Das ist aber von Stadion zu Stadion unterschiedlich. Zum Beispiel in Bremen sind sie äußerst aggressiv gegenüber Gästefans. In Dortmund läuft meist alles gut. In München sitzt man oben im dritten Rang, bevor man über Stress nachdenken will; alle sind längst weg, bevor man unten ist. Abschließend: Die Diskussion geht in die falsche Richtung. Grundsätzlich ist der Ansatz der Städte nachvollziehbar, dennoch macht man es sich zu einfach.

  2. 102.

    "Ob die Polizei im Stadion ist oder in der Kaserne,bezahlt müssen sie doch sowieso werden."
    Wenn diese Fußballrandale nicht wäre, könnten viele der Polizisten vielleicht sogar mal ein Wochenende zuhause verbringen! Würde sie und ihre Familien freuen und den Steuerzahler nichts extra kosten... :-)

  3. 101.

    Ne es geht um Ursache und Wirkung. Wir reden hier von Großrandalen mit „Ankündigung“. Und nur weil Fußball für viele inzwischen eine Art Religion ist, sind solche Veranstaltungen mit vorsätzlichen Nebenwirkungen kein zu pflegendes und zu sozialisierendes Allgemeingut.
    Und natürlich steigen die Sicherungskosten bei solchen Events erheblich, denn da müssen ganze Hundertschaften ausrücken.

    Es macht ja auch einen finanziellen Unterschied, ob sich Soldaten in der Kaserne oder im Kampfeinsatz befinden.

  4. 100.

    Und Sie denken ihre AFD würde was ändern? Die Chance, dass die Ticketpreise steigen, ist viel zu hoch und dann würde man ja Wähler vergraulen. Denn die blauen werden nun mal vor allem von stumpfen Männer aka toxischen Fußballfans gewählt. Ist wie mit den Parkgebühren.

  5. 99.

    Die Vereinsführungen sollten einfach mal dafür sorgen, dass sich ein Teil der Fans wie normale Menschen verhalten und nicht wie durchgeknallte Aliens. Außerdem, einfach die Kosten für die Einsätze der Polizei auf die Eintrittskarten umlegen.
    Ich will nicht ,dass Steuern dafür verwendet werden.

  6. 97.

    Ob die Polizei im Stadion ist oder in der Kaserne,bezahlt müssen sie doch sowieso werden.Gut vielleicht eine geringe Einsatzpauschale mehr.Ich verstehe die Diskussion nicht.Es geht also nur darum den Vereinen ein über zuhelfen.

  7. 96.

    Die sog. Leistungsträger einiger Teams könnten die Polizeieinsätze aus der Privatschatulle zahlen ohne es wirklich auf dem Konto zu merken ... Statt dessen zahlt in Berlin der Steuerzahler, der zumindest in Berlin gerade die Sparpolitik überall heftig spürt.
    Die Vereine mit dem größten Aufregerpotenzial können hingegen weiterhin so tun, als hätten sie mit ihren marodierenden Fangruppen so gar nichts zu tun.
    Muss man weder verstehen noch gutheißen

  8. 95.

    Ist vor dem Urteil des Verfassungsgericht.
    Die Entscheidung in Berlin und Potsdam enthalten m. E. Zwei Aussagen, die im halbsatz hinterlegt sind: " ...planen es aber nicht."
    Es wird eine Initiative geben über den Bundesrat oder über Konferenz der Innenminister bzw Ministerpräsidenten.
    Bei dieser werden die Detailfragen besprochen.
    Berlin wird es nicht initiieren, konstruktive sich einbringen.
    Offene Fragen, was ist eine Veranstaltung, die als hochrisiko betrachtet werden kann.
    Kann die Entscheidung einer Behörde, die an dem Tag getroffen wird und einer Umsetzungfolgt, später, im Nachgang, als nicht angemessen angesehen werden. Mit welchen Konsequenzen.
    Auf welche anderen großen Veranstaltungen kann das dann auch Anwendung finden.
    Im Advent 2025 wissen wir mehr.
    Vielleicht schaffen die profi Clubs es dann auch, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um die eigentliche Ursache anzugeben.
    Es wird spannend in 2025!

  9. 94.

    Auf welcher Rechtsgrundlage sollte Ihr alberner Vorschlag denn umgesetzt werden?

  10. 93.

    Schauen Sie mal wer aus ihrem aufgezählten Portfolio bereits Millionen bzw Milliarden Steuereinnahmen generiert.
    Merken Sie was?

  11. 92.

    Diese Politiker sind einfach seit Jahrzehnten gewohnt, dass Andere ihre Rechnungen bezahlen - das muss endlich ein Ende haben!

  12. 91.

    Will man nicht im Schwarzbuch landen, wird man den Standpunkt wohl aufgeben müssen. Und in ein paar Jahren ist ein Hochrisikospiel jedes mit Zuschauern. Ganz normale Entwicklung nach so einem Urteil.

  13. 89.

    Es ging in dem Kommentar, auf den ich antwortete, ja um die Einnahmen für die Stadt Berlin. Sie kommen jetzt mit Zahlen für die gesamte erste und zweite Bundesliga.
    Ansonsten gilt auch dafür: Wenn die Leute ihr Geld nicht für Fußball ausgeben, dann geben sie es für anderes aus, wodurch dann Steuern fließen.
    Gesamtwirtschaftlich ist das ganz schnuppe, diese Zahlen sind also auch keine Großtat von König Fußball für die Bevölkerung, sondern kämen genauso gut von jeder anderen Branche...

  14. 88.

    Zitat: "Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegt."

    Das ist durchaus Legitim und Nachvollziehbar.

    Zitat: "'Es gilt aber auch weiterhin meine Position, dass das Land Berlin keine Kostenbeteiligung für Vereine an Zusatzausgaben bei Polizeieinsätzen im Hinblick auf Hochrisiko-Spiele plant', sagte Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger"

    Und mit welcher Begründung - worauf basiert ihre Position(Standpunkt)? Ich denke mal, dass die Bürger des Landes Berlin, auch gerne eine Begründung hätten, welche sie bewerten und ggf. nachvollziehen können.

  15. 87.

    Richtige Entscheidung.
    Gibt es Stress wird‘s in Rechnung gestellt,
    bleibt‘s ruhig Glück gehabt.
    Das Geld können sich die Vereine von den Kloppies zurück holen die den Stress machen. Da wäre dann der Videobeweis angebracht. Nervt langsam die ganze Gewalt, egal wo und wann.
    LG
    Schönen Abend

  16. 86.

    Ihre Aussagen sind ambivalent. Deswegen picke ich mir die Passage „ Doch auf Dauer hilft Rechnung an Werder Bremen schreiben wenig, das Problem muss mit vernünftiger Politik gelöst werden.“
    heraus und antworte ihnen, nein. Für die Bekloppten werden Rechnungen an diejenigen gestellt, die auch mithilfe dieser Vollpfosten reichlich Kohle verdienen.

  17. 85.

    Nur mal zur Einordnung beide Bundesligen,Saison 22/23: 1,6 Milliarden Steuern und Abgaben an den Staat.
    Jobmotor: 55000 Beschäftigte.
    So,nun kann die populistische Schreierei weitergehen.

  18. 84.

    Wo ist das Problem?! Die Mehrkosten für die Sicherheit bezahlen die 22 Millionäre auf dem Platz aus deren "Portokassen"

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