Vor zehn Jahren - Die schwierige Geburt der BTU Cottbus-Senftenberg

Sa 01.07.23 | 08:10 Uhr
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Luftaufnahmen, Blick auf den Campus in Cottbus und den in Senftenberg (Fotos: imago/Weisflog)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.06.2023 | Josefine Jahn | Bild: imago/Weisflog

Sie war eine politische Entscheidung, begleitet von Protest: Die Gründung der BTU Cottbus-Senftenberg vor zehn Jahren, entstanden durch die Fusion von Fachhochschule und Uni. Seitdem gibt es Rückschläge, Fortschritte - und Chancen im Strukturwandel. Von Josefine Jahn und Sebastian Schiller

Juli 2023, die BTU Cottbus-Senftenberg hat Rückenwind. Sie wird als einer der Motoren des Strukturwandels in der Lausitz gesehen. Forschungsinstitute siedeln sich an, die Studierendenzahlen sind inzwischen wieder stabil.

Dass die Uni heute gut dasteht, war für Paul Weißflog vor zehn Jahren fast unvorstellbar. Er war damals Student in Cottbus und organisierte die Proteste gegen die Fusion von BTU Cottbus und der Fachhochschule Lausitz mit. "Der Stil, das war unterste Schublade. Aus Potsdam wurde angesagt, ohne vorher mit den Leuten zu reden."

Die Fusion im Juli 2013 war umstritten und eine politische Geburt. Die damalige Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) hatte den Zusammenschluss maßgeblich vorangetrieben, während der damalige BTU-Präsident Walther Zimmerli, Studenten und Professoren dagegen argumentierten. Befürchtet wurde unter anderem, dass die Fusion die Cottbuser Hochschule auf das vermeintlich niedrigere Fachhochschulniveau Senftenbergs herunterziehen könnte.

Der Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, spricht am 18.09.2012 vor Demonstranten in Cottbus (Brandenburg), die gegen die Zusammenlegung der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus und der Hochschule Lausitz in Senftenberg protestieren (Foto: dpa/Pleul)
Brandenburgs damaliger Ministerpräsident, Matthias Platzeck (SPD, 3.v.l.,), spricht am 18.09.2012 vor Demonstranten in Cottbus, die gegen die Zusammenlegung der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz in Senftenberg protestieren | Bild: dpa-Zentralbild

"Man hat eher Widerstand provoziert"

Vor der Fusion hatten es die damalige Uni in Cottbus als auch die Fachhochschule mit ihren Sitzen in Senftenberg und Cottbus schwer. Einige Studiengänge waren hier wie dort schlecht besucht, ein Zusammenschluss beider Standorte also für einige Akteure naheliegend, für andere aber undenkbar. Matthias Koziol, der vor zehn Jahren Vize-Präsident der Cottbuser Uni war, bemängelt heute den einstigen Austausch. "Man muss in so einem Prozess die positiven Chancen und Möglichkeiten deutlich mehr hervorheben beziehungsweise auch erläutern, wie man sie meint", so Koziol. "Das ist damals nicht geglückt. Man hat eher noch einen Widerstand provoziert."

Student Jonas Schindler protestiert mit einem Transparent am 18.09.2012 vor dem Stadthaus in Cottbus gegen die Zusammenlegung der BTU in Cottbus und der Hochschule Lausitz in Senftenberg (Foto: dpa/Pleul)
Ein Student protestiert mit einem Transparent am 18.09.2012 vor dem Stadthaus in Cottbus gegen die Zusammenlegung | Bild: dpa-Zentralbild

BTU symbolisch zu Grabe getragen

Widerstand, wie er von Paul Weißflog kam. Gemeinsam mit anderen Studierenden und Mitarbeitern von Uni und Fachhochschule hatte er Proteste organisiert und Unterschriften gesammelt, um die Fusion doch noch zu verhindern. Über 42.000 Personen unterzeichneten am Ende die Volksinitiative "Hochschulen erhalten".

"Wir haben gesehen, dass es große Probleme gibt, eine technische Uni und eine Fachhochschule in einem Prozess zu fusionieren, wo beiden eigentlich nicht wollen", so Weisflog. Allerdings war die Skepsis an der Fachhochschule Lausitz weniger groß als an der BTU. "Vielleicht war es in der Anfangsphase besonders kritisch, dass zwei Kulturen aufeinandertrafen - Hochschule und Uni, Anwendung gegen Forschung", so Kathrin Lehmann, die damals Dekanin an der FH war.

Doch die Fusion fand statt, am 1. Juli 2013. Mit einer Prozession durch die Stadt und einem symbolischen Sarg (auf dem Foto zur Pressekonferenz am unteren Bildrand zu sehen) hatten Studierende und Mitarbeiter die BTU am Tag der Unterschrift symbolisch zu Grabe getragen.

Pressekonferenz mit Pressesprecher Hans-Georg Moek, Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, der eingesetzte Gruendungsbeauftragte Dr. Birger Hendriks und BTU-Pressesprecherin Dr. Marita Mueller zur Neugruendung der BTU-Cottbus-Senftenberg (Foto: dpa/Franke)
Pressekonferenz am 1. Juli 2013 mit damaligem Wissenschaftsministeriumssprecher Hans-Georg Moek, Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, der eingesetzte Gründungsbeauftragte Birger Hendriks und BTU-Pressesprecherin Marita Mueller zur Neugruendung | Bild: picture alliance

Klage gegen Fusion gescheitert

Im Mai 2016 waren schließlich Kritiker der Hochschulfusion mit einer Klage beim Verfassungsgericht in Potsdam gescheitert. Brandenburgs höchste Richter erklärten, dass die Zusammenlegung im Wesentlichen "im Einklang mit der Landesverfassung" stehe. Geklagt hatten 19 damals aktive und ehemalige CDU- und FDP-Abgeordnete des Landtages. Sie hatten unter anderem bemängelt, dass ihrer Ansicht nach die Landesregierung den Hochschulgremien kaum Gelegenheit geboten habe, angehört zu werden.

Schon 2015 hatte die Fusion das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Es hatte Beschwerden gegen den Zusammenschluss weitgehend abgelehnt.

Die Zahl der Studierenden hat sich allerdings so entwickelt, wie viele Kritiker es befürchtet hatten. Waren es direkt nach der Fusion noch gut 9.500, sind es aktuell rund 6.800. Diese Zahl wurde inzwischen das zweite Jahr in Folge gehalten.

Laut der Uni trifft die BTU als technische Universität der generelle Trend, dass bundesweit die Studierendenzahlen in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen bundesweit massiv zurückgehen. "Die BTU kompensiert diesen Trend mit neuen Studiengängen, die insbesondere interdisziplinäre Kompetenzen vermitteln", so eine Sprecherin. Die Zahl derjenigen, die sich neu einschreiben, steigt seit 2020.

Die aktuell eingeschriebenen Studenten kommen neben Deutschland aus 125 weiteren Ländern, "wobei Indien, der Iran und die Ukraine am stärksten vertreten sind", so die Uni [b-tu.de]. Insgesamt kommen rund 40 Prozent der Studenten aus dem Ausland.

"Für die Region ein Segen"

Bei Paul Weisflog schlagen zehn Jahre nach der Fusion zwei Herzen in der Brust. "Es gibt einmal die Enttäuschung: Die Leute, die damals gekämpft haben und vorausgesehen haben, was jetzt auch passiert ist", sagt er vor allem mit Blick auf praktische Studiengänge, die weggefallen sind. "Und es gibt die Hoffnung - nämlich das, was jetzt entsteht und entstehen kann", so Weisflog. "Hoffen wir mal, dass wir diesen Elfmeter nicht versemmeln."

Kathrin Lehmann klingt rückblickend versöhnlich. "Das war nicht immer einfach zu händeln, aber ich sehe das so, dass wir gut zusammengewachsen sind."

Ob die BTU eine Erfolgsgeschichte ist, wird sich laut Matthias Koziol noch zeigen. Es sei aber eine Chance, dass die BTU ein Kern des Strukturwandels ist. "Zum Schluss ist dabei etwas herausgekommen, was tatsächlich gut ist: Die BTU mit Anteilen der Fachschule ist für die Region ein Segen."

Mögliche Kooperation mit Medizineruni

Zuletzt war die BTU unter anderem in den Nachrichten, weil im Zuge des Strukturwandels unter Federführung der Uni der "Lausitz Science Park" aufgebaut wird, an einem neuen Energie-Innovationszentrum an der Energieerzeugung der Zukunft geforscht wird und es eine Kooperation mit der künftigen Uni-Medizin in Cottbus geben soll. Entgegen ursprünglicher Pläne wird die medizinische Fakultät der geplanten Medizinerausbildung nicht an der BTU angegliedert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.06.2023, 16:10 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Und der Mangel an Ingenieuren mit Kenntnissen im System Eisenbahn wird immer eklatanter. Die Entscheidung, diesen Lehrstuhl in Cottbus aufzulösen, stößt deshalb in der Branche auf völliges Unverständnis. „Verkehrswende“ – wie die Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik.

  2. 4.

    In Gotha gibt es keine Hochschule.
    An der dortigen Fachschule gibt es das Betriebsfeld. Hier durchlaufen Studenten aus Erfurt Praktika zum Thema Eisenbahnbetrieb.
    Auch die Hochschule Fulda hat mit der Eisenbahn nichts im Programm.

  3. 2.

    Es ist das alte, überhebliche Dilemma.

    Studierende der Uni halten sich für erlesenen/besser, daher die größere Wut (Proteste) an der BTU.

    „Allerdings war die Skepsis an der Fachhochschule Lausitz weniger groß als an der BTU“

  4. 1.

    Der größte Fehler seit der Fusion ist die Abschaffung des Eisenbahnlehrstuhls und das in Zeiten der Verkehrswende.
    Wo sollen bitteschön die Fachkräfte dazu herkommen, wenn man nicht selbst in der Region ausbildet.

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