Geflüchtete - Arbeiten für 80 Cent pro Stunde

Di 21.01.25 | 06:17 Uhr
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Symbolbild: Verschiedene Gartenrechen stehen zusammen an einem Baum am 08.12.2021. (Quelle: IMAGO/blickwinkel)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 12.01.2025 | Robert Schwaß | Bild: IMAGO/blickwinkel

Geflüchtete können per Gesetz zu gemeinnützigen Arbeiten verpflichtet werden. Dafür erhalten sie 80 Cent pro Stunde. Tun sie das nicht, könnten ihnen erhebliche Konsequenzen drohen. Flüchtlingshilfen schlagen Alarm.

Im Sport- und Freizeitzentrum Beeskow (Oder-Spree) arbeiten seit Dezember vergangenen Jahres vier Geflüchtete. Die Männer erledigen kleinere Arbeiten wie Laubharken oder Hecken schneiden. Dafür bekommen sie eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde.

Diese Arbeitseinsätze sind als Maßnahme gedacht, um Asylbewerber an den Arbeitsmarkt heranzuführen, während sie auf ihre Asylbescheide warten. Denn bis jemand, der nach Deutschland geflohen ist, eine Arbeitserlaubnis bekommt, kann es Monate bis Jahre dauern.

Unterschiedliche Fluchtgründe

Die vier Männer stammen aus Tschetschenien, der Türkei und dem Irak. Bevor sie nach Deutschland kamen, haben sie in ihrer Heimat als Maler und auf dem Bau gearbeitet. Nach Deutschland geflohen sind sie aus wirtschaftlichen und politischen Gründen. "Ich suche eine Arbeit und lerne Deutsch. Ich liebe es hier in Deutschland", sagt der Geflüchtete Saeed Abbas Saeed. Er und die drei anderen Männer warten noch auf ihren Asylbescheid. So lange gehen sie dem Platzwart des Sport- und Freizeitzentrums in Beeskow zur Hand.

"Man weiß nicht, wo man zuerst anfangen soll, weil die Masse an Arbeit einfach viel ist. Deshalb finde ich das gut", sagt Platzwart Brian Sieczka. Auch der Landrat von Oder-Spree Frank Steffen (SPD) begrüßt die Maßnahme. "Die Menschen kommen zu uns, sie werden von uns untergebracht und versorgt und dann soll es auch eine Gegenleistung dafür geben, indem man sich einbringt."

Das ist Ausbeutung. Das ist entwürdigend und das ist falsch

Emily Barnickel, Flüchtlingsrat Berlin e.V.

Der Landkreis hat per Gesetz sogar das Recht, die Asylbewerber zu solchen Arbeiten zu verpflichten. Wer sich weigert, muss mit Kürzungen der Sozialleistungen rechnen. Geregelt ist diese sogenannte "gemeinnützige Arbeit" im Asylbewerberleistungsgesetz. Es sieht vor, dass Asylsuchende, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen werden können. Freiwillig oder gegen Androhung von Sanktionen. Entscheidend ist: Die Tätigkeiten sollen nicht die Erwerbsarbeit ersetzen und müssen dem Allgemeinwohl dienen. Außerdem wird der Lohn nicht als Gehalt, sondern als Aufwandsentschädigung angesehen. Deshalb gilt für diese Tätigkeiten der Mindestlohn nicht. Flüchtlingsorganisationen kritisieren diese Praktik.

Flüchtlingsrat Berlin spricht von Ausbeutung

Emily Barnickel arbeitet beim Flüchtlingsrat Berlin unter anderem in der Härtefallberatung. Sie steht im täglichen Kontakt mit geflüchteten Menschen. Die Geflüchteten müssten nicht für wenig Geld an den Arbeitsmarkt herangeführt werden, sagt sie. "Unserer Erfahrung nach wollen die Menschen arbeiten. Sie bemühen sich um eine Arbeitserlaubnis, aber bekommen sie einfach nicht. Das ist das Problem."

Viel wichtiger wäre es, so Barnickel, den Menschen ab Tag eins eine Arbeitserlaubnis zu geben. Sie für 80 Cent pro Stunde arbeiten zu lassen bringe nichts, sagt sie. "Das ist Ausbeutung. Das ist entwürdigend und das ist falsch."

80-Cent-Jobs auch in Berlin

Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe bestätigt dem rbb auf Nachfrage, dass auch in Berlin Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde arbeiten. "Es gibt die gemeinnützige Arbeit für Asylbegehrende auch schon in Berlin. Das tun die Menschen freiwillig und sie bekommen 80 Cent pro Stunde."

Ob die vier geflüchteten Männer in Beeskow durch das Laubharken im Sportverein besser im deutschen Arbeitsmarkt ankommen werden, bleibt offen. Offen bleibt auch, ob sie überhaupt jemals in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden, denn ob ihrem Asylgesuch stattgegeben wird, ist noch völlig unklar.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.01.2025, 19:30 Uhr.

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109 Kommentare

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  1. 109.

    Und es wird auch nicht im üblichen Sinne gearbeitet, sondern das ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Wenn man Zb. Parks reinigt und man ist etwas behäbiger kommt kein Vorarbeiter und scheucht die Mitarbeiter hoch.

    Bei uns in der Jugendfreizeitstätte sitzen die ehrenamtlichen Bürgergeldempfängern den ganzen Tag mit Jugendlichen rum. Niemand stört das, das sind ja auch keine zusätzliche Mitarbeiter sondern Ehrenamtliche.

    Und bei privaten Firmen dürfen die gar nicht eingesetzt werden.

  2. 108.

    Hartz 4 Empfänger werden schon seit 2005 zu solchen Tätigkeiten herangezogen. Bei Asylbewerbern ist das jetzt Zwangsarbeit?

    Nein das ist verkehrt. Das ist keine Zwangsarbeit. Man bekommt eine ehrenamtlicheTätigkeit zugewiesen und wenn man die nicht annehmen möchtel läßt man es sein. Dafür kommt niemand in ein Gefängnis oder Lager. Nur die Leistungen werden dann gekürzt. Wer Leistungen haben möchte muss auch Gegenleistungen erbringen. Sozialleistungen sind kein bedingungsloses Grundeinkommen.

    Zwangsarbeit gab es in der DDR. Da kamen Arbeitsverweigerer in Gefängnisse oder Jugendwerkhöfe.das gibt es hier nicht.

  3. 107.

    Volle Zustimmung. Zudem frage ich mich, warum sich z.B. vollausgebildete Mediziner oder Pflegekräfte für 80 ct die Stunde mit Laub harken beschäftigen sollen. In dieser Zeit können sie ebenso gut Deutschkurse und und Kurse zur Anpassung ihrer beruflichen Kenntnisse an unser System besuchen. Solche Kräfte werden dringend an anderen Stellen benötigt. Aber teilweise vergehen Jahre, bis sie wieder in ihren Job einsteigen können, weil sie auf die Arbeitsgenehmigung warten müssen.
    Eigentlich müsste die Losung doch heißen „Macht Migranten zu Steuerzahlern“, statt sie für Lohndumping zu missbrauchen.

  4. 106.

    Seit 2005 müssen Hartz 4 Empfänger maximal 30 Stunden wöchentlich ehrenamtlich arbeiten. Jetzt für 2 € die Stunde. Asylbewerber müssen das jetzt auch. Bei Empfängern von Asylbewerberleistungen gibt es aus rechtlichen Gründen nur 0,80 € die Stunde. Das Geld gibt es aber zusätzlich zu den Sozileistungen. Die muss man beim "Verdienst" mit berechnen.

  5. 105.

    Seit 2005 müssen Hartz 4 Empfänger maximal 30 Stunden wöchentlich ehrenamtlich arbeiten. Jetzt für 2 € die Stunde. Asylbewerber müssen das jetzt auch. Bei Empfängern von Asylbewerberleistungen gibt es aus rechtlichen Gründen nur 0,80 € die Stunde. Das Geld gibt es aber zusätzlich zu den Sozileistungen. Die muss man beim "Verdienst" mit berechnen.

  6. 104.

    Völlig unverständlich diese Diskussion hier. Es wird ja nicht für 0,80, bzw. 1.- € billig gearbeitet, es handelt sich lediglich um eine zusätzliche symbolische Entlohnung, zu der bereits bestehenden all inclusive Versorgung wie Miete, Krankenkasse, Lebensunterhalt und weiteren sozialen Leistungen. Also könnten diese erhaltenen Aufwendungen als der tatsächlich erhaltene Lohn für die zu leistenden Arbeiten angesehen werden.

  7. 103.

    Bravo!! Sehr gut geschrieben.

    "...Zuwendungen in Summe mehr, als dass, was sie bis dato in ihren Herkunftsländern verdienten..."

    Das sieht das Internet ebenso, weil es offenbar so ist.
    Die Durchschnittseinkommen nach Herkunftsland der Geflüchteten monatlich:
    Ukraine: 400,-€
    Syrien: 80,-€
    Afghanistan: 28,-€
    Nigeria: 198,-€
    Somalia: 200,-€

    Die Geldleistungen in der BRD nach AsylbLG kann ja jeder selbst nachlesen. Sie liegen zwischen 300,-€ und 441,-€.

  8. 102.

    Hartz 4 Empfänger mussten für 1 € die Stunde arbeiten. 20 cent mehr die Stunde. Diese Regelung gibt es schon seit 2005

  9. 101.

    Richtig so, ich bin komplett dafür ( denke auch 1-2 Euronen die Stunde ist okay). Berlin verkommt immer mehr, da sind diese Arbeiten sehr sinnvoll. Wir leben hier doch nicht im Schlaraffenland.
    Wenn unsere Bürokratie nicht so beschissen umständlich und viel zu langsam wäre, würden Viele schon in Lohn und Brot stehen können.

  10. 98.

    "Die Menschen sind aus wirtschaftlichen Gründen geflohen und wollen hier bleiben."

    Sie verwechseln Asylbewerber mit den 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlingen 1989 die wir bis heute durchfüttern müssen oder wie sie sich ausdrücken:

    "Also wünsche ich mir etwas mehr Demut von diesen Menschen, Demut vor dem Land, welches sie ernährt, medizinisch versorgt, wohnen lässt und für ihre Sicherheit sorgt."

  11. 97.

    "Als ob einer von den Befürwortern diese Jobs selber machen würden, wenn sie Geflüchtete wären."
    Warum denn nicht? Nachdem ich Bürgerkrieg oder anderer Gefahr für mein Leben entkommen bin und in meinem Wunschland Schutz und Sicherheit gefunden habe?
    Warum sollte ich dann keine Harke in die Hand nehmen und mal unter Leute kommen und dadurch die Sprache besser lernen? Ist es besser, im Heim die Zeit totzuschlagen?
    Merkwürdige Gedanken hier... :-)

  12. 96.

    Prinzipiell finde ich es gut zusätzlich zu den anderen Leistungen solche Stellen anzubieten. Aktuell gibt es für Arbeitslose die 2€-Jobs. Ich finde es fair, Geflüchteten ab 1€ bis 2€ zuzahlen. Vor Jahren hatte ich einem 1€-Job zus. zu ALG 2 und war froh, bis zur richtigen Anstellung so im Arbeitsleben zu sein. Mein Geldbeutel freute sich auch.

  13. 95.

    Was soll das hier?
    Die Menschen sind aus wirtschaftlichen Gründen geflohen und wollen hier bleiben. Dass das mit der Klärung ihres Antrages auf Aufenthalt solange dauert, ist das eigentliche Problem.
    Wenn das schneller gehen würde, wer weiß, ob diese Menschen noch hier wären.
    Und, wenn wir uns mal richtig die Situation hier ansieht, sind die 0,80€/Std. plus der sonstigen Zuwendungen in Summe mehr, als dass, was sie bis dato in ihren Herkunftsländern verdienten.
    Also wünsche ich mir etwas mehr Demut von diesen Menschen, Demut vor dem Land, welches sie ernährt, medizinisch versorgt, wohnen lässt und für ihre Sicherheit sorgt.

  14. 94.

    "Flüchtlingshilfen schlagen Alarm."
    Klar tun sie das schon wieder, wie bei jeder Kleinigkeit, Bezahlkarte und so weiter.
    Diese Menschen sind schlimmsten Verhältnissen entflohen, Bürgerkrieg, Verfolgung, sonstwas. Hier bekommen sie Schutz und alles für ein sicheres Leben. Wird ihr Asylantrag genehmigt, steht ihnen in einem der reichsten Länder der Welt alles offen.
    Und jetzt ist gemeinnützige Arbeit schon wieder zuviel?

  15. 93.

    "Dann haben Sie auch gelesen, ..."

    Natürlich.
    Für mich ist die Aussage unserer Bundesregierung einzig relevant. Ihre zitierte Meinung der ILO ist für mich irrelevant. Die ILO ist nicht Teil der Exekutive in der BRD.

  16. 92.

    "Die BRD muss deutlich unattraktiver für Asylsuchende werden."

    Das wäre ein Bruch internationaler Abkommen und wenn sie mich fragen auch des GG.

    Ich wollte auch keinen Vergleich anstellen, mir ist aber diese Heuchelei zuwider die hier an den Tag gelegt wird.

  17. 91.

    Dann haben Sie auch gelesen, dass sich die Experten immer noch uneinig sind und somit ist das ganze Thema seit Jahren in der Schwebe. Denn Hauptkritikpunkt ist - Zitat:
    "Dagegen hat der Sachverständigenausschuss der ILO, der mit der Überwachung der Durchführung des Übereinkommens Nr. 29 befasst ist, auf der 70. Internationalen Arbeitskonferenz im Jahr 1984 festgestellt, dass die Heranziehung von Asylsuchenden, die dem Arbeitsaufnahmeverbot unterliegen, zu gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten dann als Zwangsarbeit zu werten ist, wenn ihnen im Fall der Weigerung die Hilfe zum Lebensunterhalt gekürzt oder ganz vorenthalten wird."
    Nicht immer nur den genehmen Teil eines Diskussionspapieres lesen, sondern auch die Gegenrede!

  18. 90.

    Ja, da sollte der "Dennis" korrekter formulieren und ich gebe Ihnen recht.

    Jedoch hierbei nicht: "Wir schmeißen Milliarden an entgangenen Steuern jedes Jahr zum Fenster raus aber die 80 Cent sind enorm wichtig. Was für eine Heuchelei." Einen Missstand, mit einem anderen Missstand zu rechtfertigen bringt uns glaube nicht weiter. Obwohl ich so auch gerne argumentiere. Die BRD muss deutlich unattraktiver für Asylsuchende werden. Ein beibehalten der Politik der vergangenen 10 Jahre trägt dazu nicht bei. Dies ist empirisch belegt. Bedeutet, es muss sich etwas dramatisch verändern. Sämtliche gesetzlich machbaren Möglichkeiten müssen sofort flächendeckend in der BRD in die Tat umgesetzt werden. Für zusätzliche Möglichkeiten soll die nächste Regierung über entsprechende neue Gesetze oder Änderung bestehender nachdenken und diese sehr zügig verabschieden. Wir müssen unattraktiver werden, sonst wird dieses Thema nicht verschwinden. Das ist meine feste Überzeugung.

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