Teststrategie in Berlin - Paritätischer Wohlfahrtsverband kritisiert mangelnde Corona-Schnelltests in Heimen für Behinderte

Sa 21.11.20 | 18:00 Uhr
Symbolbild: Ein Covid-19-Patient wird im Curry-Cabral-Krankenhaus im Rollstuhl geschoben. (Quelle: dpa/Franca)
Bild: dpa/Franca

In der Corona-Teststrategie spielen Menschen mit Behinderung eher eine untergeordnete Rolle. Für Betroffene und ihre Angehörigen bedeutet das: banges Warten auf die neuen Antigen-Schnelltests. Eine Mutter schilderte ihren Fall nun rbb|24. Von Sebastian Schöbel

Als sich Susanne B.* hilfesuchend an rbb|24 wendet, wartet sie bereits gut fünf Wochen auf die versprochenen Corona-Schnelltests im Wohnheim ihrer schwerbehinderten Tochter. "Wie viele andere Eltern auch treibt mich die große Sorge um, dass meine Tochter mit dem Coronavirus infiziert werden könnte", schreibt B. der Redaktion. "Denn sie gehört zu der besonders vulnerablen Personengruppe, die einen schweren Verlauf der Erkrankung vermutlich nicht überleben würde."

Doch der Einsatz der sogenannten Antigen-Schnelltests in der Einrichtung für Betreutes Wohnen verzögert sich, schreibt B.: Grund seien fehlende Klarheit bei der Frage, wer testen darf, sowie lange Wartezeiten bei der behördlichen Prüfung des Testkonzepts der Einrichtung. "Ich als Mutter sehe die Berliner Politik und Verwaltung in der Pflicht, hierfür endlich praktikable Voraussetzungen zu schaffen!"

Nur Pfleger und Mediziner dürfen testen

Dass es derzeit vor allem in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung Probleme bei den Corona-Schnelltests gibt, bestätigt Uwe Brohl-Zubert. Er ist beim Paritätischen Wohlfahrtsverband unter anderem Fachreferent für den Bereich Soziale Psychatrie. Die Umsetzung der Teststrategie gestalte sich gerade "sehr bürokratisch", sagt er.

So sei in Berlin vielen Trägern noch immer nicht klar, ob sie ihr vorgeschriebenes Testkonzept dem Senat oder den Bezirken vorlegen müssen. Ohne Testkonzept sind Schnelltests aber nicht möglich. "Ich habe einen Träger in Treptow-Köpenick, der hat sein Konzept ans Bezirksamt geschickt und drei Stunden später die Genehmigung bekommen", sagt Brohl-Zubert. "Ich habe aber auch einen Träger, der sein Konzept an die Senatsverwaltung geschickt und bis heute nichts mehr gehört hat."

Viel problematischer aber sei die Lage für Einrichtungen, die zwar pädagogisches Personal haben, aber keine ausgebildeten Pfleger. Denn nur die dürfen, neben Medizinern, die Schnelltests verabreichen. Auf Bundesebene werde gerade eine Gesetzesänderung verhandelt, die Schnelltests auch durch nicht-medizinisches Personal möglich machen, so Brohl-Zubert. Bisher aber ohne Erfolg.

Berlin will 12,6 Millionen Tests beschaffen

Doch all das nützt nichts, wenn in den Heimen für Menschen mit Behinderung gar keine Schnelltests ankommen. Denn im Testkonzept, das am 15. Oktober auf Bundesebene vereinbart wurde, sei nur von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die Rede, nur sie genießen Priorität, beklagt Brohl-Zubert. "Menschen mit Beeinträchtigungen werden bei sowas immer vergessen." In Berlin seien das laut Paritätischem Wohlfahrtsverband rund 30.000 Menschen. "Wir fordern ein geordnetes Verfahren und sofortigen Zugang zu den Schnelltests", sagt Brohl-Zubert.

Das Land Berlin will insgesamt 12,6 Millionen Corona-Schnelltests beschaffen
, das Abgeordnetenhaus stellte dafür zuletzt 71 Millionen Euro bereit. Die ersten 260.000 Tests wurden an Pflegeeinrichtungen und die Wohnungslosenhilfe verteilt. Nach Angaben der Gesundheitsverwaltung sollen noch 2020 sechs Millionen Schnelltests für 33,66 Millionen Euro beschafft werden. Für 2021 seien weitere 6,58 Millionen der sogenannten Antigen-Schnelltests für 36,96 Millionen Euro geplant.

Menschen mit Behinderung keine Priorität

Der Antigen-Schnelltest liefere ein Testergebnis innerhalb von rund 15 bis 30 Minuten, teilte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) Anfang November mit. "Priorität hat für uns der Schutz von Risikogruppen", so Kalayci. "Ausgedehnte Testmöglichkeiten ermöglichen eine effektive Eindämmung und erweitern auch die Besuchsmöglichkeiten verschiedener Einrichtungen."

Laut der Nationalen Teststrategie sollen die Antigen-Schnelltests insbesondere bei Mitarbeitenden in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, dem Rettungsdienst und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, in Reha-Einrichtungen und Arztpraxen eingesetzt werde. In Berlin soll er grundsätzlich außerdem bei weiteren Personengruppen wie Polizei, Feuerwehr, Obdachlosenhilfe, Eingliederungshilfe sowie bei Mitarbeitenden von Kita und Schule eingesetzt werden.

Antigen-Schnelltests haben den Vorteil, dass die Probe nicht ins Labor muss, sondern zum Beispiel direkt vor Ort untersucht werden kann. Die Antigen-Tests gelten allerdings als weniger genau als PCR-Tests. Laut Robert Koch-Institut muss ein positives Ergebnis im Antigen-Test immer noch einmal mit Hilfe eines PCR-Tests bestätigt werden.

Dass Schnelltests in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung durchaus nützlich sein können, zeigt sich nun im Fall von Susanne B.: Am Freitag trafen nun doch die ersten Testkits ein, teilte sie rbb|24 auf Nachfrage mit.

Gleich bei den ersten Tests war das Ergebnis eines Betreuers positiv.

* Name von der Redaktion geändert

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