#Wiegehtesuns? | Die Autorin - "Ich versuche, nur von einem Tag auf den nächsten zu denken"
Verena Güntners zweiter Roman erschien mitten in der Corona-Krise. Die Lesereise ist abgesagt, die Einnahmen sind futsch, das Schreiben im Kinder-Chaos zu Hause gestaltet sich anspruchsvoll. Protokoll einer Ausnahmesituation, die auch gute Seiten hat.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Verena Güntner, 41, ist Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Berlin-Schöneberg. So geht es Verena:
Eigentlich wäre ich jetzt gerade auf Lesereise. Mein zweiter Roman "Power" ist vor kurzem erschienen. Mit diesem Buch und meinem Baby wäre ich in diesen Tagen in ganz Deutschland unterwegs gewesen. Wegen Corona sind nun alle Lesungen ausgefallen, es gab nicht mal eine Buchpremiere. Und mir sind sämtliche Einnahmen weggebrochen.
Stattdessen sieht mein Alltag gerade so aus, dass ich 24 Stunden am Tag mit unseren drei Kindern zusammen bin, genauso wie mein Mann. Natürlich wird da auch immer wieder gestritten, die Nerven liegen manchmal blank. Und nebenbei versuchen mein Mann und ich, noch irgendwie zu arbeiten.
Besonders schwer fällt mir gerade, die Konzentration und Zeit fürs Schreiben aufzubringen, ich muss ja immer wieder kleine Auftragstexte schreiben. Eigentlich bin ich daran gewöhnt, in eher stressigen Situationen zu schreiben, auch durchaus mit Kindern um mich herum. Zurzeit klappt das aber kaum. Ich denke mal, weil neben der Belastung durch die Kinderbetreuung auch die Aussicht fehlt, wann das Ganze vorbei ist. An den neuen Roman ist in dieser Situation noch gar nicht zu denken.
Ich genieße aber durchaus auch immer wieder die Zeit mit den Kindern in dieser Ausnahmesituation. Und ich hatte ehrlicherweise auch ein bisschen Respekt vor der Lesereise mit Baby, auch wenn ich natürlich sehr traurig darüber bin, dass sie ausfällt.
Ich habe relativ schnell abgehakt, dass die ganzen Dinge um mein Buch herum nun nicht stattfinden, habe versucht den inneren Widerstand aufzugeben und nicht besonders wütend zu sein. Aus Selbstschutz. Denn natürlich ist es ein Wahnsinn, jahrelang an einem Buch zu schreiben, und dann fallen alle Lesungen aus. Erstaunlicherweise hat diese Strategie aber ganz gut funktioniert. Das liegt bestimmt auch daran, dass ich mir zum Ziel gesetzt habe, nur von einem Tag auf den nächsten zu denken und nicht viel weiter.
Ich habe mir selbst verboten, irgendwelche Prognosen zu stellen, wie es in den nächsten Monaten weitergeht. Und im Moment weiß ich nicht so recht, was ich mir wünschen soll. Die Lockerungen sehe ich durchaus skeptisch. Obwohl auch ich natürlich froh wäre, die Kinder könnten wieder zur Schule und in den Kindergarten gehen, ihre Freunde sehen. Aber ich habe den Eindruck, wir wissen immer noch zu wenig über das Virus, auch über mögliche Spätfolgen der Erkrankung. Ich versuche, auch hier meinem Prinzip zu folgen, nicht zu weit nach vorn zu denken: ein Schritt nach dem anderen, ein Tag nach dem anderen.
Gesprächsprotokoll: Sarah Mühlberger
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