Gesundheitssenatorin räumt Versäumnisse ein - 29.000 Corona-Infektionen tauchen in Berliner Statistik noch nicht auf

Mi 26.01.22 | 19:43 Uhr
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Ein Pictogramm als Hinweis zum Tragen einer Maske ist auf dem Fussweg in Berlin (Quelle: dpa/Florian Gaertner)
Video: Abendschau | 26.01.2022 | Bild: dpa/Florian Gaertner

Keine Präsenzpflicht mehr, neue Quarantäneregeln in Schulen, Verwirrung um den Genesenen-Status - die Corona-Politik des Berliner Senats steht seit Tagen in der Kritik. Hinzu kommt: Die Zahl der Infizierten liegt deutlich höher als bislang bekannt.

Die Zahl der Corona-Infektionen in Berlin ist nach Angaben von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote deutlich höher als in der offiziellen Statistik ausgewiesen. Wegen der Vielzahl von Fällen sei es zurzeit nicht möglich, alle zeitnah zu melden und in das entsprechende System einzutragen, sagte Gote am Mittwoch im Ausschuss für Gesundheit des Abgeordnetenhauses. "Und so wissen wir, dass noch 29.000 Fälle nicht eingepflegt sind in das System. Was bedeutet, dass wir davon ausgehen müssen, dass die Inzidenzen noch ein gutes Stück höher liegen."

Schüler in Berlin am stärksten betroffen

Der Lagebericht der Gesundheitsverwaltung [berlin.de] weist auf Basis von Daten des Robert-Koch-Instituts vom Mittwoch für Berlin eine Inzidenz von 1.795,5 aus. Der Wert, der die Zahl der Infektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen darstellt, ist der höchste aller Bundesländer. Allein binnen 24 Stunden kamen laut Statistik 17.416 erfasste Corona-Fälle dazu.

Am stärksten von Neuinfektionen sind in Berlin Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren betroffen, hier liegt die Inzidenz aktuell rund 4.730, gefolgt von den 5- bis 9-Jährigen (4.540) und von 15- bis 18-Jährigen (3.140).

Gote sieht bei Abstimmung "Luft nach oben"

Die Gesundheitssenatorin räumte im Gesundheitsausschuss Versäumnisse des Senats in der Pandemiebekämpfung ein. Sowohl die ausgesetzte Präsenzpflicht an Schulen als auch die dort und in Kitas beendete Kontaktnachverfolgung hätten besser und mit mehr Vorlauf kommuniziert werden müssen, sagte Gote. Die Maßnahmen an sich seien richtig, betonte Gote. Doch bei der Abstimmung gebe es noch "Luft nach oben".

Seit Dienstag ist die Präsenzpflicht an Berliner Schulen vorerst bis Ende Februar ausgesetzt. Zudem müssen inzwischen Sitznachbarn von infizierten Schülern und Gruppenmitglieder infizierter Kita-Kinder nicht mehr in Quarantäne. Auf eine Kontaktnachverfolgung in Schulen und auch im Kita-Bereich wird inzwischen verzichtet.

Große Unklarheit beim Genesenen-Status

Gote übte auch scharfe Kritik am Bund. Das Wirrwar um den Genesenenstatus habe zu einer "sehr unbefriedigenden Situation und viel Verärgerung in der Gesundheitsministerkonferenz" geführt. Der Bund solle dringend klarstellen: "Wer und was gilt jetzt wie, und wie ist das nachzuweisen?" Den Genesenenstatus über Nacht von sechs auf drei Monate zu verkürzen, sei eine nicht handhabbare Regelung des Bundesgesundheitsministers - und sie sei auch nicht gerecht, so Gote.

Derzeit werde man darauf "vertröstet", dass die Corona-Warnapp überarbeitet wird, um den jeweiligen Status genau ablesen zu können. Zugesagt sei das für die erste Februarwoche. Bis dahin müsse man die Unsicherheit wohl noch aushalten, machte Berlins Gesundheitssenatorin deutlich.

Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der in der Vergangenheit bereits erfolgreich Klagen von Gastronomen gegen Corona-Maßnahmen vertreten hat, bestätigte in der rbb-Abendschau, dass in Berlin zwei verschiedene Genesenen-Fristen gelten. In den Bereichen Kultur, Einzelhandel und Gastronomie gelte nach wie vor der Genesenen-Zeitrahmen von sechs Monaten (geregelt durch die Vierte Berliner SARS-CoV-2-Verordnung), am Arbeitsplatz und im Personenverkehr gelte dagegen die dreimonatige Frist, weil für diese Bereiche das Infektionsschutzgesetz des Bundes zuständig sei, so Härting. Zuvor hatte der "Tagesspiegel"-Checkpoint berichtet.

Kritik am MPK-Ergebnis zu PCR-Priorisierung

Wenig Hoffnung macht die Grünen-Politikerin auf eine Ausweitung der PCR-Testmöglichkeiten in Berlin. Hier ließe sich die Kapazität kaum noch erhöhen. Gote kritisiert in diesem Atemzug erneut, dass sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder bei ihrem letzten Treffen nicht auf eine Neuregelung der Corona-Testverordnung geeinigt haben, sondern dies der Gesundheitsministerkonferenz überlassen haben.

"Wir bräuchten die Regelung jetzt", sagt die Gesundheitssenatorin, weil Berlin bei den Inzidenzzahlen schwerer betroffen sei als viele andere. Aber dafür bestehe auch die Hoffnung, früher die Spitze der Welle erreicht zu haben - das könne auch ein Trost sein.

Sendung: Abendschau, 26. Januar 2022, 19:30 Uhr

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38 Kommentare

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  1. 38.

    Nun gibt es zum einen vermutlich mehr als 1000 Schüler in Berlin. Zum anderen stecken sich in Ihrem Zahlenbeispiel 20 Schüler je Woche an einer Schule mit 1000 Schülern an. Das sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht immer die selben 20. Also jede Woche auf ein neues. Hinzu kommen der Verzug zwischen Infektiösität und Erkennung durch PCR, welche einen beschleunigenden Effekt hat. Sorge hätte ich da als Elternteil denn auch bei 20, da braucht es mit etwas Nachdenken keine großen Zahlen.

  2. 37.

    Wie kommst du auf 20? Es wären 50. Das heißt gleichzeitig 100 infizierte Schüler,also immerhin 10 Prozent.
    Mir ging es aber eigentlich darum,darauf zu verweisen,dass trotz Maskenpflicht bei den Schülern die höchsten Inzidenzen zu verzeichnen sind. Muss jeder selber wissen,wie er diese Maßnahme bewertet. Mit tun die Kinder leid.

  3. 36.

    Ja erschreckende Zahl … wenn man nicht weiß wie diese ermittelt wird.
    Es wird auf 100.000 gerechnet.
    20 Infizierte Schüler bei einer Schule mit 1000 Schüler.
    Und nun auf Hunderttausend gerechnet… 1.000 da fehlen dann zwei Nullen und dann muss man bei den 20 auch zwei Nullen hinzufügen…. und schon hat man eine Inzidenz von 2.000/100.000…. es sind aber trotzdem nur 20 Schüler infiziert… nur davor würde niemand Angst haben.

  4. 35.

    Ohne Angabe der Positivenquote ist eine Inzidenz sowieso nicht viel wert. Aber nach fast 2 Jahren hat sich diese Erkenntnis immer noch nicht durchgesetzt. In Berlin war letztens ein Drittel der PCR-Tests positiv,da muss man kein Experte sein,um zu ahnen,dass da viele Fälle nicht offiziell erkannt werden.

  5. 34.

    Und trotzdem ist die Inzidenz aktuell dort bei knapp 5000. Scheint wirklich eine sehr sinnvolle Maßnahme zu sein.

  6. 33.

    "Luft nach oben"
    Ja, die gibt es nicht nur bei den Abstimmungen, sondern auch bei den Zahlen. Schon vor Wochen hat die dänische Gesundheitsministerin geäußert, dass die deutschen Zahlen nicht stimmen können und Omikron längst übernommen hat.
    Schon der Vergleich der europ. Inzidenzen lässt annehmen, dass unsere Zahlen fragwürdig sind. Es gibt keinen Grund, warum in der BRD und vor allem in Berlin die Inzidenz nicht auf vergleichbarem Niveau sein sollte - also irgendwas zwischen 3000 und 4000.
    Dass dabei immer noch Luft nach oben ist, zeigt Israel mit seiner momentanen 8000er-Inzidenz.
    Auf die aktuellen BRD-Zahlen gebe ich jedenfalls rein gar nichts.

  7. 32.

    ...war die Thematik Wahlen in Berlin eigentlich schon durch, da war doch noch was offen....irgendwas ist immer in Berlin...rbb sollte mal da recherchieren

  8. 31.

    Nicht nur die Jugendlichen! Ich sehe genug alte Menschen, die bis heute ihre Masken nicht richtig tragen! Auch im Fahrstuhl sind mir des öfteren ältere Menschen ganz ohne Masken begegnet. Nach Ansprache habe ich dann gehört“ ich bekomme keine Luft oder alles ist doch vom Staat gelogen!“
    Das hat wirklich nicht etwas mit dem Alter zu tun.

  9. 30.

    Die Regeln gibt es nicht…. da müssen sie schon genauer sein.
    Und wie sinnvoll die Regeln teilweise sind ….
    Genesen…. in der Gastro sind sie das für 6 Monate… im ÖPNV 3 Monate … und das ist in Berlin so.
    Nehmen sie noch andere Bundesländer dazu, ist das was in Berlin verboten ist, in Bayern erlaubt.

  10. 29.

    Versuchen Sie doch einfach mal ein mündiger Bürger zu sein. Die Quarantänedauer ist doch öffentlich publiziert, dazu brauchen Sie erstmal nicht das Gesundheitsamt. Im Internet sind die Allgemeinverfügungen für jeden Bezirk auf einen Klick zu finden! Kurz zusammengefasst: 10 Tage ab Tag des Testes, nach 7 Tagen dürfen Sie sich frei testen.

  11. 28.

    Die Bürgerinnen und Bürger bekommen was sie bei der Wahl bestellt haben.

  12. 27.

    Zum Glück gibt es in der Gesellschaft solch vernünftige Menschen, wie Sie einer sind. Immer schön auf andere zeigen und von der eigenen Unfehlbarkeit überzeugt sein. Jeder schiebt jedem die Schuld zu und ist dabei selbst unschuldig.

  13. 26.

    Ich habe heute meinen Bescheid bekommen, pos. PCR am 16.1.
    Mich wundert gar nichts mehr!
    Da ich informiert bin, habe mich isoliert. Aber was ist mit denen, die denken, sie müssen sich erst isolieren, wenn das Gesundheitsamt sich meldet?
    Wir sind eine Familie, 4 Personen, alle nacheinander infiziert- außer Bescheid per E-Mail hat niemand mit uns kommuniziert! Und die Schulen der Kinder sind genauso allein gelassen mit dem ganzen Sch...

  14. 25.

    Wieder sind die Anderen Schuld, nie man selber. Wenn morgen Schnee liegen sollte, sind es wieder die unvernüftigen Rodler!

  15. 23.

    Ok,die Kinder sind mal wieder an allem Schuld
    Wo bitte halten sich alle Erwachsene an die Regeln ???
    Sage nur Spaziergänger, Querdenker, AFD im Bundestag, usw.

  16. 22.

    Sucht man noch immer nach Schuldigen ?
    Bald sind Ferien, dann kann man wieder die reiserückkehrer nehmen.

  17. 21.

    Ich zähle nur noch runter, es ist bald vorbei. Die Vernunft hat gesiegt. :))

  18. 20.

    Dass sind doch sehr gute Nachrichten!!
    Wenn noch 29.000 Fälle nicht eingepflegt sind und die Inzidenzen höher sind als ausgewiesen, spricht das ganz deutlich dafür, dass unser Gesundheitssystem sehr gut mit Omikron zurecht kommt....Denn hinzu kommt noch die Dunkelziffer etc...
    Unser Ziel war immer die Überlastung unserer Gesundheitssysteme zu verhindern, und dies wird hiermit deutlich unter Beweis gestellt...

    Ich hoffe nur, dass, wenn man die fehlenden Fälle in der Statistik kennt, diese jetzt nicht über Tage und Wochen nachmeldet...Denn sonst stimmen die Werte ja auch in Zukunft nicht...Also bitte die 29.000 an einem Tag nachmelden und mit einem Verweis versehen etc...
    Denn Berlin wird in ein paar Tagen die Welle ihren Peak erreichen....

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