Finanzielle Folgen der Pandemie - Was Corona Berlin gekostet hat - und noch kosten wird

Mo 28.02.22 | 06:13 Uhr | Von Jan Menzel
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Wie zahlreiche andere Bereiche des öffentlichen Lebens, so ist am 03.05.2020 auch der Berliner Personennahverkehr durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. (Quelle: dpa/Matthias Tödt)
Audio: Inforadio | 28.02.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/Matthias Tödt

In zwei Jahren Pandemie hat Berlin so viel Geld ausgegeben wie noch nie in einem solchen Zeitraum. Trotzdem scheint das Land finanziell glimpflich davon gekommen zu sein. Die Schlussrechnung steht aber noch aus. Von Jan Menzel

Bei diesen Zahlen könnte man auf die Idee kommen, dass in der Finanzverwaltung die Sektkorken knallen: "Nur" 151 Millionen Euro stehen als Defizit im vorläufigen Jahresabschluss für 2021. Gemessen an den Befürchtungen der Haushaltspolitiker wirkt das fast wie die sprichwörtlichen Peanuts. Selbst, wenn man das größere Haushaltsdefizit von 1,5 Milliarden aus dem Jahr 2020 dazu nimmt, sieht die Bilanz eigentlich ganz passabel aus. Corona hätte demnach ein paar unschöne Kratzer in der haushaltspolitischen Hochglanzfolie der vergangenen Jahre verursacht, mehr aber auch nicht.

Ein Blick in die Auflistungen der Finanzverwaltung für das Abgeordnetenhaus zeigt jedoch, wie teuer Corona die Stadt tatsächlich zu stehen kommt. Im so genannten "Kameralen Monitoring Covid-19" sind für das vergangene Jahr coronabedingte Ausgaben von 3,9 Milliarden Euro aufgelistet. Geld, das in normalen Zeiten niemals ausgegeben worden wäre. So aber mussten insbesondere die Gesundheits-, die Bildungs- und die Wirtschaftsverwaltung sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Spitzenreiter bei den Corona-Ausgaben ist die Verkehrsverwaltung mit 1,2 Milliarden Euro.

Hohe Kosten, aber kaum Passagiere im ÖPNV

Der Öffentliche Personennahverkehr wurde durch Lockdown, Homeoffice, das Runterfahren des öffentlichen Lebens und sicherlich auch die Sorge vieler, sich zu infizieren, hart getroffen. Fahrgäste blieben weg und Einnahmen fielen aus, während die Kosten fürs Personal und den Betrieb von Bussen und Bahnen weiterliefen. Allein für die "Leistungen des innerstädtischen ÖPNV", die von der BVG erbracht werden, mussten 718 Millionen Euro nachgeschossen werden. Die S-Bahn brauchte 415 Millionen Euro zusätzlich und für den Regionalverkehr waren noch einmal 57 Millionen Euro fällig.

Dass im Gesundheitsbereich ebenfalls hohe Ausgaben aufgelaufen sind, kann angesichts einer Pandemie kaum überraschen. Allein der Aufbau und der monatelange Betrieb der über die Stadt verteilten Impfzentren kostete rund 358 Millionen Euro. Für den Betrieb der provisorischen Covid-Klinik auf dem Messegelände mussten 5,1 Millionen Euro entrichtet werden. Der Rückbau dieser glücklicherweise nie genutzten Not-Klinik schlug noch einmal mit 16,8 Millionen Euro zu Buche. Für Schnelltests in den landeseigenen Testzentren wurden gut 110 Millionen Euro ausgegeben.

Schnelltests und Masken für Schulen

Die Bildungsverwaltung hatte die höchsten Ausgaben bei Schnelltests und FFP2-Masken für Kinder und Jugendliche sowie das Personal in Schulen und Kitas. Die Übersicht der Finanzverwaltung zeigt, dass hierfür mindestens 86 Millionen Euro aufgewendet wurden. Um Lernrückstände aufzuholen hatte die damalige Senatorin Sandra Scheeres, SPD, frühzeitig spezielle Angebote wie die "Lernbrücke" und Ferienschulen initiiert. Die Kosten für beides lagen bei 21,4 Millionen Euro. Darüber hinaus sind Lehrer-Laptops für 54,6 Millionen Euro angeschafft worden.

Die Pandemie mit ihren höheren Hygiene- und Quarantäneerfordernissen hat sich auch auf den Etat der Sozialverwaltung ausgewirkt. Unterkünfte für Wohnungslose und Asylsuchende konnten nicht vollständig belegt werden. Hier erhielten die Betreiber pro Bewohner höhere Sätze. Zudem mussten Altverträge neu verhandelt werden. Alles in allem kamen 82 Millionen Euro zusammen. Für die Ausstattung von zwei Unterkünften am Columbiadamm und in der Buchholzer Straße wurden 3,7 Millionen Euro gebraucht.

Unterstützung für Branchen und Betriebe

Mit verschiedenen Programmen, aber auch direkten Zuschüssen wurden Branchen und Unternehmen unterstützt. 22,4 Millionen Euro zahlte die Wirtschaftsverwaltung für die Förderung des Berlin-Marketings. Für Neustarthilfen, Soforthilfen unter anderem für Medien- und Kulturschaffende sowie eine Unterstützung bei der Gewerbemiete flossen 141,6 Millionen Euro. Da das Messegeschäft praktisch seit Beginn der Pandemie komplett zum Erliegen gekommen ist, brauchte auch die landeseigene Messegesellschaft eine Kapitalzuführung von 95 Millionen Euro.

Andere Einrichtungen mussten ebenfalls finanziell über Wasser gehalten werden: So bekam der Zoo 16,5 Millionen Euro, der Friedrichstadtpalast wurde mit einer Liquiditätshilfe von 22,6 Millionen Euro bezuschusst und die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek erhielt 34 Millionen Euro.

Für das erste Coronajahr 2020 gibt es keine ähnliche detaillierte Auflistung der Corona-Ausgaben wie für 2020. Die Kosten dürften sich aber auf einem ganz ähnlichen Niveau bewegt haben. Finanzsenator Daniel Wesener (B‘90/Die Grünen) taxierte kürzlich im Tagesspiegel die jährlichen Corona-Kosten im Bereich zwischen 3 und 4 Milliarden Euro.

Bundeszuschüsse hielten den Haushalt stabil

Dass Berlins Landeshalt trotz dieser unvorhergesehen Ausgabenblöcke nicht ins Wanken geraten ist, hat mehrere Gründe. Allein für verschiedenen Soforthilfeprogramm hat der Bund mehr als fünf Milliarden Euro an das Land gezahlt, die dieses Geld an Selbständige und Unternehmen weiterreichte. Finanzpolitiker sprechen von durchlaufenden Posten, die den Landeshaushalt nicht belasten.

Zusätzlich überwies der Bund allein 2021 mehr als eine Milliarde Euro, um dem Öffentlichen Personennahverkehr und den Krankenhäusern durch die Krise zu helfen. Zum anderen schichteten die Senatsverwaltungen ihre Budgets um: Nicht gebrauchte Euros wurden genutzt, um Corona-Löcher zu stopfen. Und das Land selbst mobilisierte 1,16 Milliarden Euro aus der eigens eingerichteten Corona-Rücklage.

Der Sparstrumpf ist noch gut gefüllt

Dieser Sparstrumpf – mit Krediten befüllt - ist jetzt im dritten Jahr der Pandemie immer noch prall. 5,4 Milliarden Euro wurden nicht abgebucht und liegen in der Reserve. Auch das könnte den Eindruck erwecken, Berlin wäre finanziell mit einem blauen Auge davongekommen. Allerdings ist noch lange nicht alles abgerechnet.

Erst im Frühjahr legen die Landesunternehmen ihre Jahresabschlüsse für 2021 vor. Schon jetzt ist klar, dass der Flughafen, die Messegesellschaft und auch die BVG erneut Hilfen brauchen. Die Haushaltspolitiker im Abgeordnetenhaus rechnen hier mit etwa einer Milliarde Euro, die aus der Corona-Rücklage abfließen wird. Für Beschaffungen und Leistungen etwa in die Impfzentren müssen ebenfalls noch offene Rechnungen beglichen werden. Die Kosten werden nach Schätzungen im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen.

Eine ähnliche Größenordnung dürfte auch das vom Senat versprochene Neustart-Programm haben, mit dem besonders hart getroffenen Branchen wieder auf die Beine geholfen werden soll.

Die große Unbekannte ist Corona selbst

Die große Unbekannte in der großen Berliner Corona-Abrechnung ist aber die Pandemie selbst. Wie sich die Infektionszahlen im kommenden Herbst und im nächsten Jahr entwickeln werden und welche Auswirkungen mögliche neue Wellen haben könnten, lässt sich seriös nicht sagen. Finanzsenator Daniel Wesener spricht gerne von der Glaskugel, die niemand habe.

Fast alles spricht aber dafür, dass die Milliarden, die noch in der Corona-Rücklage schlummern, zum allergrößten Teil auch ausgeben werden und nur ein relativ kleiner Teil zurückgezahlt wird. Berlins Schuldenberg wächst damit auf ein Allzeit-Hoch von annähernd 66 Milliarden. Das sind acht Milliarden mehr als noch 2019 - dem Jahr bevor die Pandemie ausbrach.

Sendung: Inforadio, 28.02.2022, 07:45 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

14 Kommentare

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  1. 14.

    Corona direkt verursacht nur einen Bruchteil der Kosten,es sind die Maßnahmen,die ins Geld gehen.

    Bei 3,9 Milliarden Euro sind doch bestimmt noch ein paar Millionen übrig,um unabhängig feststellen zu lassen,wie sinnvoll einzelne Maßnahmen gewesen sind. Vermutlich wird aber einfach der Mantel des Schweigens darüber geworfen,denn auf die paar Milliarden auf dem Schuldenberg oben drauf kommt es auch nicht mehr an.

    Wenn man bedenkt,dass Berlin vor Corona Überschüsse erzielt hat,sind 151 Millionen Euro Defizit auch nicht gerade wenig.

    Immer daran denken,es ging um 'flattern the curve'. Zusätzliche Ausgaben in das Gesundheitswesen wären wohl wesentlich effektiver gewesen.

  2. 13.

    Danke! Sie haben die Frage richtig gestellt. 2. Frage wäre: Wie lange will die Politik die Impfkampagne mit diesen Mitteln weitertreiben? Wie viele Milliarden Schulden will sie unseren Kindern und Enkeln noch hinterlassen? Von den gesundheitlichen und sozialen Schäden mal ganz abgesehen.

  3. 12.

    Die Steuerzahler müssen für die sinnlosen und übertriebenen Corona-Maßnahmen bezahlen. Warum überhaupt 2G in Stadien und anderen Einrichtungen, die an der frischen Luft stattfinden? 3G hätte total ausgereicht, da Geimpfte andere auch anstecken. Am sinnlosesten war 3G im ÖPNV, da die ArbeitnehmerInnen und SchülerInnen im Betrieb in der Schule sowieso getestet wurden. Dadurch sinnlose Ausgaben für Tests der ungeimpften Rentner, für Kontrolleure bzw. weniger Passagiere.

  4. 11.

    Meiner Meinung nach ist das Geld gut angelegt es ging ja unser aller Gesundheit.

  5. 10.

    Sagte der Herr Lauterbach nicht vor kurzem :
    "Corona beschäftigt uns noch mindestens 10 Jahre"....da sage ich mal, abwarten bis der Wirt die Rechnung bringt, und macht euch mal ein bisschen locker...

  6. 8.

    Und dazu kommen noch die Verlagerungen des Einkaufverhaltens in den Online-Bereich. Zu den großen Konzernen deren oberste Priorität die Steuervermeidung in Deutschland ist. Und die Konsumzurückhaltung der Kunden die sich durch die Maßnahmen eingeengt fühlen. Wenn diese Maßnahmen im Herbst wieder beginnen sehe ich ökonomisch noch schwärzer.

  7. 7.

    Was meint BBR26 mit die Betriebe
    brauchen mehr Geld ?
    Geld, daß Ihnen für vereinbarte Leistungen
    ohnehin zusteht ?
    Zusätzliches Geld, für Corona-Prämien ?
    Geld, für Corona-Mehrlohn ?
    Geld für ausgefallene Kunden-Zahlunen,
    Fahrschein, Eintrittsgeld ?

  8. 6.

    Ich würde mal sagen, Corona interessiert Menschen wie Sie und andere, welche diese Seite beim rbb angesteuert und gelesen haben. Ansonsten: Wenn es Sie nicht interessiert, warum lesen und kommentieren Sie es dann überhaupt?

  9. 5.

    Die Überschrift ist so nicht ganz richtig. Richtig wäre: " Was haben die Corona Verordnungen der Politik Berlin gekostet ".

  10. 4.

    Berechtigte Frage, dreht der irre Putin vollkommenen durch ist auch der Klimawandel für die Menschheit kein Thema mehr.

  11. 3.

    Seit wann stellt denn Geld in der Politik ein Problem da ? Das Zauberwort heißt nach wie vor " Schulden " , die aber immer kreativ umettiketiert und verpackt werden, weil der Begriff an sich schon nichts gutes verheißt. Man sollte aber nie vergessen : Eine Milliarde sind 1000 Millionen !

  12. 2.

    Wen interessiert denn jetzt noch Corona?

  13. 1.

    Und die fehlenden Einnahmen kommen noch oben drauf.
    In 2020 und 2021 dürften sehr viele Unternehmen Verluste gemacht haben… da fehlen für die Jahre schon mal die Steuereinnahmen… und die Verluste werden in die nächsten Jahre vorgetragen… so verschwinden etwaige Gewinne in den nächsten Jahren durch die Verluste der alten Jahre und es fehlen weiterhin Steuereinnahmen.
    Da dürfte Berlin bzw. Deutschland noch einige Zeit dran zu knabbern haben.

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