Porträt | Jurypräsidentin Kristen Stewart - Eine Frau, mit der man rechnen muss

Mi 22.02.23 | 10:57 Uhr | Von Anna Wollner
Jurypräsidentin und Schauspielerin Kristen Stewart (USA) steht am 16.02.2023 beim Photocall der Internationalen Jury vor der blauen Wand. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.02.2023 | Anna Wollner | Bild: dpa/Soeren Stache

Sie ist ein Schauspiel-Star, Regisseurin, LGBTQI-Aktivistin und nun, mit 32 Jahren, die jüngste Berlinale-Jury-Präsidentin aller Zeiten. Von ihrem "Twilight"-Image hat sich Kristen Stewart längst freigespielt. Was treibt sie an? Von Anna Wollner

Sie ist zwar erst 32, wie man böse sagen könnte, aber sie steht schon zwei Drittel ihres Lebens vor der Kamera. Kristen Stewart, Tochter eines Fernsehproduzenten und einer Script Supervisorin hat schon in ihrer Kindheit viel Zeit an Filmsets verbracht. Mit acht Jahren wird sie beim Schultheater auf der Bühne für den Disney-Film "Das dreizehnte Jahr" entdeckt, die erste große Hauptrolle folgt drei Jahre später in Jody Fosters "Panic Room". Vor fünfzehn Jahren, mit 18 wird sie schlagartig über Nacht zum Weltstar. In der Vampir-Saga "Twilight" spielt sie an der Seite von Robert Pattinson die Hauptfigur Bella Swan, ein Teenager-Mädchen, dass sich in einen Vampir verliebt.

Viele Kritiker sehen ihre hölzerne Leistung in der fünfteiligen Filmreihe als Höhepunkt ihrer Karriere, in Interviews wirkt sie damals oft überfordert. Überfordert mit den Fragen, dem Ruhm, dem Rummel um ihre Person. Aber der Schein trügt. Mit gerade mal 20 ist sie eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen der Welt. Noch heute scheint sie gerade in Gesprächen mit Journalisten und Journalistinnen kalt, gelangweilt, fast arrogant, deplatziert. Es ist ein Schutzpanzer, den sie sich aufgebaut hat durch ihre Jugend im Rampenlicht.

Ehrlich zu sich selbst bleiben

Auf die großen kommerziell erfolgreichen Filme hat sie seither nahezu verzichtet – mit purer Absicht, wie sie 2020 bei den Filmfestspielen in Venedig erzählt: "Ich mache mir nichts mehr aus Filmen, bei denen es nur um den kommerziellen Erfolg geht. Auch wenn ich natürlich immer möglichst viele Leute erreichen will mit meiner Kunst, muss ich in den Spiegel schauen können. Wenn ich mich zu sehr verbiegen muss, dann bringt es nichts".

Genug Menschen, mit denen sie in ihrer Karriere schon gearbeitet hat, würden das oft um die Darstellung ihrer Selbst tun. Sie weiß um das Risiko ihrer Filmauswahl, hat aber im Laufe der Jahre gelernt, vor allem ehrlich zu sich selbst zu sein.

Kristen Stewart hat sich freigespielt von ihrem "Twilight"-Image – vor allem gemeinsam mit dem französischen Regisseur Olivier Assayas. In "Die Wolken von Sils Maria" spielt sie an der Seite von Juliette Binoche die Assistentin einer berühmten Schauspielerin. Der Film ist eine künstlerisch-intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Beruf der Schauspielerin auf gleich mehreren Ebenen. Eine schauspielerische Leistung, die ihr als erste US-Amerikanerin überhaupt einen Cesar als beste Nebendarstellerin einbringt, das französische Pendant zum Oscar.

Danach folgen unter anderem eine Nebenrolle in dem oscarprämierten Alzheimer-Drama "Still Alice: Mein Leben ohne Gestern", die Trash-Actionkomödie "American Ultras" mit einem ihrer Lieblingsspielpartner Jesse Eisenberg, der Sci-Fi-Liebesfilm "Equals", Woody Allens "Café Society" und "Personal Shopper", wieder mit Assayas. Eine Geistergeschichte im Underground der Pariser Modewelt, ein Film, der von den Gegensätzen zweier Welten lebt, der oberflächlichen Glitzerwelt der Mode und der Welt, in der Kristen Stewart als Maureen nach Spiritualität und Wahrheit sucht. Diese Welt findet vor allem auf dem Display eines Handys statt – alle Gefühle spiegeln sich in Kristen Stewarts Gesicht wider.

Die Suche nach der eigenen Identität

Sowieso, ihr Gesicht – das in Interviews so reglos erscheint – ist es, dass ihr Spiel so außergewöhnlich macht. Gerade als Leinwandlegende in "Jean Seberg – Against all Enemie" und als Lady Di in "Spencer". Sie spielt hier zwei Figuren, die ihr sehr nah sind. Gerade in "Spencer", für den sie im vergangenen Jahr für einen Oscar nominiert war, ist sie famos. Famos in der Rolle und famos gegen den Strich besetzt. Die Dissonanz im Casting funktioniert, weil Stewart nie versucht, Diana zu kopieren, sondern ihr etwas Eigenes mitgibt. In einem einzigen Augenaufschlag liegt das gesamte Drama. Die Suche nach der eigenen Identität, das Schwanken zwischen Zweifel und Entschlossenheit bis hin zum Befreiungsschlag.

Rückkehr nach Berlin

Ihre eigene Biografie hat ihr dabei geholfen, zu akzeptieren, Dinge nicht mehr unter Kontrolle zu haben, das Gefühl in die Ecke gedrängt zu werden. "In unserem Job geht es viel um Repräsentation. Ich muss nicht unbedingt lügen, aber um mich selbst und meine Werte zu schützen, muss ich performen. Darstellen. Ich kann es bis zu einem gewissen Grad verstehen. Die Neugier liegt nun Mal in der Natur der Menschen. Sie wollen alles über mich und mein Privatleben wissen. Aber oft werden dabei Grenzen überschritten. Dann geht es nur im Überlebensmodus."

Den Überlebensmodus wird sie als Jurypräsidentin nicht brauchen. An rote Teppiche hat sie sich gewöhnt, im Kino wird sie nicht beobachtet. Und auch Berlin kennt sie. Von ihren Interviewreisen, von Dreharbeiten. Für "Spencer" war sie lange in der Stadt. 2010 war sie zuletzt auf der Berlinale mit der Independent-Produktion "Willkommen bei den Rileys".

Schauspielerin, Regisseurin, Aktivistin

Eine Sache darf man nie vergessen, wenn es um Kristen Stewart geht. Sie ist nicht nur Schauspielerin. Sie ist auch Regisseurin, Aktivistin, setzt sich für die LGBTQI+ Gemeinde ein. Ihre nächste Rolle: die US-amerikanische Publizistin Susan Sontag. Kristen Stewart sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Das gilt für ihre schauspielerische Leistung genauso, wie für die Arbeit als Jurypräsidentin auf der Berlinale.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.02.2023, 12:40 Uhr

Beitrag von Anna Wollner

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