Gemeinsames Statement - Acht Hochschulen aus Berlin und Brandenburg verlassen Social-Media-Plattform X

Fr 10.01.25 | 16:29 Uhr
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Symbolbild: X, ehemals Twitter (Quelle: dpa/Jaap Arriens)
Video: rbb24 Abendschau | 10.01.2025 | Arndt Breitfeld | Bild: dpa/Jaap Arriens

Auf Twitter sollte der Hochschul-Diskurs in die Gesellschaft getragen werden. Mittlerweile heißt die Plattform X und es herrschen Hass und Hetze. Für viele Hochschulen ein Grund, zu gehen.

  • mehr als 60 Hochschulen und Forschungsinstitute deutschlandweit legen ihre Accounts auf der Plattform X still
  • die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen, hieß es
  • Sprecherin der Universität Potsdam berichtet von "unterirdischen" Kommentaren, von Beleidigungen und verdrehten Fakten

Acht Universitäten und Hochschulen aus Berlin und Brandenburg verlassen gemeinsam mit mehr als 60 weiteren Hochschulen und Forschungseinrichtungen bundesweit die Social-Media-Plattform X. Die konzertierte Aktion wurde am Freitag von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität [idw-online.de] bekannt gegeben. Damit protestieren die Wissenschaftseinrichtungen gegen die zunehmende Radikalisierung des Diskurses auf X, vormals Twitter.

In Berlin ziehen sich demnach die Freie Universität (FU), die Humboldt-Universität, die Universität der Künste (UdK) und die Berliner Hochschule für Technik von der Plattform des Milliardärs Elon Musk zurück. In Brandenburg sind es neben der Universität Potsdam und der Viadrina in Frankfurt (Oder) die Brandenburgisch Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Universität Potsdam nach 13 Jahren

Die Bedingungen für einen offenen Austausch seien nicht mehr gegeben, hieß es in einem gemeinesamen Statement zur Begründung. Hass, Desinformation und Manipulation seien unter dem Denkmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit Tür und Tor geöffnet worden. Die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischer Diskurs.

Silke Engel, Sprecherin der Universität Potsdam, erläuterte dem rbb, im Vorfeld habe es einen Beschluss der Hochschulleitung gegeben: Die Universität wollte am Freitag nach mehr als 13 Jahren ihren Account auf der Social-Media-Plattform X, früher Twitter, stilllegen.

"Wir haben X schon lange beobachtet und waren da schon seit einigen Monaten nicht mehr so aktiv, wie wir es einst dort waren - wegen der politischen Entwicklungen, aber auch weil der Algorithmus sich verändert hat", so Engel: "Der Algorithmus greift umfassend in die Verteilung von Informationen ein, lenkt Diskussionen und verhindert einen freien Austausch. Außerdem hat - unter dem Deckmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit - der Verzicht auf jede Moderation Hass, Desinformation und Manipulation Tür und Tor geöffnet", erklärte Engel.

"Insofern haben wir uns gesagt, wir sind ein Ort für faktenbasierten Austausch, offenen Diskurs und Transparenz - das ist da jetzt nicht mehr gegeben", erläuterte die Sprecherin der Potsdamer Universität. Daher habe die Hochschule nun die Reißleine gezogen.

Kommentare waren "unterirdisch"

Vor allem im Rahmen emotionaler, politisch-ideologisierender Debatten seien die Kommentare zuletzt "unterirdisch" gewesen. Es habe Beleidigungen gegeben, aber auch ganz üble Nachrede. Es seien aber auch kleinere Fakten verdreht worden. Daraufhin hätten sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Uni gewandt. "Das ist stärker geworden in der Vergangenheit", so Engel.

"Die Reichweite, auch die Internationalität haben Forschende nach wie vor geschätzt. Sie hatten gehofft, dass sie den Diskurs dort mit Fakten prägen können. Aber die jüngsten Entwicklungen haben uns da desillusioniert", erläuterte Engel weiter. Der Ausstieg sei auch schon länger diskutiert worden. Dem Hauptaccount der Potsdamer Universität folgen auf X mehr als 10.000 Menschen.

Am Donnerstag hatten bereits die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Plattform nach rund 15 Jahren verlassen. Beide Arbeitnehmerorganisationen kritisierten die Plattform als "Forum für die Verbreitung von rechtsextremistischen Positionen, von Hass und Hetze, von Demokratiefeindlichkeit und Desinformation". Es werde immer offensichtlicher, dass die Algorithmen der Plattform "demokratiefeindliche Narrative bevorzugt behandeln".

Gegen Desinformation und Hassrede wird nicht vorgegangen

Tesla-Chef und Tech-Milliardär Elon Musk hatte Ende 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen und die Plattform in X umbenannt. Seither haben sich zahlreiche Einrichtungen und Prominente aus dem Netzwerk verabschiedet. Hauptkritik ist, dass nicht mehr gegen Desinformation und Hassrede vorgegangen werde. Musk, der auf X mehr als 200 Millionen Follower hat, ist mittlerweile auch ein Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Am Donnerstag hatte er sich erneut in den deutschen Wahlkampf eingemischt und für die AfD geworben. Auf seiner Plattform hat er ein rund einstündiges Online-Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel geführt [tagesschau.de]. Dabei ging es um Themen wie Atomkraft, Migration und die Bürokratie in Deutschland.

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.01.2025, 19:30 Uhr

91 Kommentare

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  1. 91.

    Lustig - wer nimmt eigentlich AFD-Wähler und deren favorisierte Partei aktuell noch ernst?
    Die Partei, die gegen jegliche Minderheiten ankämpft und sich für einen Anstieg der Geburtenrate, natürlich nur bei Deutschstämmigen, einsetzt, stellt eine in der Schweiz (kein Mitgliedsland der Europäischen Union) mit einer aus Sri Lanka (Drittland) stammenden, von einer Schweizer Familie adoptierten Frau als lesbisches Paar lebende, Kanzlerkandidatin auf?
    Wer macht denn eigentlich noch den Bock zum Gärtner?
    Der Geisteszustand von AFD-Wählern gehört auf den Prüfstand gestellt.

  2. 90.

    Wenn man nicht mal die Westdeutschen verstehen will, wie soll man die Amerikaner verstehen?

    Übrigens in Demokratien geht es in der Politik nicht um Wahrhaftigkeit, es geht um Stimmen gewinnen, die auf demokratischen Wege zur Macht verhelfen..

  3. 89.

    Das wird von manchen linken Politikern vermutet, und bitte nicht Trump mit Musk verwechseln
    Herr Musk hat hier Tesla aufgebaut, um den europäischen Markt mit teueren E- Autos zu beliefern, und dann soll er Europa schwächen wollen, damit sich kaum einer einen Tesla leisten kann? Wenn er so blöd wäre, dann würde er finanziell eher schlecht darstehen.

  4. 88.

    Obwohl Musk gebürtiger Südafrikaner ist, ist er Zeit seines Lebens dann US-Amerikaner geworden und das geradezu in typischer Weise: Anders als in (Mittel-)Europa, wo eine dicke Lippe zu riskieren, eher als Großmannssucht betrachtet wird, scheint ihm, Musk, das wie auf den Leib geschnitten zu sein. Gleich so Trump.

    Um irgendeinen Versuch von Wahrhaftigkeit geht es da allenfalls am Rande; eher schon untergeordnet dem Nutzenkalkül in privater Sache.

    Bei allen Bestrebungen, einen Staat zum persönlichen, politischen oder parteilichen Beutegut werden zu lassen, was in Europa zu beobachten ist: Derlei ungebrochen und in diesem Ausmaß hat es bislang niemand praktiziert. Ein Quantensprung.

  5. 86.

    "Ein Polotik - Berater ist kein Politiker, das gilt nicht nur in der EU, sondern auch auch in USA."

    Das ändert aber nicht daran, dass sein Interesse der Stärkung der USA und der Schwächung Europas gilt.

  6. 85.

    Ein Polotik - Berater ist kein Politiker, das gilt nicht nur in der EU, sondern auch auch in USA.

  7. 84.
    Antwort auf [rbb-24-nutzer] vom 11.01.2025 um 12:04

    Ein hervorragender Kommentar von Ihnen. Danke dafür.

  8. 83.

    Herrn Musk wird Frau Weidel persönlich herzlich egal sein. Ihm reicht es, wenn in Europa die Populisten generell gestärkt werden und allgemein für Spaltung sorgen. Bitte vergessen Sie nicht, dass Musk in die US-Politik geht und also US-Interessen vertritt. Ein starkes Deutschland und ein einiges Europa sind nicht in seinem Interesse.

  9. 82.

    Nunja, kurz vor der Bundestagswahl wirkt diese Aktion komisch, wie abgesprochen. X ist eine Plattform, wo viele ihrer Meinung äußern konnen und nicht beschnitten werden. Ich bin auch bei X und tausche mich aus. Das ist dort im Gegensatz zum ÖRR zu sein gen Themen möglich, ohne dass man zensiert wird. Wenn ich Quatsch lese, dann argumentiere ich auch dagegen ode trete in einen Diskurs. Das ist beim ÖRR leider nicht immer möglich. Aber trotzdem hoffe ich, dass auch der RBB seiner journalistischen Neutralität immer mehr nachkommt. Die Hochschulen sollten bei x bleiben und den Streit mit ihren Argumenten nicht aus dem weg gehen. Sonst zieht man sich dorthin in eine blase zurück, wo nur seine Meinung gehört wird und man scheut die Auseinandersetzung. Ich hoffe auf die Rückkehr der Hochschulen und die wissenschaftliche und iffene Auseinandersetzung. Beiträge werden dort nicht zensiert und ein Spiegelbild.

  10. 81.

    Ohhhh, da habe ich mich verirrt, ich wollte auf @51. Charles BukowskiFreitag, 10.01.2025 | 19:40 Uhr antworten.
    Aber, Ihre Anmerkung ist genauso "gehaltvoll".
    Vielleicht sollten Sie einfach mal versuchen, dass Gelesene auch zu verstehen, @Frank

  11. 79.

    Ich hatte als Quelle--"Paukenschlag--vor 2 Wochen" genannt und dort bekam Frau Weidel 24%--Herr Merz 20%--Herr Scholz 15% und Herr Habeck 14%

    Sorry, die Zahl 40% war ein Vertipper--es muss 24% heißen.

    Trotzdem--Mehr als Herr Merz--sie war damittatsächlich beliebteste Kanzlerkandidatin.
    Und damit hatte Herr Musk recht. Die Faktenchecker der ARD hatten es als Falschaussage betitelt.

    Herr Habeck hätte jetzt vielleicht sofort Anzeige wegen Falschbeschuldigung erstattet. Ich hoffe, Herr Musk sieht darüber hinweg--auch Faktenchecker können sich scheinbar irren.

  12. 78.

    2019 wurden alle meine auf facebook -- unter Klarnamen abgegebenen Kommentare-komplett gelöscht. Zur gleichen Zeit.
    Obwohl ich oft mit Quellenangaben arbeite meinte man, ich sei ein Fake, ein Bot, eine Maschine.

    Herr Zuckerberg hat also--so wie ich das selbst erlebt habe--Recht, wenn er von Zensur spricht und er zur Meinungsfreiheit zurück will.

    Und sollte die forsche Art von Herrn Tramp zu diesem Schritt geführt haben--soll man dann Herrn Trump kritisieren?

    Vielleicht sollten alle einmal in sich gehen und vielleicht auch zu dem Schluss kommen, dass in den letzten Jahren politisch und medial einiges am Rechtsstaat --an der Demokratie vorbeigeglitten ist.
    Auch was Migratio und Klimamaßnahmen betrifft.

    Übrigens--normalerweise kommentiere ich unter chr/christiane.
    Weil ich dann nicht freigeschaltet werde-- nutze ich das dudu!

    Meine Meinung ist gleich geblieben-ob chr/christiane oder dudu-so schlimm scheinen meine Kommentare dann doch nicht zu sein.

  13. 77.

    Ermutigung, damit Mutlosigkeit nicht ihre Bahn zieht. (Der Mutbürger anstelle des Wutbürgers, von dem Joachim Gauck seinerzeit sprach, fasst dies allerdings nur sehr plakativ und an der Oberfläche.)

  14. 76.

    Jeder glaubt, was er glauben will, oder kann.
    Ihr Nick-Namen-Geber würde sich auf jeden Fall im Grabe umdrehen, wenn er die Dummheiten erleben könnte, die Sie hier verbreiten. Sind Sie auch bei X, oder wo haben Sie die Infos her, die Sie hier verbreiten. Der Kinderbuchautor, dessen Konterfei an das Siegestor in München projiziert wurde, durch das die Fackelzüge der Nazis zogen, ist bei X, die auch die ganze Partei, die er für seine Kanzlerkandidatur instrumentalisiert, ist auch bei X.

  15. 75.

    Frau Dr. Weidel ist in der Tat aktuell mit ihren persönlichen Beliebtheitswerten nach dem Umfrageinstitut an erster Stelle. Nur, ob sich diese hohen Werte auch bei den vorgezogenen Bundestagswahlen für die AfD bestätigen lassen, ist halt die Frage.

  16. 74.

    Ein tolles Statement und ein Denkanstoß für junge Menschen, die soziale Netzwerke nutzen und sich teilweise unwohl damit fühlen, aber denken man muß dabei sein, sonst verpasst man was. Man kann einfach gehen und das Leben findet trotzdem statt, nämlich mit Freunden oder in Vereinen oder wo auch immer, aber offline. Diese Inhalte im Leben sind weitaus gesünder und erschließen neue und vor allem eigene Inhalte.

  17. 73.

    Infratest Dimap 19.12.24: Künftige KanzlerIn > Weidel Rang 4 mit 17% Zustimmung=gut und 71% Ablehnung=nicht gut.
    AFD bei 19% (repräsentativ)
    Geht auch ohne Uni....
    "INSA und Yougov setzen auf internetbasierte Befragungen von gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe. Das Panel umfasst in den meisten Fällen zwischen 1000 und 2000 Personen. In der Regel werden die so erzielten Ergebnisse anhand von verschiedenen Kriterien verändert, um dem Ergebnis einer Bundestagswahl möglichst nahe kämen. "

  18. 72.

    Sehr viele Menschen haben nicht die geringste Vorstellung davon, wie die Social Media Plattformen funktionieren und wie sehr die ungeprüften Inhalte zu Fehlinformationen/Entscheidungen führen können.
    Ja, bitte lasst die Menschen, die Fake schreiben bitte die Inhalte auf Fake kontrollieren. Das funktioniert sicher besser als aufrichtiger Journalismus, der Recherche betreibt und Richtigstellungen zulässt!
    Wer schon mal Auswertungen professionell betrieben hat und von diesen Algorithmen etwas versteht, versteht die Aktion! Hass produziert Hass...

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