Reportage zu Club-Schließungen - "Die haben nicht lange gefackelt"

So 15.03.20 | 08:52 Uhr | Von Oliver Soos
Polizisten in der Simon-Dach-Straße (Bild: rbb/Oliver Soos)
Bild: rbb/Oliver Soos

Die Polizei hat am Samstagabend den Berliner Club- und Kneipen-Shutdown durchgesetzt. In den Ausgehkiezen in Friedrichshain und Kreuzberg war der Ärger zum Teil groß. Doch Gesundheitssenatorin Kalayci betont: Die Zeit für Partys ist vorbei. Von Oliver Soos

Was Sie jetzt wissen müssen

So hatte sich Hannah Lindgren ihren Berlintrip nicht vorgestellt. Die 28-Jährige sitzt mit zwei Freunden in der Simon-Dach-Straße in einer Cocktailbar im 1920er Jahre Stil. Die jungen Schweden wollen in das Friedrichshainer Nachtleben eintauchen, nachdem schon ein Bandkonzert, auf das sie sich gefreut hatten, wegen der Coronavirus-Epidemie ausgefallen ist.

"So kann man das doch nicht machen"

Gegen 22 Uhr hält ein Mannschaftswagen der Polizei vor der Bar. Drei Beamte steigen aus. "Ich wollte mir gerade einen neuen Drink bestellen, als die Polizisten reinkamen", erzählt Hannah. "Die haben nicht lange gefackelt. Wir wurden direkt rausgeworfen. Das fand ich schon ein bisschen krass und übertrieben", sagt die Schwedin.

Geschäftsführer Robert Hesselbach ist völlig perplex. Er bittet, den Namen der Bar nicht zu nennen. Hesselbach telefoniert mit seinem Anwalt. Die Polizeibeamten haben ihm zwar die Verordnung des Senats gezeigt, doch er will sich das genauer erklären lassen. Nach dem Telefonat ist er allerdings immer noch ratlos. "So kann man das doch nicht machen", sagt Hesselbach. "Die Verordnung gab es offenbar am frühen Abend, doch man informiert uns nicht und wartet bis 22 Uhr. Unsere Mitarbeiter waren schon da, die Gäste sind eingetroffen, der DJ hat losgelegt und dann kommt plötzlich die Polizei in voller Montur und sagt, alle müssen raus, innerhalb von 20 Minuten."

"Wir sind für solche Fälle nicht abgesichert"

Er wisse nicht, wie es weitergeht, so Hesselbach. Im Moment habe er viele Fragen: Wie lange muss seine Bar geschlossen bleiben? Etwa einen Monat, wie die Schulen und Kitas? Wie groß wird der finanzielle Schaden sein? Gibt es irgendwelche Hilfen? "Wir sind für solche Fälle eigentlich nicht abgesichert", sagt Hesselbach.

Auch beim Inhaber der Kreuzberger "Marabu Bar", Michael Hubert, ist der Ärger groß: "Mir geht’s beschissen. Ich hoffe, dass gastronomische Kleinbetriebe wie wir irgendwelche Subventionen bekommen, wie Großkonzerne. Ich sehe ein, dass wir schließen müssen, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet. Doch wir müssen die Miete weiterbezahlen und unsere Mitarbeiter stehen jetzt ohne Arbeit da", sagt Hubert.

Manche Kneipiers müssen mehrfach ermahnt werden

In der Simon-Dach-Straße fährt die Polizei den ganzen Abend Streife und vergewissert sich, dass die Bars tatsächlich schließen. Ein Beamter erzählt, dass sich manche Kneipiers viel Zeit lassen und deshalb schon mehrfach ermahnt werden mussten.

Warum die Maßnahme so plötzlich durchgesetzt wurde, darauf wollte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci im Interview mit der rbb-Abendschau nicht im Detail eingehen. "Es ist genau jetzt die richtige Zeit, das öffentliche Leben einzuschränken und die Kontakte zwischen den Menschen zu reduzieren. Die Zeit für Partys gibt es jetzt einfach nicht mehr", sagt Kalayci.

Restaurant in der Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain (Bild: rbb/Oliver Soos)Volles Restaurant in Friedrichshain

In den Restaurants geht es weiter

Allerdings wurde die Party in der Simon-Dach-Straße nicht wirklich beendet. Die meisten Lokalitäten blieben am Samstag geöffnet, in einigen saßen die Gäste sogar dicht gedrängt nebeneinander. Dabei handelt es sich um Nacht-Gaststätten, die u.a. Pizza, Burger oder indisches Essen anbieten. Sie dürfen geöffnet bleiben. Bar-Geschäftsführer Robert Hesselbach empört das: "Die Leute gehen von den Bars weiter in die Restaurants. Ich verstehe nicht, warum es für die Infektion eine Rolle spielen soll, ob jemand nur etwas trinkt oder dazu auch noch etwas isst."

Der Berliner Senat zählt Restaurants neben Lebensmittelläden zur Daseinsvorsorge, schließt aber nicht aus, dass die Regeln weiter verschärft werden.

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