#Wiegehtesuns? | Dozent - "In den Video-Kacheln spiegeln sich die seltsamsten Szenarien"

Sa 14.11.20 | 08:24 Uhr | Von Gunnar Krüger
Lecture als Video-Call (Quelle: Gunnar Krüger)
Bild: Gunnar Krüger

Plötzlich kann Gunnar nicht mehr im Klassenzimmer unterrichten, weil er dafür in die Schweiz müsste, aber leider im über Nacht entstandenen Risikogebiet wohnt. Also Fernunterricht – bis hinauf auf 1.900 Meter in eine Schweizer Berghütte.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Gunnar Krüger, 50, aus Pankow arbeitet als selbstständiger Medienberater und im Bereich Informationstechnologie. Zurzeit des Lockdowns, im April dieses Jahres, hat er rbb|24 bereits seinen Arbeitsalltag zwischen Kinderbetreuung und Laptop geschildert. Gerade ist er wieder im Home Office gelandet - nämlich als Fachhochschul-Dozent für "Interaction Design". So geht es Gunnar:

Es entstehen Situationen mit leicht absurden Zügen dieser Tage. Bei mir geht das soweit, dass eine meiner Studentinnen auf einer Schweizer Berghütte meinem Unterricht per Video folgt und währenddessen einschneit. Wie konnte es soweit kommen?

Ich unterrichte in unregelmäßigen Abständen an der Schule für Gestaltung Bern und Biel im Studiengang der so genannten Höheren Fachschule, Fachrichtung “Interaction Design”. Normalerweise reise ich dafür mit der wunderbaren direkten Zugverbindung Berlin HBF - Bern HBF in die Schweizer Bundeshauptstadt. Doch seitdem Berlin zum Risikogebiet wurde, ist damit vorerst Schluss.

Die Schweiz hat Berlin ihrerseits zum Risikogebiet erklärt und einen Aufenthalt nach Einreise vorerst mit einer zehntägigen Pflichtquarantäne verbunden. Für insgesamt 15 Unterrichtslektionen ist das für mich nicht machbar. Also Unterricht per Video. An sich ist das ein geübtes Szenario: Während des Lockdowns haben wir den Fernunterricht gut organisiert. Die Schule ist ordentlich ausgestattet in Sachen Schulintranet und weiterer sinnvoller Tools. Das lief und läuft gut.

Und ich bin es mittlerweile auch gewohnt, dass sich in den Video-Kacheln meiner Studierenden die seltsamsten Szenarien spiegeln: Wäschehaufen, aus denen Yuccapalmen emporragen. Dachschrägen, die die Bewohner niederzudrücken scheinen. Oder Katzen, die sich auf den Schultern ihrer Besitzer breit machen.

Ebenso vertraut ist das Gefühl in "weiter Ferne ach so nah" etwas Abstraktes – nämlich die Konzeption von digitalen Produkten und Services – vermitteln zu müssen, das eigentlich im sozialen Miteinander leichter greifbar und erklärbar wird.

Heute aber kam es zu diesem einen, wunderbar irritierenden Einbruch einer parallelen Wirklichkeit in unser virtuelles Klassenzimmer. Eine Studentin schrieb mir vorab, sie müsse eine Berghütte im Alleingang hüten. Ob es okay sei, wenn sie während des Unterrichts hin und wieder Bergwanderer bewirte. Die Hütte mit dem kubistisch klingenden Namen Tegia Miez liegt auf etwa 1900 Höhenmetern.

Zu Beginn des Unterrichts bat ich die Studentin, uns eine kurze Hüttenführung per Video zu geben. Es tauchten graue Feldsteinmauern mit groben Tischen und Bänken auf. Eine kleine Küche. Und jener für die Schweiz typische Materialmix aus rustikal und hypermodern. Draußen alles in grau und weiß.

Sie müsse heute nun doch hier übernachten, sie sei eingeschneit. Und Moment, sie müsse eben diese beiden unverzagten Wanderer bewirten. Sprach’s, sprang auf, griff die Gesichtsmaske und entschwand aus dem Bild.

So geht es voran mit der Digitalisierung!

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Beitrag von Gunnar Krüger

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