Hausärztin über "mufflige Impflinge" - Impfmüdigkeit macht sich in Brandenburg breit
Erst waren Impftermine in Brandenburg Mangelware, inzwischen fehlen aber die zu Impfenden. Doch die Potsdamer Hausärztin Astrid Tributh betont angesichts der Delta-Variante, wie wichtig Covid-Impfungen nach wie vor sind. Von Amelie Ernst
'Könnte ich heute noch zum Impfen vorbeikommen?' Noch vor wenigen Tagen hätten Hausärztin Astrid Tributh und ihre Mitarbeiterinnen bei dieser kurzen Frage ebenso kurz und schmerzlos abgesagt. Doch inzwischen sind auch hier in der Praxis im Potsdamer Norden kurzfristige Impftermine möglich – und zu Impfende immer willkommen. Die Erstimpfung sei zur Abwehr der Delta-Variante besonders wichtig, so Tributh. "Und gerade da haben wir jetzt so eine Impfmüdigkeit: 'Nö, ich bin noch nicht dran, habe keine Lust, fahre jetzt erstmal in den Urlaub.'" Vor allem Jüngere seien mit dieser Einstellung unterwegs.
Impfen muss zu den Menschen kommen
Junge Familien fahren nun teils ungeimpft in den Urlaub, und auch Jugendliche und junge Erwachsene, die viele Kontakte hätten, hätte man früher ansprechen müssen, findet die Hausärztin – beispielsweise an den Schulen. Nun müssten neue Ideen her. Einfach mal mitten in der Stadt ein Zelt aufbauen und zum spontanen Impfen einladen – aus Sicht von Astrid Tributh muss das Impfen nun zu den Menschen kommen, nicht umgekehrt. Vor allem dahin, wo junge Leute anzutreffen seien.
Ministerium entwickelt Impkampagne speziell für Jüngere
Manche Landkreise wie Ostprignitz-Ruppin bieten das spontane "Jedermann-Impfen" auf Marktplätzen und vor Einkaufszentren bereits an. Doch bisher sind das Ausnahmen – um die Unentschlossenen zu erreichen, bräuchte es mehr davon, findet die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). "Impfen im Quartier, Impfen im Dorf, im Impfbus" – alles sei möglich.
Sie setze dabei auf den Ideenreichtum der Kommunen, so Nonnemacher. Impfstoffe für spontane Aktionen stünden jederzeit zur Verfügung, bestätigt das Innenministerium. Das Gesundheitsministerium selbst plant im Juli eine weitere Werbekampagne, um speziell jüngere Leute zu erreichen.
Zweitimpftermine immer öfter ungenutzt
Bei den Erstimpfungen hat Brandenburg im bundesweiten Vergleich inzwischen sogar aufgeholt: Dort liegt man nun mit rund 50 Prozent nicht mehr auf den vorletzten, sondern auf dem elften Platz. Und damit noch vor Ländern wie Hamburg und Bayern. Doch manch einem scheint eine Impfung zu reichen; Zweitimpftermine bleiben immer öfter ungenutzt. Denn die Zahl der vollständig Geimpften stagniert bei rund 30 Prozent, heißt: letzter Platz.
Doch de facto stehe Brandenburg besser da, betont Innenminister Michael Stübgen (CDU). 100.000 Genesene und tausende BrandenburgerInnen, die in Berlin geimpft wurden, müssten dazu gerechnet werden. Auch die Betriebsärzte hätten noch keine vollständigen Daten vorgelegt. "Wenn wir das zusammenrechnen, dann wären das jetzt schon mindestens 60 Prozent Erstgeimpfte", so Stübgen.
Warnung vor vierter Welle
Dann bleiben allerdings noch 40 Prozent, die bisher nicht mal eine Impfung erhalten haben. Das seien allerdings nicht nur Menschen, die das Impfen komplett ablehnten, sagt Hausärztin Astrid Tributh. "Die Brandenburger sind vielleicht auch ein bisschen anders als die Mecklenburger oder die Sachsen. Die sagen sich eher 'Wir warten jetzt erstmal ab'." Wichtig wäre ihr ebenso wie den zuständigen Ministern, dass diese Mentalität am Ende nicht zu einer vierten Corona-Welle führt. "Wenn das so weiter läuft mit den muffeligen Impflingen, dann werden wir im Oktober garantiert Lockdown Nummer 4 haben", so Tributh.
Sendung: Brandenburg aktuell, 24.06.2021, 19:30 Uhr