Corona-Pandemie - Gefälschte Impfpässe unterlaufen die Impfkampagne

Mi 01.12.21 | 14:52 Uhr
Symbolbild: Impfpass mit Aufklebern für Covid-19-Kreuzimpfung mit den Impfstoffen AstraZeneca und Biontech. (Quelle: imago images/Eckhard Stengel)
Audio: Inforadio | 01.12.2021 | Martin Adam | Bild: imago images/Eckhard Stengel

Während die Politik immer klarer von einer Impfpflicht spricht und die Impfkampagne in Deutschland wieder ein wenig Fahrt aufnimmt, sind immer mehr gefälschte Impfpässe im Umlauf – das Stück für bis zu mehrere hundert Euro. Von Martin Adam

Nach nur wenigen Sekunden Suche werde ich fündig. Ich könnte jetzt einen gefälschten Impfpass online kaufen. In den einschlägigen Kurznachrichtendiensten werden in etlichen Kanälen Fälschungen angeboten, professionell hergestellt und anonym verschickt.

Manche Anbieter locken mit Dumpingpreisen um die 50 Euro. Die Mehrheit hat sich aber offenbar auf Preise zwischen 200 und 300 Euro geeinigt. Ich schreibe "Amus". So nennt er sich jedenfalls. Die gelben Impfpässe inklusive QR-Code für das digitale Impfzertifikat bietet Amus für 250 Euro das Stück an. Auf Nachfrage einigen wir uns sogar auf einen Rabatt, fünf Pässe und Codes für 800 Euro. Anonym wie der Chat ist auch die Bezahlung. Amus schreibt, ich soll an einer Tankstelle, im Supermarkt oder auch online Geschenkgutscheine kaufen. Sobald ich ihm die Gutscheincodes schicke, kann er auf das Geld zugreifen. Ich frage nach Sicherheiten, er fragt nach meinem Namen.

"Danke für die Wertschätzung“

Kurz darauf kommt ein Foto mit meinen ausgedachten Angaben - mein falscher Name auf einem absolut echt wirkenden Impfpass. Ich zeige mich beeindruckt, Amus schreibt: "Danke für die Wertschätzung."

Wie viele Werke von Amus und Kolleg:Innen im Umlauf sind, weiß niemand. 106 laufende Ermittlungsverfahren wegen falscher Impfpässe meldet die Brandenburger Polizei, 393 die Berliner. Der Impfpass ist eine Urkunde, sie zu fälschen ist strafbar. Bis zu zwei Jahre Haft stehen seit Kurzem darauf – wenn man die Fälschung denn nachweisen kann.

Und bisher fliegen die Fälschungen vor allem in Apotheken auf, in denen Kunden damit nach einem digitalen Impfzertifikat fragen.

Fälscher imitieren Arztpraxen

Die Berliner Hausärztin Dorothea Kalkofen bemerkt vor gut zwei Monaten, dass falsche Pässe mit ihrem Praxisstempel in Umlauf sind. Apotheken, in denen Kunden ein digitales Zertifikat wünschen, fragen nach, ob diese Personen denn tatsächlich in Kalkofens Praxis geimpft wurden. Allerdings war das eine Phase, sagt die Ärztin, "in der wir gar nicht geimpft haben."

Schnell stellt sich heraus, dass der Stempel auf dem Impfpass nicht von ihr stammt – die angebliche Impfung schon gar nicht.

Inzwischen würden pro Tag 10 bis 15 Apotheken anrufen und nachfragen, aus Berlin und Brandenburg, vergangene Woche sogar aus Nordrhein-Westfalen. Kalkofens Name macht dank einem oder mehrerer Impfpassfälscher die Runde.

Falsche Pässe unterwandern den Kampf gegen die Pandemie

Das mache sie sauer, sagt die Ärztin. Seit Monate würden Sie und Ihre Kolleg:innen gegen die Pandemie kämpfen und andere unterlaufen die Anstrengungen einfach mit gefälschten Ausweisen. Und die Fälle, die so auffliegen, seien mit Sicherheit nur kleiner Teil, die Dunkelziffer viel höher. Die Mitarbeitenden in den Apotheken müssen schon genau hinschauen, sagt Dorothea Kalkofen, damit auffällt, "dass die Impfabstände nicht stimmen, dass die Chargennummern nicht stimmen. Das stand auch mal eine 20-jährige Kundin und hat auf dem Impfpass zwei Klebchen von Januar, Februar. Das geht gar nicht. Mit 20 war man noch gar nicht in der Gruppe."

Auch dem Impfzentrum im Krankenhaus an der Havelhöhe sind bereits über 70 Fälschungen gemeldet worden, auch hier von Apotheken. In Einzelfällen seien auch bereits polizeibekannte Personen aus Berlin dabei aufgefallen. Die falschen Pässe werden dabei immer professioneller, sagt der Medizin Controller des Impfzentrums, Wolfgang Passadakis. Sie selbst müssten manchmal zweimal hinsehen, um zu erkennen, ob der Impfpass wirklich von ihnen stamme oder nicht.

Impfbuch nicht mehr zeitgemäßg

Von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände heißt es auf Nachfragen, das gelbe Impfbuch sei gar nicht mehr zeitgemäß, schon allein, weil man die Vordrucke dafür frei erwerben könne. Das müsse dringend geändert werden. Und auch die Berliner Apothekerkammer würde lieber von vornherein Impfungen digital verzeichnen als mit kleinen Aufklebern in Papierheftchen. Kerstin Kemmritz, die Präsidentin der Kammer, beklagt, dass sonst die ganze Prüflast bei ihren Kolleginnen und Kollegen hängenbleibe. Und die seien dafür nicht geschult und inzwischen ziemlich verzweifelt, "weil man der zunehmenden Flut kaum noch Herr werden kann", so Kemmritz.

Die Apotheker:innen versuchen sich gegenseitig zu helfen, tauschen sich in Facebookgruppen aus und geben sich Tipps, worauf bei den Pässen zu achten ist. Ergeben die Impfdaten überhaupt Sinn, sehen die Stempel echt aus, gibt es Rechtschreibfehler und im Zweifel, kann der Arzt oder Ärztin die Impfung bestätigen?

Genaue Prüfung gar nicht vorgesehen

Aber all das koste Zeit und Geld und das sei vom Bundesgesundheitsministerium offenbar gar nicht vorgesehen, sagt Kerstin Kemmritz. Sie fordert, dass vermehrt in den Impfzentren selbst die digitalen Zertifikate gleich mit ausgestellt werden. Das sei aber nicht immer möglich, auch wegen der ohnehin hohen Arbeitsbelastung, erklärt hingegen Wolfgang Passadakis vom Impfzentrum Havelhöhe.

Ohnehin dürften die Apotheken als Nadelöhr für Falschpässe bald aus dem Rennen sein, denn Amus und Kollegen liefern den passenden QR-Code fürs digitale Zertifikat ja gleich mit. Wie er das macht, will der Fälscher natürlich nicht verraten. Dafür entdecke ich ein paar Klicks weiter einen richtigen Onlineshop, in dem ich Impfpässe nach Nation auswählen kann - vom italienischen Greenpass bis zum pakistanischen Nachweis. Für stolze 500 Dollar pro Stück gibt es alles. Impfgegner zu sein kann kosten.

Sendung: Inforadio, 01.12.2021, 07:20 Uhr

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