Bund-Länder-Pläne im Realitätscheck - Corona-Impfung beim Tierarzt - ernsthaft?

Mi 01.12.21 | 17:53 Uhr | Von Annette Miersch
Mit einem bereits behandelten Tumor am Bein wartet der Beagle-Mops-Mischling Star mit seinem Frauchen auf seine Nachuntersuchung. (Quelle: dpa/Frank Rumpenhorst)
Video: Abendschau | 01.12.2021 | Arndt Breitfeld | Bild: dpa/Frank Rumpenhorst

30 Millionen Impfungen bis Weihnachten: Dieses Ziel hat der designierte Bundeskanzler Scholz formuliert. Um das zu schaffen, sollen Apotheker oder sogar Tierärzte mitimpfen. Kann das funktionieren? Fragen und Antworten von Annette Miersch

30 Millionen Menschen sollen bis Weihnachten eine Erst-, Zweit- oder Auffrischungsimpfung erhalten. Dieses Ziel hat der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch ausgegeben.

30 Millionen Impfungen bis Weihnachten - ist das realistisch?

In 23 Tagen ist Weihnachten. Von diesen 23 müsste man eigentlich drei bis sechs Wochenend-Tage abziehen, da Arztpraxen und auch viele Impfstationen am Wochenende gar nicht oder nur Samstag geöffnet haben. Rein theoretisch bleiben 17 bis 20 Tage für die Impfkampagne. Damit müssten pro Tag rund 1,5 Millionen Dosen verabreicht werden.

Dass das machbar ist, wurde am 9. Juni bewiesen: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) war das bislang der diesjährige Rekordtag für Impfungen mit insgesamt 1,4 Millionen Dosen. Zum Vergleich: Derzeit sind es um die 500.000 bis 800.000, die am Tag verabreicht werden. Oder anders: Laut RKI wurden in der vergangenen Woche etwa 4,6 Millionen Impfungen durchgeführt.

Bleibt es bei der Zahl, würden bis Weihnachten nicht einmal die Hälfte der angepeilten 30 Millionen Impfungen durchgeführt.

Wie sollen die 30 Millionen Dosen bis Weihnachten verimpft werden?

Um die Impfkapazitäten zu erhöhen, sollen nun auch Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker mithelfen. Apotheker können im Rahmen von Modellversuchen bereits ein Impf-Zertifikat dafür erwerben. Laut Berliner Apothekerverein sollen rund 200 Apotheker in der Hauptstadt die entsprechende Qualifikation besitzen.

Bei Zahnärzten und Tierärzten wiederum mangelt es nicht an der Qualifikation, sondern an der rechtlichen Grundlage. Es ist ihnen gesetzlich nicht erlaubt, Menschen zu impfen. Das wäre "durch einen einfachen Ministererlass schnell und unbürokratisch vom Tisch", schreibt Dietmar Kuhn vom Verband der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Berlin auf rbb-Anfrage. Allerdings würden sich seit Beginn der Pandemie die Ärzte massiv dagegen wehren, dass Zahnärzte mitimpfen, - und das, obwohl sie doch über Überlastung klagen, so Kuhn.

Auch die Brandenburger Zahnärzte zeigten sich am Mittwoch zum Impfen bereit. Mit über 1.300 Zahnarztpraxen könne ein wichtiger Beitrag zur Impfkampagne geleistet werden, hieß es von der Landes-Zahnärztekammer Brandenburg (LZÄKB).

Die Kassenärzte in Brandenburg äußerten am Mittwoch Bedenken, Apotheker:innen mitimpfen zu lassen. Es müssten viele Fragen etwa rund um Qualifikation, Haftungsrisiken und Dokumentation geklärt werden, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Peter Noack, am Mittwoch im Gesundheitsausschuss. Er frage sich auch, ob die Apotheken bei der Impfkampagne überhaupt gebraucht würden. Bei der Bestellung von Impfdosen stünden sie dann in Konkurrenz zu den Kassenärzten.

Die Gesundheitsminister-Konferenz hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gebeten, zu prüfen, ob und wie andere Berufsgruppen in die Impfkampagne einbezogen werden können. Das BMG prüft derzeit, unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, heißt es in einer schriftlichen Auskunft an den rbb.

Info am Rande: Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, ist von Hause aus Tierarzt.

Welche logistischen Voraussetzungen braucht es?

Das soll der neue Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt festlegen. Fest steht, dass für die Umsetzung die Länder zuständig sind.

Berlin rüstet zurzeit schon bei den Impfzentren wieder auf. Mittlerweile gibt es - neben den beiden Impfzentren in Tegel und an der Messe - sechs Impfstationen in Einkaufcentern. Ein weiteres Impfzentrum ist im Aufbau und soll am Freitag an der Trabrennbahn Karlshorst öffnen. Spätestens Ende Dezember soll auch das ICC als zusätzliche Impfstelle zur Verfügung stehen.

Auch in Brandenburg wurden oder werden wieder mehr Impf-Möglichkeiten eingerichtet. Geimpft wird unter anderem seit Mittwoch am früheren Flughafen Schönefeld, in Cottbus und Potsdam sollen Impfzentren öffnen, in Eberswalde und Bernau gibt es jetzt Impfstellen, in Elbe-Elster sind weitere geplant. Hier finden Sie eine Übersicht über Impfstellen und -zentren in Berlin und Brandenburg.

Gibt es genügend Impfstoff, wenn doch jetzt schon rationiert wird? Wo sollen die 30 Millionen Impfdosen herkommen?

Da gibt es unterschiedliche Einschätzungen von Experten: Impfstoff gebe es ausreichend, allerdings hakt es bei der Verteilung, sagen die einen. Die anderen halten einen Impfstoffmangel für möglich. Ein neuer Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt unter der Leitung eines Bundeswehr-Generals soll jetzt die Koordinierung der Impfkampagne mit Lieferungen und Verteilung übernehmen.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zweifelt allerdings an der 30 Millionen Marke: Sie fordert vom Bundesgesundheitsminister mehr Transparenz bei Bestellungen und Lieferungen. "Ich begrüße das Ziel, aber es ist gefährdet", sagte sie am Mittwoch. "Insbesondere die niedergelassenen Ärzte, aber auch die Impfzentren müssen sich darauf verlassen können, dass der Impfstoff auch kommt, der bestellt wird." Kalayci hatte zuvor schon über ausbleibende Biontech-Lieferungen geklagt.

Auch aus Brandenburg heißt es, dass die Beschaffung von Impfstoff problematisch sei. "Seitdem der Bundesgesundheitsminister gesagt hat, Biontech steht nicht mehr so zur Verfügung, wir müssen jetzt Moderna nehmen, hat sich leider die Liefersituation bei beiden Impfstoffen deutlich verschlechtert und das ist momentan noch unser Hauptproblem", sagte der Ministerpräsident Dietmar Woidke am Mittwoch dem rbb.

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Beitrag von Annette Miersch

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