Analyse | Unions Niederlage gegen Leverkusen - Stets bemüht

Sa 30.11.24 | 20:00 Uhr | Von Fabian Friedmann
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Patrik Schick (Bayer Leverkusen) erzielt das Tor zum 1:2 gegen Danilho Doekhi (1. FC Union Berlin). (Bild: IMAGO / Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.11.2024 | Andre Siems | Bild: IMAGO / Matthias Koch

Torflaute beendet, Heimserie gerissen: Das 1:2 gegen Leverkusen war für Union Berlin die erste Saison-Niederlage zuhause. Der Trend zeigt nach unten für das Team von Bo Svensson, weil man offensiv erneut nicht zwingend genug agierte. Von Fabian Friedmann

Wenn man auf so eine Top-Mannschaft wie Bayer Leverkusen trifft, dann brauche man "die ganze spielerische Palette", sagte Union-Trainer Bo Svensson noch vor der Partie, um im Anschluss auszuführen, was genau er damit meinte: defensive Stabilität, gefährliche Standards, gute, laufintensive Arbeit gegen den Ball und am besten noch offensive Akzente setzen. Alles müsse zusammenpassen, wolle man gegen den Deutschen Meister bestehen. Das bloße Bemühen würde nicht reichen, spielerische Erfolge, sprich Tore, sollten her für den 1. FC Union.

Horror-Statistik und Hoffnungsschimmer

Dass dies in Anbetracht der zuletzt durchwachsenen Leistungen der Köpenicker eine Herkulesaufgabe werden könnte, müsste den meisten Besuchern im ausverkauften Stadion An der Alten Försterei durchaus klar gewesen sein. Ein Blick auf die Statistik gab zudem wenig Hoffnung: Fünf Spiele blieb Union zuletzt sieglos, vier davon ohne eigenen Treffer, gegen Leverkusen gab es in den letzten vier Aufeinandertreffen keinen Sieg bei einem Torverhältnis von 0:10.

Einziger Hoffnungsschimmer: Unions Heimstärke. Zu Hause waren die Köpenicker bislang unbesiegt gewesen in dieser Saison, wobei Leverkusen zu den Auswärtsspezialisten der Bundesliga zählt: 22 Spiele hatte Bayer in der Fremde saisonübergreifend nicht mehr verloren. Der Auftritt in Köpenick sollte Nummer 23 werden, obwohl Bo Svensson eine taktische Umstellungen vorgenommen hatte, um genau das zu verhindern.

Nackenschlag nach 111 Sekunden

Svenssons Mannschaft agierte diesmal mit Dreiersturm - eine Option, die sich aufgrund der Trainingseindrücke aufgedrängt hatte, so der Union-Trainer. Nach dem sehr nüchternen Auftritt in Wolfsburg (0:1) wollte Svensson einen neuen Offensiv-Impuls setzen. Seine Grundüberlegung für den Angriff: Schnelligkeit und Positionswechsel gegen die zuletzt nicht immer sattelfeste Viererkette der Gäste. Jeong und Hollerbach bespielten die Außenbahnen, im Zentrum startete etwas überraschend Tim Skarke, der in seiner Karriere bislang selten als Mittelstürmer in Erscheinung getreten war.

Nach 111 Sekunden war Svenssons Matchplan bereits über den Haufen geworfen. Ein langer Ball von Jonathan Tah aus der Hälfte von Bayer genügte um in den Rücken der zu hoch aufgerückten Unioner Hintermannschaft zu gelangen. Die Verteidiger Kevin Vogt und Danilo Doekhi zeigten sich uneinig, Alejandro Grimaldo startete durch, legte quer auf den mitgelaufenen Jeremie Frimpong und der vollendete ohne Probleme vorbei an Frederik Rönnow. Das 0:1 war nicht nur der 100. Gegentreffer in Unions Bundesliga-Historie, es war der denkbar ungünstigste Start angesichts der eisernen Offensivflaute.

Wirkungslose 25 Minuten

Union brauchte einige Minuten, um diesen Fehlstart zu verdauen. Frimpong narrte Rothe weiterhin auf dem Flügel und Rönnow klärte in höchster Not nach sechs Minuten. Bayer kontrollierte, Union verteidigte beherzt, aber das Offensivspiel lahmte wie so oft in den letzten Wochen durch Ungenauigkeit und zu behäbiges Umschalten. Aussichtsreiche Standardsituationen verpufften wirkungslos. Die von Svensson geforderte Offensivpalette stand offenbar noch irgendwo in der Kabine herum.

Warum sich Union offensiv so schwer tat, wurde deutlich, als Leverkusen sich Mitte der ersten Hälfte zurückzog. Die Räume im Zentrum waren zugestellt. Rani Khedira und Aljoscha Kemlein fanden im Aufbau kaum Anspielstationen, die Versuche auf die Seiten zu verlagern, das Spiel breit zu machen, dauerten entweder zu lange oder landeten im Seitenaus. So hatte Leverkusen keinerlei Probleme, die Angriffsbemühungen der Köpenicker zu unterbinden. Quer- und Rückpässe bestimmten Unions Spiel. Sobald es in die Tiefe ging, hieß das Ballverlust. Der Expected Goals-Wert nach 25 Minuten lag bei 0 - ohne einfache Kommastelle. Null, für null offensive Durchschlagskraft - trotz aller Bemühungen.

Jeong und das Ende der Flaute

Es dauerte bis zur 27. Minute, bis Union zu einer ersten Torchance kam: Jeongs Schuss aus der Distanz landete in den Armen von Lukas Hradecky. Einer ersten Annäherung folgte zwei Minuten später gleich der Ausgleich, der sich beileibe nicht angedeutet hatte. Aber das 1:1 zeigte auch, dass der Machplan Svenssons durchaus Erfolg versprechend sein könnte. Rothe eroberte im Verbund mit Khedira den Ball tief in Bayers Hälfte. Unions Kapitän steckte auf den durchstartenden Hollerbach durch, der seine Schnelligkeitsvorteile ausspielte und im Anschluss präzise nach innen flankte, wo Jeong im Stile eines echten Stürmers den Ball mit Hilfe des Innenpfostens ins Tor setzte.

Plötzlich war es eine ausgeglichene Partie. Union hatte die Bürde der Tor- und Trostlosigkeit nach über 322 Bundesliga-Minuten abgelegt, stand nach dem anfänglichen Nackenschlag defensiv stabiler, ließ kaum etwas zu und blieb durch so manchen tiefen Lauf und der Rochade seiner offensiven Dreierreihe gefährlich. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass "Mittelstürmer" Tim Skarke zwar bemüht zu Werke ging, aber kaum in Abschlusspositionen kam.

Die Mutlosigkeit nach der Pause

Doch anstatt Bayer nach der Pause mit dem Schwung des Ausgleichs und den Fans im Rücken weiter unter Druck zu setzen, zog sich Union zurück, stand tief, wobei enge Abstände der drei Ketten dafür sorgen sollten, dass der Gast nicht zur Entfaltung kam. Union wollte offenbar nicht den gleichen Fehler begehen wie in der Anfangsphase des ersten Abschnitts. Es war die etwas mutlose Umsetzung des Machplans, was abermals auf Kosten der Offensive ging.

Und so bemüht sich Union in Zweikämpfen und Umschaltmomenten zeigte, die Genialität zweier Bayer-Akteure sollte in der 71. Minute das Spiel entscheiden: Der eingewechselte Wirtz flankte aus dem Halbfeld auf seinen Stürmer Patrik Schick, der sich von Bewacher Danilo Doekhi abgesetzt hatte und die Maßflanke gedankenschnell per Brust zum 1:2 verwertete. Es war Schicks fünfter Treffer in den letzten drei Bundesliga-Spielen.

Die Resultate fehlen

Unions Trainer brachte daraufhin frisches Personal, warf in der 85. Minute sogar den Ex-Leverkusener Kevin Volland ins Sturmzentrum, aber die Offensivbemühungen blieben auch in der Folge ohne durchschlagenden Erfolg. Die Hausherren hatten nach dem Rückstand keine echte Torchance auf den Ausgleich. Doch Bo Svensson zeigte sich trotzdem zufrieden. "Meine Mannschaft hat teilweise eine sehr gute Leistung abgerufen", sagte er nach dem Schlusspfiff. "Wir haben wenig zugelassen gegen diese Top-Offensive."

Die Priorität liegt bei Svenssons Analyse, das ist deutlich rauszuhören, auf der Bewertung der Defensive. Sicher, eine knappe Heimniederlage gegen einen individuell stark besetzten Deutschen Meister kann passieren, ist sogar durchaus erwartbar. Aber die Harmlosigkeit im Angriff gerade in der zweiten Hälfte gibt durchaus Anlass zur Sorge. Die Talfahrt in der Tabelle hält weiter an, die Eisernen stehen mittlerweile auf Platz elf und haben nun das schwere Auswärtsspiel in Stuttgart vor der Brust.

Fehlenden Willen und Einsatz kann man der Mannschaft von Bo Svensson nicht vorwerfen. Sie war gegen Leverkusen aktiv, emsig zum Teil auch hingebungsvoll, aber ohne Resultate oder gar Erfolge ist alles Bemühen eben umsonst - auch in Köpenick.

Sendung: rbb24, 30.11.2024, 22 Uhr

Beitrag von Fabian Friedmann

2 Kommentare

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  1. 2.

    Wenn in einem Arbeitszeugnis „stets bemüht“ steht ist das ein Synonym für Unfähigkeit.

  2. 1.

    Mühe alleine reicht nicht.

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