Streamingplattform "Indiekino-Club" - Berliner Kiez-Kino-Flair im Netz

Mo 29.03.21 | 10:58 Uhr | Von Jakob Bauer
Das geschlossene Kino Cinema Paris auf dem Kurfürstendamm, Berlin (Bild: imago images/Stefan Boness)
Audio: Inforadio | 29.03.2021 | Jakob Bauer | Bild: imago imageS/Stefan Boness

Zusammen ist man immer stärker – das gilt auch für die kleinen, unabhängigen Berliner Kinos. Zehn davon haben jetzt gemeinsam mit dem Berliner Magazin "Indiekino" eine eigene Streamingplattform gestartet. Von Jakob Bauer

"Die Initialzündung war ein Projekt vom Filmhaus Nürnberg, von dem wir gehört haben", erzählt Hendrike Bake. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Dorow leitet sie das Filmmagazin "Indiekino", das sie zusammen mit 15 Berliner Arthouse-Kinos vor sieben Jahren gegründet hat. "Das Filmhaus Nürnberg hat eine digitale Plattform aufgebaut und die mit einem analogen Kinopass verbunden, mit dem man vergünstigen Eintritt bekommt, wenn die Kinos wieder aufmachen. Diese Verbindung von digitalem und echtem Kino hat uns gut gefallen," sagt Hendrike Bake. Als sie und Thomas Dorow die Idee dann den Berliner Indie-Kinos vorgestellt haben, waren die sehr angetan. "Alle hatten wirklich unheimlich viel Spaß daran, mal wieder an etwas zu arbeiten, etwas zu kuratieren. Neben dem Finanziellen fehlt einfach die wirkliche Arbeit mit den Filmen und die Begegnung mit dem Publikum."

20 Filme zur Auswahl

Und Beides ist im dem sogenannten Indiekino-Club jetzt wieder möglich – zumindest ein bisschen. Wer sich bei der Streamingplattform anmeldet, hat Zugriff auf rund 20 Filme. Wöchentlich fliegen ein paar raus, ein paar kommen neu dazu. Und bei der Auswahl wird darauf geachtet, das besonderen Flair der teilnehmenden Kinos beizubehalten, erzählt Thomas Dorow. "Wir haben ja sehr unterschiedliche Kinos dabei. Das City-Kino Wedding mag besonders Party-Filme. Die haben dafür gesorgt, dass "La Boom" aus den 80er Jahren wieder ins Kino gekommen ist. Das "Wolf" beispielsweise ist eher auf internationale Avantgarde-Filme aus, das Sputnik interessiert sich mehr für Genre."

Gemeinsam mit den Kinos wird also überlegt – was könnte für den nächsten Monat passen? Hendrike Bake erzählt von einer Videoschalte, in der die Idee aufkam, dass Party- und Musikfilme super wären, weil das gerade ja allen so fehle: „Und jetzt werden wir wahrscheinlich im April „Raving Iran“ im Programm haben, einen Film über iranische DJs.“

Françoise Cactus in einem russischen Kino

Neustarts sind im Indiekino-Club allerdings nur selten zu sehen, stattdessen ein liebevoll zusammengebautes Programm, auch mit Themenschwerpunkten. Begonnen hat der Club zum Beispiel mit einem Special zu Françoise Cactus. Die Berliner Sängerin der Band Stereo Total ist letzten Monat gestorben. Im Indiekino-Club sind zwei Filme zu sehen, in denen sie mitgewirkt hat, unter anderem: "Jesus Shows You The Way To The Highway". Ein seltsamer estnisch-afrikanischer Science-Fiction-Thriller-Genremix, „ein bisschen wie eine extrem billige Variante von The Matrix, aber besser als "The Matrix", sagt Thomas Dorow. Françoise Cactus und ihr Bandkollege Brezel Göring übernehmen hier die deutsche Synchronisation, allerdings ist die englische Synchronisation auch noch zu hören. "Es klingt also ein bisschen, als wenn Françoise Cactus in einem russischen Kino eine Live-Übersetzung dieses Films darbietet und das ist ganz entzückend."

Digitale Kneipengespräche

Aber wie ist das jetzt mit der Begegnung mit dem Publikum, dem so vermisste Austausch? Auch dazu gibt es schon viele Ideen, eine davon: Livestreams nach den Filmen aus den Kinos, bei denen die Zuschauer dann auch Fragen stellen können.
"Wobei ich mir das weniger so vorstelle wie die klassischen Kinogespräche", sagt Thomas Dorow, "sondern eher wie ein Kneipengespräch nach dem Film. Dazu haben wir ja alle keine Möglichkeit zurzeit."

Der Indie-Kino-Club läuft gut an – reich werde man davon nicht, aber vor Kurzem konnte sie allen Kinos schonmal 100 Euro auszahlen, erzählt Hendrike Bake. Und auch viele Festivals haben sich schon gemeldet. Das arabische "Alfilmfestival" nächsten Monat ist zum Beispiel exklusiv im Indiekino-Club zu sehen. Und wenn die Pandemie dann irgendwann mal den Würgegriff lockert, bekommt man als Clubmitglied immer noch vergünstigten Eintritt in den teilnehmenden Kinos. Die Streamingplattform soll dann trotzdem bleiben, sagt Hendrike Bake. "Wir können uns auch gut vorstellen, dass sich die Schwerpunkte ändern, dass wir versuchen das aktuelle Kinoprogramm zu begleiten." Oder auch: Die vielen Festivals, die schon letztes Jahr auf Hybridveranstaltungen gesetzt haben. Auch da hat es sich etabliert, das Programm im Kino mit Online-Streams zu ergänzen. Interesse angemeldet haben unter anderem schon das "Human Right Film Festival" oder das "Achtung Berlin"-Festival. "Wir sehen da auf jeden Fall eine Möglichkeit, wie man diese Plattform auch nach der Pandemie weiter gut nutzen kann."

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