#wiegehtesuns | Die Tanzlehrerin - "Die Leute werden tanzen"

So 27.02.22 | 08:06 Uhr
Symbolbild: Mehrere Paare tanzen in der Tanzschule. (Quelle: dpa/M. Müller)
Video: Abendschau | 26.02.2022 | Anja Herr | Bild: dpa/M. Müller

Lange war unklar, ob die Tanzschule "Maxixe" in Berlin-Kreuzberg die Pandemie überlebt. Mehr als sieben Monate war sie komplett dicht. Das machte Inhaberin Ele Busch schwer zu schaffen – psychisch und finanziell. Jetzt gibt es Licht am Horizont. Ein Gesprächsprotokoll

Das Corona-Virus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Ele Busch lebt vom Tanzen. Seit 1983 unterrichtet sie, 1994 gründete sie ihre eigene Tanzschule in Berlin Kreuzberg. Als sie wegen der Pandemie im März 2020 plötzlich keine Kurse geben durfte, war das ein Schock: Ihre Existenz war bedroht. Aber treue Kundinnen und Kunden haben sie bislang gerettet.

Die Tanzschule Maxixe war immer ein Ort, der unglaublich lebendig war. Mit vielen Leuten, die sich zum Teil schon seit ein paar Jahrzehnten hier treffen, die Lust haben zu tanzen und neue Sachen auszuprobieren. Die ganzen Tanzabende, Tanzcafés, Silvester - das war einfach Leben pur.

Und dann war radikal Schluss. Von heute auf morgen. Das war furchtbar. Wir wussten ja auf verschiedenen Ebenen nicht, was passiert. Was ist mit der Pandemie? Was ist mit dem Virus? Wann dürfen wir wieder tanzen? Das waren ja alles große Fragezeichen.

Ich war zwischendurch sehr frustriert und hatte einfach auch Angst. Was passiert mit dem Unternehmen?! Es ist schon ein sehr merkwürdiges Gefühl. Du baust ein Unternehmen auf, bist gern dort, und dann sagt einer: Nö. Is nich. Na ja, im Grunde sagt die Pandemie, das Virus: Is nich.

Das ist so eine fremde Macht, die dich plötzlich so massiv bestimmt. Das ist unsäglich. Die Gefühle gingen rauf und runter, und manchmal sagten sie: Ich mache hier zu. Und dann immer wieder: Das geht gar nicht. Ich liebe das Unternehmen. Die Leute kommen gern. Die Tanzlehrer sind gern hier, das wird alles weitergehen. Aber erstmal war alles dicht.

Ich bin viel mit meiner kleinen Pudelhündin spazieren gegangen. Die hat sich sehr darüber gefreut. Ich habe versucht, die Akten zu sortieren. Aber es war kein gutes Gefühl, im Maxixe zu sein, wenn hier kein Leben war. Wir haben renoviert, wir haben neue Gardinen genäht. Wir haben neu tapeziert, gestrichen, geguckt, ob wir ausmisten können in unserem Vorratslager mit Dekoration.

Zum Tanz in den Mai haben alle Lehrer einzelne Videos gedreht. Ich war in unserem Arbeitszimmer zu Hause, ein Tanzlehrer an einem See, der nächste war vor einem Museum. Und das haben wir verschickt an unsere Kundinnen und Kunden, auch um Kontakt zu halten.

Wir hatten ja wirklich den totalen Lockdown. Im Sommer dann, als wir durften, haben wir auch Einzelunterricht gemacht. Dann mit vier Paaren im Raum, mit drei Metern Abstand. Aber das ist einfach nicht wirtschaftlich.

Ich habe meinen Vermieter angesprochen und der hat mir tatsächlich zweieinhalb Monatsmieten geschenkt. Das fand ich außergewöhnlich. Es hat auch am Anfang sehr geholfen - auch emotional - zu wissen: Da unterstützt einen jemand, der es eigentlich nicht müsste. Dann haben wir Hilfen bekommen, die kamen aber zum Teil sehr spät.

Im November mussten wir dann wieder schließen, für siebeneinhalb Monate. Anfang letzten Jahres standen wir echt mit dem Rücken zur Wand. Und da wurde ich von vielen Kursteilnehmern aufgefordert: „Ele, jetzt macht endlich einen Spendenaufruf. Es kann nicht sein, dass du das noch allein schaffst. Wir haben doch jetzt alle das Geld nicht ausgeben können, weil wir nicht tanzen können.“

Das habe ich dann tatsächlich schweren Herzens gemacht. Und die Reaktion war umwerfend: So viele Rückmeldungen, durch Spenden und auch durch Mails und Anrufe. Das war einfach großartig. Es kamen so viele Komplimente, da war so viel Begeisterung. Und da war einfach klar: Wir machen hier weiter, komme was wolle. Das Maxixe muss weiterleben.

Wir werden auch jetzt noch mal Überbrückungsgelder beantragen, weil wir derzeit immer noch ein Drittel weniger Kunden haben. Es gibt natürlich auch Leute, die sich im Moment noch nicht trauen zu kommen, weil ihnen das dann vielleicht doch noch zu dicht ist. Und es gibt natürlich auch noch Ungeimpfte.

Insgesamt bin ich aber optimistisch. Denn die Leute werden nicht ohne Tanzen auskommen. Die Leute werden tanzen. Das hat sich einfach in den letzten Jahrzehnten wieder so etabliert, dass es normal geworden ist. Und alle merken, dass es ihnen einfach guttut und ein wichtiger Teil in ihrem Leben ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir es ohne Spenden geschafft hätten. Die waren schon sehr, sehr wichtig. Auch für unser aller Gefühle und für unser aller Mut weiterzumachen. Ja, man muss ja auch ein bisschen mutig in die Zukunft gucken, um zu sagen: Wir schaffen das auch! Klar!

Gesprächsprotokoll: Anja Herr

Sendung: Abendschau, 26.02.2022, 19:30 Uhr

 

Was Sie jetzt wissen müssen

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Eine Faltohrkatze Scottish Fold im März 2024 im Tierheim Falkenberg. (Quelle: rbb/Margarethe Neubauer)
rbb/Margarethe Neubauer

Qualzuchten und Fehlhaltung - Das harte Los der Corona-Tiere

Entzündete Schlappohren, verformte Pfoten - im Tierheim Berlin landen zunehmend Tiere mit schweren gesundheitlichen Leiden. Auch die Psyche vieler Neuankömmlinge ist angeknackst. Nun zeigen sich die Folgen der Corona-Haustierkäufe auf dramatische Weise. Von Margarethe Neubauer