Corona-Pandemie - Berliner Charité warnt vor Überlastung der Intensivstationen

Mo 01.11.21 | 15:28 Uhr
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Charité-Gebäude mit Schriftzug (Quelle: imago/Peters)
Video: Abendschau | 01.11.2021 | D. Bednarek | Prof. Martin Kreis im Studio | Bild: imago/Peters

Die Corona-Zahlen steigen - damit spitzt sich auch die Situation auf den Intensivstationen wieder zu. Die Charité schlägt Alarm. Die Wiedereinführung der Freihaltequote wird nun zum Thema.

Angesichts stark steigender Corona-Zahlen warnt die Berliner Charité vor einer Überlastung der Intensivstationen. Die Zahl der Patienten sei in den vergangenen Tagen merklich gestiegen, sagte Martin Kreis, Vorstand für die Krankenversorgung der Uniklinik.

Demnach sind aktuell etwa 90 Prozent der Covid-19-Patienten in der Charité nicht geimpft. Wenn sich dieser Trend fortsetze, drohe in den nächsten Wochen auch eine massive Einschränkung in der Versorgung anderer Patienten.

Verschärft werde das Problem auch, weil bundesweit weniger Intensivbetten zur Verfügung stünden als noch vor einem Jahr, so Kreis weiter. Hintergrund sei vor allem ein Rückgang beim Intensivpflegepersonal.

Die vorhandenen Intensivbetten seien derzeit vor allem mit Menschen belegt, die nicht am Coronavirus erkrankt seien. Dadurch stünden kaum freie Betten für die Covid-19-Versorgung zur Verfügung.

Intensivmediziner: Gesundheitssystem ausgelaugt

Die Patienten träfen auf ein völlig ausgelaugtes Gesundheitssystem, warnte der im Berliner Sankt-Gertrauden-Krankenhaus tätige Intensivmediziner Jörg Weimann am Montag im Inforadio.

Das Pflegepersonal habe in den vergangenen Monaten massiv unter den Arbeitsbedingungen und der Arbeitsbelastung gelitten. Viele hätten sich aus den Pflegeberufen verabschiedet. Ihre Stellen seien nur schwer nachzubesetzen. Anders als noch zu Beginn der Pandemie könne man deshalb die Bettenzahl nicht so einfach erhöhen, so der Chefarzt.

Weimann, der auch Chef des Landesverbands Berlin im Berufsverband Deutscher Anästhesisten ist, erklärte auch, dass die vierte Welle bereits begonnen habe. So viele Patienten wie bei der zweiten und dritten Welle erwartet er allerdings nicht.

Mehr Patienten auf Intensivstationen

Aktuell sind in Berlin 120 (Stand: 29.10.2021) Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung. Das geht aus dem Corona-Lagebericht der Gesundheitsverwaltung [berlin.de] hervor. Die Zahl lag wochenlang zwischen 85 und 95.

In der Vorwoche war dann eine spürbare Steigerung der Belegungszahlen der Intensivstationen zu verzeichnen - binnen sieben Tagen ist die Zahl der Corona-Intensivpatienten um fast 30 Prozent gestiegen. Am 22.10. waren nach Angaben der Gesundheitsverwaltung 93 Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung.

Freihaltequoten für Intensivbetten

Der Vorstandsvorsitzende der Charité, Heyo Kroemer, forderte deshalb eine Wiedereinführung der Freihaltequoten für Intensivbetten. Dies ermögliche es den Krankenhäusern, ausgewählte Behandlungen zu reduzieren und Verlegungen zwischen den Häusern planbar zu organisieren.

"Ohne die Wiedereinführung dieser Quoten wird die Versorgung der Covid-19-Erkrankten in den kommenden Wochen und Monaten nicht zu gewährleisten sein", so Kroemer.

Kalayci unterstützt Forderung

Unterstützung dafür gibt es von Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). "Diese Forderung der Krankenhäuser finde ich berechtigt", sagte sie am Montag dem Sender ntv. Sie forderte den Bund auf, erneut das Vorhalten von Intensivbetten zu finanzieren.

Beim Thema Auffrischungsimpfungen sieht Kalayci Berlin auf dem richtigen Weg. "Wir sind bei den Auffrischimpfungen in Berlin sehr weit, weil wir jeden, der Anspruch hat, anschreiben", sagte die SPD-Politikerin im Interview. Beim Impfen sei das von Anfang an Praxis gewesen. "Das haben wir konsequent durchgezogen. Und deswegen haben wir in Berlin zum Beispiel bei den Auffrischimpfungen über 70 Prozent mehr als Bundesdurchschnitt."

Nonnemacher: Öffentliches Bewusstsein für Ernst der Lage

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hält derweil ein Bund-Länder-Treffen zum Thema Auffrischungsimpfungen nicht für notwendig. Zu diesem Thema sei bereits alles gesagt, erklärte die Grünen-Politikerin am Montagmorgen im rbb-Inforadio und verwies dabei auf mehrere Beschlüsse der Gesundheitsminister in der Vergangenheit.

Wichtiger sei vielmehr ein stärkeres, öffentliches Bewusstsein für den Ernst der Lage. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Pandemie sei vorbei. Man laufe aktuell in eine vierte Welle, so Nonnemacher. Das bedeute ein gesundheitliches Risiko vor allem für die besonders gefährdeten Gruppen.

Auch Müller gegen Bund-Länder-Treffen

Auch der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat Zweifel geäußert, dass ein Bund-Länder-Treffen zum Thema Corona-Auffrischungsimpfungen sinnvoll ist. Im ZDF sagte Müller, ihm sei nicht klar, was man dort besprechen wolle. Man sei längst dabei, die Booster-Impfungen durchzusetzen und habe die Ältesten schon eingeladen.

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt ein Bund-Länder-Treffen zu Auffrischungsimpfungen vorgeschlagen. Aktuelle Daten aus Israel zeigten, dass das entscheidend sei, um die vierte Corona-Welle zu brechen, erklärte Spahn.

Die Corona-Zahlen steigen unterdessen weiter. Das Robert Koch-Institut gab die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag für ganz Deutschland mit 154,8 an. In Berlin liegt der Wert aktuell bei 140,2. In Brandenburg steckten sich rechnerisch 128,3 von 100.000 Menschen in den letzten sieben Tagen nachweislich mit dem Coronavirus an.

Sendung: Abendschau, 01.11.2021, 19:30 Uhr

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68 Kommentare

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  1. 68.

    Ich weiß wirklich nicht, was sie und Andere erzählen wollen von speziellen, gut erprobten Medikamenten zur Behandlung von schwer erkrankten Covid-Patienten. Diese Medikamente gibt es nicht! Erst recht nicht für die breite Anwendung in deutschen Kliniken. Man sollte als Fachfremder sehr vorsichtig sein mit persönlichen Ansichten oder Schlussfolgerungen zu diesem komplexen Thema und sie vorher nochmal selbst hinterfragen, bevor man sie überhaupt äußert. Das, was uns allen hilft, ist und bleibt die Impfung. Für bereits Erkrankte gibt es z.B. die Gabe von Sauerstoff oder die Bauchlagerung als ein elementarer Bestandteil der Covid-Therapie, was auch Teil meiner täglichen Arbeit auf einer ITS ist. Aber Impfungen mit irgendwelchen Medikamenten ins Verhältnis setzen zu wollen, ist absolut irreführend und nichts anderes als Schwurbelei.

  2. 67.

    "Einzig und allein Impfen hilft hier weiter, nachgewiesenermaßen!"
    Ja, natürlich hilft impfen immer weiter als eine medikamentöse Behandlung von bereits Erkrankten.
    Schließlich ist es viel lohnender, 60/70% der gesunden Weltbevölkerung zu impfen, als einige - im Verhältnis dazu wenige - schwer an Corona Erkrankte mit speziellen, gut erprobten Medikamenten zu behandeln - allerdings gilt das nur für die Pharmariesen und deren Lobby etc .
    Nur mal so zum Nachdenken.....

  3. 66.

    https://www.fr.de/politik/karl-lauterbach-spd-gesundheitsminister-chancen-ampel-koalition-gruene-fdp-91081840.html Noch ist Herr Lauterbach kein Gesundheitsminister....

  4. 64.

    Hallo Haluka,

    Sie lesen da etwas zuviel zwischen den Zeilen. Mein "nur" bezog sich rein auf die Zahlen und ist kein Zuspruch für Impfgegner. Da ist nunmal eine erhebliche Diskrepanz: Statt 26% Geimpfter (berlinweit) nur 10% in der Charité - das ist immerhin fast das Dreifache.
    Und das "kann" so sein, wenn man Ihren Spiegelstrich d) berücksichtigt.
    Nur ist das weder bestätigt, noch kommt das im Beitrag so zum Ausdruck. So dass Leser, die sich weniger ausgiebig mit der Materie beschäftigen, durchaus denken könnten, dass die 90% Ungeimpften repräsentativ seien. Und das verzerrt das Bild dann doch.

    Grüße ebenfalls

  5. 63.

    Okay.... Und warum wird dann Jens Spahn noch als Gesundheitsminister bei Google angezeigt? Noch haben wir keine neue Regierung...

  6. 61.

    Ich bin es ehrlich gesagt leid...und glaube keinen Zahlen mehr das Rki hat oft genug bewiesen, das es nicht mit Zahlen kann.

    Selbst wenn nur 60% geimpft sind sind es 60% mehr als im letzten Jahr und das wiederum heisst das die Minderheit von 40% Ungeimpften das KH blockiert?
    Die Ungeimpften kommen also alle ins KH und alle zur gleichen Zeit. Echt ein Schmarrn.
    Ich kenne eine Krankenschwester, in unserem KH ist genau 1 Coronafall.

    Ich als Geimpfte werde niemanden in meinem Geschäft Ausgrenzung!

    Mal sehen, ob das überhaupt veröffentlicht wird, es wird ja mehr als oft aussortiert

  7. 60.

    Dann sind 90% trotzdem eine höchst unseriöse Zahl, die da in den Raum gestellt wird. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es Menschen gibt, die allem misstrauen, was in den Medien zu lesen ist.

  8. 59.

    Also ich habe gleich nach meinem Staatsexamen angefangen auf der ITS zu arbeiten und tue das mittlerweile seit über 13 Jahren.

  9. 58.

    Man darf selbstverständlich auch ohne die entsprechende Fachweiterbildung auf einer Intensivstation arbeiten, diese spezielle Fachweiterbildung haben, wenn eine Station gut ist, vielleicht 50%, meistens aber weniger.

  10. 57.

    (nur eine Impfung erforderlich)
    Wer mit dem Coronaimpfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurde, sollte laut der Ständigen Impfkommission (STIKO) eine zusätzliche mRNA-Impfstoffdosis für einen besseren Schutz erhalten.

  11. 56.

    Für die Behandlung von bestimmten Krankheiten werden Leitlinien erarbeitet. So existiert auch für die Behandlung von Covid19-Patienten eine Leitlinie (Link dazu weiter unten in meinem vorherigen Kommentar). Deshalb sind solche Ideen von einem individuellen Medikamenten-Mix oder schon die alleinige Anwendung von Remdesivir laienhafte Vorstellungen über die tatsächliche Behandlung von Covid19-Patienten, mit denen man sich eher zurück halten sollte wie mit vielen anderen hier geäußerten Ideen, weshalb solch eine Diskussion nach einem einzigen Artikel nicht viel mehr hervorbringt als ein einziges Wirrwarr an vielen fraglich "plausiblen Schlussfolgerungen", die leider oft an der Realität vorbeigehen.
    Einzig und allein Impfen hilft hier weiter, nachgewiesenermaßen!

  12. 55.

    "nein ist er nicht, er ist nur GESCHÄFTSFÜHREND tätig!"
    Oh, ja stimmt, sie haben recht. Hatte ich vor ein paar Tagen im Radio gehört.



  13. 51.

    wie bitte? sie meinen J&J was wie Blei in den Regalen liegt und mittlerweile wie sauer Bier angeboten wird?

    J&J ist der größte Rohrkrepirer. ist Ihnen entgangen dass aJ&J geimfpte überdurschnittlich häufig von Impfdurchbrüchen betroffen sind und mittlerweile ALLE JJ geimpften dringend angeraten sind sich zu boostern?

    einige Länder gehen beriets dazu über JJ geimpfte ungeimpften gleichzustellen. dem Hasen habe ich von Beginn an nicht vertraut, wenn schon bei Biontech innerhalb von 11 Monaten dreimal (!!) geimpft werden muss, wie sollte es bei JJ jemals mit einer Spritze ausreichen?

    die Nachfrage von JJ im Juni/Juli fußt nur darauf, weil Urlaubsreisende kurzfristig eine Impfung brauchten und nicht mehrere Wochen auf die zweite Spritze warten wollen.

    der Impfschutz von JJ ist kaum besser als der von Astra.

    bei einigen Äusserungen hier fragt man sich ob manche Leute keine Medien konsumieren oder ob die letzten Wochen im Ausland verbracht wurden.

  14. 50.

    @Kommentar 35
    Eine Ausbildung zum IntensivpflegerInn/er dauert, aber auf alle Fälle länger als eine normale Ausbildung. Und die stehen nicht Schlange."
    3 Jahre normale Ausbildung zum "Gesundheits-und Krankenpflegepersonal"
    dann 2 Jahre Berufserfahrung sammeln
    dann 2 Jahre Intensivweiterbildung
    macht 7 Jahre...

    Eine IntensivpflegerInn/er ist eben mal nicht in einem Jahr gebacken.

  15. 49.

    Der Median ist aber nur der Wert in der Mittenposition in einer sortierten Liste. Was interessanter wäre, ist der Mittelwert der Liste (z.Bsp. als arithmetisches Mittel + dazugehöriger Standardabweichung) - das sagt statistisch mehr aus als der Median.

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