Drei Wochen vor dem Start - Berlin im Verzug bei Impfpflicht im Gesundheitswesen

Mi 23.02.22 | 06:10 Uhr | Von Angela Ulrich
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Pflegekräfte und eine Ärztin kümmern sich auf einer Intensivstation für Corona-Patienten. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Es herrscht Verunsicherung: Wie will Berlin die Impfpflicht im Gesundheitswesen umsetzen? Vieles ist drei Wochen vor dem Start des "Berliner Modells" völlig ungeklärt. Gesundheitspolitiker und Amtsärzte schlagen Alarm. Von Angela Ulrich

Lars Düsterhöft von der SPD in Berlin hat selbst sechs Jahre lang als Pfleger gearbeitet. Aber gerade bleibt dem Gesundheitspolitiker im Abgeordnetenhaus die Spucke weg. "Mich macht das sprachlos, wirklich sprachlos, dass wir jetzt erst so weit sind", empört sich Düsterhöft.

Jetzt erst: Das heißt, genau drei Wochen, bevor auch in Berlin - wie in Brandenburg und bundesweit - die Impfpflicht im Gesundheitswesen greift. Wie genau das dann laufen wird in der Stadt, wer was organisiert und kontrolliert, ist aber weiterhin völlig offen.

"Man hätte schon vor zwei Monaten anfangen können"

Florian Kluckert von der FDP bekommt Anrufe von Pflegeeinrichtungen: "Die ganzen Einrichtungen fühlen sich offenbar auch nicht informiert, sonst würden sich nicht so viele bei mir melden und beschweren." Die Einrichtungen fühlten sich allein gelassen vom Senat, meint der Gesundheitspolitiker.

Auch SPD-Mann Düsterhöft schüttelt den Kopf. "Wir sind zu spät dran in Berlin", sagt er: "Man hätte schon vor zwei Monaten anfangen können zu schauen, wie wollen wir diese Impfpflicht umsetzen, und man muss nicht jetzt anfangen, Gespräche mit dem Lageso zu führen."

Genau das ist aber der Fall. Die Berliner Gesundheitsverwaltung ist in "intensiver Abstimmung", wie ihr Staatssekretär Thomas Götz erklärt, mit dem Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Und auch mit den Gesundheitsämtern der Bezirke. Sollen diese ab Mitte März die Daten der Impfverweigerer in Krankenhäusern und Pflegeheimen aufnehmen, nachprüfen, Beratungsgespräche führen, im Notfall Bußgelder ausstellen? Oder wird das - zumindest ein Melderegister - zentral über das Landesamt geregelt? "Da müssen wir noch liefern", ist Staatssekretär Götz klar - und macht keinen Hehl daraus, dass er beim Datenmelden eine einheitliche Erfassung bevorzugt.

"Keine Hygiene-Polizei"

Die zwölf Berliner Amtsärzte jedenfalls, sagt einer von ihnen, Nicolai Savaskan aus Neukölln, sehen die Gesundheitsämter bei so etwas überfordert. Und zwar nicht nur, weil Personal fehlt, meint Savaskan. Das passe auch nicht zu den Ämtern: "Das wäre die Rolle einer Hygiene-Polizei, die hier auf individueller Ebene einzelne Beschäftige im medizinischen und pflegerischen Bereich ahndet", sagt Savaskan. Und das sei eine Rolle, die sich nicht mit dem Selbstverständnis der Gesundheitsämter im 21. Jahrhundert deckt.

Dabei seien sich die Gesundheitsämter nicht zu schade, um Verantwortung zu übernehmen: "Der Punkt ist nur: für was?", fragt der Neuköllner Amtsarzt. Denn es könnte ungemütlich werden. Zwar sind nach internen Umfragen rund 90 Prozent der Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geimpft. Einige mehr dann vielleicht noch mit dem neuen Novavax-Impfstoff, ist die Hoffnung. Aber es bleiben immer noch zu viele Pflegekräfte, die im Ernstfall fehlen würden, warnt Gesundheitspolitiker Düsterhöft: "Wir können auf gar keine Pflegekraft verzichten, und erst recht nicht auf zehn Prozent."

"Versorgungssicherheit geht vor Impfpflicht"

Denn für Düsterhöft ist klar: Versorgungssicherheit geht vor Impfpflicht. Einig sind sich die Gesundheitspolitiker von SPD, FDP und auch der Linken: Das Pflege-Impfpflicht-Gesetz gilt und muss umgesetzt werden, allen Unklarheiten zum Trotz. Tobias Schulze von der Linken sagt, das gehe nur gemeinsam. Lageso und Gesundheitsämter müssten zusammenarbeiten. Denn die Meldestelle sei das eine, auch die Beratungsangebote, die auch zentral koordiniert werden sollten. Aber, so Schulze: "Die Ultima Ratio, ein Beschäftigungs- oder Betretungsverbot, das muss dann von den Gesundheitsämtern ausgesprochen werden, dafür hat das Lageso keine Befugnis."

Aber dass tatsächlich ab Mitte März ungeimpfte Pflegende nicht mehr an ihre Arbeitsstelle kommen, das glaubt keiner der Berliner Politiker. Auch für Gesundheitsstaatssekretär Götz "fällt dann kein Hammer". Sondern man taste sich Schritt für Schritt voran. Nächsten Montag im Gesundheitsausschuss hofft Götz, Ergebnisse präsentieren zu können. Es werden Expertinnen und Experten angehört - Carla Eysel zum Beispiel, im Vorstand der Berliner Charité für Personal zuständig. Und die Gesundheitspolitikerinnen und Politiker der Fraktionen werden Gesundheitssenatorin Ulrike Gote noch jede Menge Fragen stellen.

Sendung: Inforadio, 23.02.2022, 06 Uhr

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Beitrag von Angela Ulrich

28 Kommentare

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  1. 28.

    Tut mir Leid
    Harz4 war gestern nun wird mit der Impfung gedroht. Immer dabei die Sozialdemokratie.

  2. 27.

    Diesem Fall ist es gut so. Ich möchte nicht durch ein BVG klären lassen müssen ob mein persönliches Risiko geringer zu Bewerten ist. Ja es gibt Risikogruppen dehnen eine Impfung nicht anzuraten ist. Nein kein Mediziner kann alles Wissen zumal es darüber nur wenige Studien gibt und ihm Sanktionen drohen. Und für eine Opferrente ist der BittstellerWeg lang, dasOpfer in der Beweispflicht. Diese dann auch nur kurz über dem Soz.Hilfe-satz. Das ist der Skandal. Würde jemand hier helfen.

  3. 26.

    Urberliner hat sich scheinbar verschrieben. Gemeint war sicher "nur weil einige Rechtsradikale (den) Ärzten Briefe geschrieben haben." . Und nicht dass es Ärzte mit rechtsradikaler Gesinnung geben, die Briefe schreiben :-)

  4. 25.

    Ich glaube Urberliner hat sich vertippt. Da sollte sicher stehen weil "einige Rechtsradikale (den) Ärzten Briefe geschrieben haben" Und nicht dass es rechtsradikale Ärzte gibt die Briefe geschrieben haben.

  5. 24.

    Das Geschrei nach einer Impfpflicht war genau das, was u. A. der AfD zu Recht vorgeworfen wird, nämlich reinster Populismus. Es war ja bereits schnell klar, dass auch Geimpfte, entgegen aller Hoffnungen, das Virus weitergeben können. Ob dies in mehr oder weniger großem Umfang erfolgt ist eher akademisch. Damit hatte sich das Hauptargument für eine Impfpflicht schon mal in Luft aufgelöst. Blieb also noch eine mögliche Überlastung des Gesundheitswesens und deren gesellschaftliche Folgen. Die ist zum Glück weitgehend ausgeblieben und wohl auch nicht zu befürchten. Und so wäre da als letztes also noch die Pflicht des Arbeitgebers, seine Angestellten vor einer schwerwiegenden Corona-Erkrankung zu schützen. Dies trifft aber nur auf die relativ wenigen zu, die durch die Arbeit in Notaufnahmen, Rettungsdienst und Isolierstationen einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Und so kann man in der Politik offenbar nicht so leicht von etwas ablassen, was man zuvor so vollmundig angekündigt hat.

  6. 23.

    Was reiße ich (wieder??) aus dem Zusammenhang?
    "Es sollten sich die impfen lassen für die der Impfstoff entwickelt worden ist. "
    Korrekt. Und zwar freiwillig. Und nicht, wie Viola meinte: " Richtig wäre, wenn sich die vulnerable Bevölkerungsgruppe impfen lassen MÜSSTE".

  7. 22.

    Oh doch! Bitte reißen Sie nicht wieder als aus dem Zusammenhang. Es sollten sich die impfen lassen für die der Impfstoff entwickelt worden ist. Es galt von Anfang an, diese Gruppen zu schützen und nicht die ganze Welt schalu zu machen!

  8. 21.

    Läuft beim Senat: BER schnell gebaut
    A100 fertig gebaut
    U-Bahn 55 wurde zügig gebaut
    20 000 pro Jahr gebaut
    Wahlen 2021 liefen grandios
    Alle Schulen und Kitas mit Luftfilter ausgestattet.
    Upps hab ich vielleicht da was verwechselt?


  9. 20.

    Ich wusste garnicht, dass es in Berlin hunderte RECHTSRADIKALE CORONALEUGNENDE Ärzte gibt. Haben Sie da nähere Informationen, die dem RBB nicht vorliegen? Werden diese Ärzte vom Verfassungsschutz beobachtet? Tauchen diese im jährlichen Bericht auf? "Arische Ärztefront" oder "Der Kreis der 18 Chirungen"?

    EIne Impfpflicht ist und bleibt unsinnig. Punkt.

  10. 18.

    Der Aufwand für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ist immens!
    Die Verwaltungen sind zusätzlich beansprucht, obwohl die Personaldecke schon dünn genug ist. Es werden Gerichte beschäftigt werden. Einrichtungen und deren Mitarbeiter werden "irgendwie" mit Personalausfällen zurechtkommen müssen. Es wird Stress und böses Blut zwischen Mitarbeitern geben. Ès wird Ärzte am Rande der Legalität geben, die gefakte Krankschreibungen ausgeben. Usw.
    Wofür? Wie groß ist der Gewinn? Wem ist geholfen?

  11. 17.

    "Richtig wäre, wenn sich die vulnerable Bevölkerungsgruppe impfen lassen müsste, weil sie das vor schweren Verläufen schützt."
    Auch das nicht. Dann müsste man auch eine Grippe-Impfpflicht einführen. Und allerlei Pflichten zu Vorsorgeuntersuchungen. Etc.

  12. 16.

    Was die Arbeitgeber auch ohne Srnatsplanung machen können und sollten ist ihre Mitarbeiter*innen aufzufordern sich impfen zu lassen bzw. den Impfstatus nachzuweisen Das ist ja seit einigen Monaten möglich Dann sind die Vorarbeiten schon mal erledigt. Und natürlich zu überlegen wie mit un(vollständig)geimpften vom Arbeitgeber aus umgegangen wird. ( Freistellung o.a. )

  13. 15.

    Genau, inzwischen ist ja nun hoffentlich bei jedem angekommen, dass der jetzige Impfstoff nicht vor einer Übertragung schützt, somit können Pflegebedürftigen und Kranken auch von geimpften Personal angesteckt werden. Ich kenne etliche Leute, die mit Booster positiv sind und auch andere angesteckt haben. Ich verstehe den Impfzwang nicht, das macht nur Sinn, wenn eine sterile Immunität vorliegt, damit kann man das Ziel erreichen. Richtig wäre, wenn sich die vulnerable Bevölkerungsgruppe impfen lassen müsste, weil sie das vor schweren Verläufen schützt.

  14. 14.

    Ach ja? Welche denn? Ich kenne nur eins und das heißt "Krieg", und dagegen gibt es keinen Impfstoff.

  15. 13.

    Da kenne ich mehrere Arztpraxen, die ihre Mitarbeiter verpflichtet haben, sich gegen Grippe impfen zu lassen!
    Niemand kann vorsehen, wie sich Corona weiterentwickelt, geimpfte Personen haben wenigstens die Grundimmunisierung.

  16. 12.

    Die Pflicht muss rigoros umgesetzt werden. Absolut unverantwortlich und unsolidarisch jetzt den Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikern klein bei zu geben, nur weil einige rechtsradikale Ärzte Briefe schreiben.

  17. 11.

    Wo sind hier die Stimmen der Hardliner? Oder richten diese Leute ihre Meinung nach dem Wind aus ? Sogenannte Wendehälse. Vor 2 Wochen sollten noch allen gekündigt werden oder werden diese Meinungen jetzt ausgefiltert?

  18. 10.

    Die berufsbezogene Impfpflicht ist völlig überzogen. Beschlossen in Hektik und Angst. Nun gibt es überwiegend milde Krankheitsverläufe. Keine Überlastung des Gesundheitssytems. Impfung verhindert nicht die Verbreitung des Virus und schützt nicht vor Ansteckung. Freiwillige Impfung wie bei der Grippe wäre sinnvoll und angebracht. Dann können sich die Impfen lassen, die das gerne wollen.

  19. 9.

    Vor zwei Monaten waren alle noch in den Verhandlungen, wer Senator für Gesundheit wird. Das heißt: jetzt schimpfen SPD und LINKE, die SPD hatte vor 2 Monaten noch die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung und -verwaltung im Land Berlin. Was man allen Parteien vorwerfen kann: nach der Wahl hätte eine übergreifende Kommission zu Bewältigung der Pandemie und zur Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen eingesetzt werden müssen.
    Die triumphierenden Impfverweigerer finde ich widerlich. Und auch die Besserwisser, was sie angeblich hinbekommen hätten. 20 Jahre die Verwaltungsreform verpennen, sich für das Gemeinwesen nicht interessieren, außer als Gegenstand der scheinheiligen Empörung. Pfui!

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