Interview |Arbeitsrecht - Dürfen Arbeitgeber eine Impfung verlangen?

Fr 11.06.21 | 16:36 Uhr
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Mädchen wird geimpft - Symbolbild (Bild: imago images/MiS)
Bild: imago images/MiS

Nicht alle wollen sich gegen Covid-19 impfen lassen - zumindest nicht sofort. Was aber ist, wenn der Arbeitgeber das gern möchte? Kann er seine Angestellten zwingen? Das nicht, sagt Arbeitsrechts-Anwalt Tobias Werner. Aber gewisse Ausnahmen gibt es schon.

rbb|24: Herr Werner, kennen Sie Fälle, in denen Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber ihre Angestellten unter Druck gesetzt haben, damit diese sich impfen lassen?

Tobias Werner: Einen konkreten Fall kenne ich dazu tatsächlich noch nicht. Das mag sich in Folge der mittlerweile aufgehobenen Impfpriorisierung womöglich ändern. Insofern kann es durchaus sein, dass diese Problematik auch an Fahrt aufnimmt.

Darf mein Arbeitgeber von mir verlangen, dass ich mich gegen Corona impfen lasse?

Es besteht keine Impfpflicht. Insofern darf der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass Sie sich als Arbeitnehmer impfen lassen.

Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht (Quelle: rbb/Friedrich Herkt)
rbb/Friedrich Herkt

Zur Person

Tobias Werner ist Anwalt in Berlin Prenzlauer Berg und spezialisiert auf Arbeitsrecht.

Muss ich Konsequenzen befürchten, wenn ich mich nicht impfen lasse?

Da keine Impfpflicht besteht und eine etwaige Weisung des Arbeitgebers, sich impfen zu lassen, dann auch unwirksam wäre, müssen Sie als Arbeitnehmer auch keine Sanktionen befürchten.

Was kann ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich zur Impfung gedrängt werde, mich aber nicht impfen lassen möchte?

Sich nicht unter Druck setzen lassen. Es besteht keine Impf-Pflicht. Der Arbeitgeber darf auch keinen Druck ausüben. Das wäre alles rechtswidrig. Und da kann ich nur empfehlen, standhaft zu bleiben, gegebenenfalls mit der Arbeitnehmervertretung - wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt - Kontakt aufzunehmen. Wenn mit dieser Begründung eine Kündigung ausgesprochen wird, rate ich natürlich dringend, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen und dagegen zu klagen.

Muss ich meinem Arbeitgeber überhaupt darüber Auskunft geben, ob ich geimpft bin?

Nein, eine solche Verpflichtung kenne ich nicht.

Gilt das auch für besonders sensible Arbeitsplätze - etwa wenn ich im Gesundheitswesen arbeite oder körpernahe Dienstleistungen erbringe? Kann mein Arbeitgeber mich auch hier nicht verpflichten, mich impfen zu lassen?

In einigen sensiblen Bereichen gibt es Ausnahmen. Ich denke da vorrangig an die Gesundheitspflege und Gesundheitsvorsorge: Krankenhäuser und Arztpraxen. Die sind verpflichtet - natürlich im Sinne des Patientenschutzes - alle erdenklichen medizinisch notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Und dazu gehört unter Umständen auch, dass die Mitarbeiter geimpft sind. Das läuft am Ende auf eine De-facto-Impfverpflichtung für die dort beschäftigten Mitarbeiter hinaus, wenn man so will. Eine Weigerung, sich impfen zu lassen, kann dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche könnten das sein?

Der Arbeitgeber kann Sie nicht vertragsgemäß beschäftigen, Sie bieten nicht ordnungsgemäß Ihre Arbeit an - ohne eine entsprechende Impfung. Der Arbeitgeber wäre zwar vorrangig gehalten, Sie anderweitig einzusetzen. Wenn aber keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, muss der impfunwillige Arbeitnehmer mit einer Abmahnung oder gegebenenfalls auch mit einer Kündigung rechnen.

Kann mein Arbeitgeber mich an anderer Stelle im Betrieb einsetzen, wenn ich mich nicht impfen lasse? Ich denke da zum Beispiel an Krankenhäuser.

Das darf er. Dazu ist er berechtigt. Er ist dann sogar verpflichtet, Sie dort einzusetzen. Kommen Sie dem nicht nach, dann begehen Sie eine Pflichtverletzung, die geahndet werden kann.

Habe ich als Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice? In dem Fall, dass ich mich derzeit nicht impfen lassen möchte, aber vielleicht zu einer Risikogruppe gehöre?

Aufgrund der neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz steht mir als Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice zu. Allerdings mit der Ausnahme: Dem Arbeitgeber muss es möglich sein, die Personen natürlich auch im Homeoffice zu beschäftigen. Also wenn ich jetzt an eine Verkäuferin oder einen Verkäufer denke, da ist das Homeoffice schlicht nicht möglich und undenkbar.

Wird dieser Konflikt in Zukunft ein größeres Problem in der Arbeitswelt werden?

Das glaube ich nicht. Auch wenn es aktuell noch diverse offene Rechtsfragen gibt, wird sich das, denke ich, in naher Zukunft klären. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es zukünftig zu größeren arbeitsrechtlichen Problemen oder Auseinandersetzungen kommt.

Einmal aus Arbeitgeber-Sicht gesehen: Was kann ich als Arbeitgeber tun, wenn ich eine besondere Gefährdung für meine anderen Arbeitnehmer oder auch für meine Auftraggeber sehe, wenn sich meine Mitarbeiter nicht impfen lassen wollen?

Es ist am Ende natürlich immer eine Abwägung vorzunehmen: zum einen die Interessen von Arbeitnehmern, sich nicht impfen zu lassen. Es ist ein Eingriff in die körperliche Integrität. Demgegenüber stehen die Arbeitgeberinteressen. In diesem Spannungsfeld ist die Frage am Ende zu beantworten, und das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Unter Umständen kann dann eben auch eine De-facto-Impfverpflichtung bestehen, und der Arbeitgeber kann von seinen Mitarbeitern verlangen, im Ausnahmefall geimpft zu werden - so ich denn dieses Problem als Arbeitgeber nicht anderweitig gelöst bekomme, also die Mitarbeiter nicht woanders einsetzen kann. Am besten ist es aber immer, wenn beide Seiten einfach miteinander reden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Friedrich Herkt.

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27 Kommentare

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  1. 27.

    Die Frage ist ja nicht, ob er sie verlangen kann, sondern ob er einen Nachweis verlangen kann, ob jemand geimpft ist. Und mE ist diese Abfrage unzulässig. Er darf ja nicht mal abfragen, welche Krankheiten ich habe.

  2. 26.

    So eine Grundlage gibt es nicht. Nur im Gesundheitswesen u.ä. gibt es ansatzweise entsprechende berufsbedingte Regeln.

  3. 25.

    Um sich zu schützen, empfehle ich sich impfen zu lassen und jegliche menschlichen Kontakte nur mit FFP2 Maske zu gestalten.
    Sie haben kein Recht, Impfungen zu fordern, aber sie dürfen jede Dienstleistung meiden. Und ein Recht auf Auskunft zu Mitarbeitern haben sie als Kunde schon gar nicht. Man kann nicht alles kaufen.

  4. 24.

    Ich sach immer wieder, morgens erst garnicht aus dem Bett .... erstens muss man abends eh wieder rein und zweitens lauern überall Gefahren... besonders im Haushalt ;-) Also, stay at bed

  5. 23.

    100 % Impfschutz werden Sie wohl nirgendwo bekommen.
    Meiden Sie einfach alles, wenn es zu riskant wird Haare schneiden, Kaffee trinken. Lebensmittel kaufen Taxis benutzen, ins Kino gehen.
    Also Sie machen nichts mehr sollte mal ein Wasserhahn Tropfen, bitte selbst reparieren.
    Es wird nicht jeder geimpft werden und das aus unterschiedlichen Gründen.
    Also ihre Forderungen wird kaum jemand erfüllen können. Es sein denn, sie nutzen nur selbständige ohne Personal.

  6. 22.

    Aha... und weil 7 von 10 Ihnen dann freiwillig erzählen, sie seien geimpft, ist der Rest, der nix sagt ungeimpft? Sie sagen es... es gibt keine rechtliche Grundlage. Und als Arbeitgeber sollten Sie extrem vorsichtig sein, Ihre Mitarbeiter zu drangsalieren. Das wäre dann schon fast im strafrechtlichen Bereich.

  7. 21.

    "Dann nennen Sie mir die Rechtsgrundlage für Ihre Sicht der Dinge." Das steht in keinem geschriebenen Gesetz. Aber die Macht des faktischen wird Druck machen. Es ist ja nicht verboten, zu sagen, geimpft zu sein.
    An Halbgeimpft: Wer sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen kann, verdient die Solidarität der Allgemeinheit.

  8. 20.

    Sie gehen schon einen Schritt zu weit. Der Arbeitnehmer muss überhaupt nichts nachweisen. Sie erkennen indirekt schon an, dass der Arbeitgeber fragen darf. Das ist einfach falsch. Hierfür bedürfte es einer rechtlichen Grundlage. Und die gibt es beim normalen Arbeitsverhältnis nicht.

  9. 18.

    Mal andersherum. Solange ich nicht krank bin, geht meine Gesundheit den Chef nichts an. Es sei denn, ich hab einen Job, bei dem bestimmte Checks und Impfungen vorgeschrieben sind. Also stellt sich die Frage nach der Impfung nicht. Der Chef darf sie nicht stellen. Und wenn er sie stellt, muss ich nicht antworten. Aber er kann Impfungen ebenso wie Tests anbieten. Das Angebot der Tests musste aber erst vom Staat vorgegeben werden, freiwillig hat der Chef es nicht gemacht. Jetzt soll er mal wegen der Impfungen schön ruhig sein.

  10. 17.

    "Es geht Sie als AG schlichtweg nichts an, ob Ihr AN geimpft ist oder auch impfen lassen will. " Das kann man auch anders sehen. In vielen Bereichen werden Geimpfte viel besser im betrieblichen Leistungsprozess eingesetzt werden können. Das zieht sich quer durch die gesamte Wirtschaft, fängt bei Krankenhäusern an, geht über jegliche Kundenkontakte und hat auch Einfluss auf die Bürobelegung. Nicht zu vernachlässigen wird auch das Verhalten der Verbraucher sein. In Läden, Restaurants, etc. mit geimpften Personal werde ich mich einfach wohler fühlen und diese, wenn ich die Information über die Durchimpfung habe, auch bevorzugen.

  11. 16.

    Irgend etwas verstehe ich nicht. Es ist meine Firma, die MA Kosten mein Geld und sie wollen über die Hygienemassnahmen in meiner Firma bestimmen? "
    Und jetzt gucken wir alle mal gespannt in den Kalender ob wir wirklich 2021 haben.

  12. 15.

    "Ich als Inhaber entscheide," glücklicherweise nicht, zumindest nicht über das Impfen. Das ist keine "Hygienemassnahme" wie Sie es nennen.

  13. 14.

    Oweia, meinen Sie das überhaupt ernst? Oder soll Ihre Frage nur überzogen verdeutlichen, wohin das Geimpfe was das gesellschaftliche Miteinander betrifft, führen kann?

  14. 13.

    Was ich hier lese macht mich teilweise sprachlos.

    Hier wollen einige in ihrer Firma oder als Kundin eine Impfung durchdrücken,? Unfassbar.

    Ich habe eine Impfung erhalten und gesundheitlich geht es nicht, die zweite Impfung zu erhalten, die Nebenwirkungen haben mir ein Schlaganfall beschafft.
    Demzufolge lassen sich in meinem Bekanntenkreis weniger Leute impfen und zwar aus Angst.
    Außerdem gibt es viele Vorerkrankte die sich einfach nicht impfen lassen können

    Diese Leute sollen jetzt also einfach gekündigt werden dürfen? Hammer Leute....echt.

  15. 12.

    Andersbehandlung ist eben nicht möglich. Sie wollen keine Anreize schaffen sondern es über Verbote regeln. Der Zugang zur Kantine ist ja wohl kein zusätzlicher Anreiz .... Sondern Normalität. Wenn Sie Ungeimpften den Zutritt verweigern haben Sie echt die Rechtslage nicht verstanden.

  16. 11.

    Dürfen Sie nicht erfahren. Das wäre auch seltsam, wenn der Arbeitgeber Ihnen Auskünfte über den Gesundheitszustand seiner Mitarbeiter geben würde.... Sie haben kein Vertragsverhältnis zu den Mitarbeitern. Fragen Sie den Busfahrer auch, ob er geimpft ist? Oder den Paketboten?

  17. 10.

    Wie sieht es als Kundin aus? Habe ich das Recht zu erfahren, ob die Friseurin, der Physiotherapeut, die Kundenberaterin, der Taxifahrer geimpft sind? Andernfalls möchte ich deren Leistung nicht in Anspruch nehmen. Wenn der Aufkleber am Lokal ist " Unser Personal ist zu 100% geimpft" , dann vertraue ich mal und kann dorthin gehen. Wenn nicht - dann nicht. Wie die Chefs das hinbekommen, ist mir als Kundin egal. Ich erwarte sogar, dass ich als zahlende Kundin bestmöglich geschützt werde. Zu Unternehmen ohne Kundenkontakt kann ich nichts sagen, da geht es wohl eher ums Arbeitsklima.

  18. 9.

    Anreizsystem …. gute Idee. Wird bei Sonderzahlungen gemacht…. z.B. je weniger Fehlzeiten je mehr Sonderzahlung.
    Und nun kommt ein MA und legt ihnen die Bescheinigung vom Arzt vor, wonach er nicht geimpft werden darf… da wird es schon eng für den AG und dann kommt der nächste und sagt meine Religion verbietet eine Impfung (orthodoxe Juden). Und das war es dann auch mit dem Anreiz….. niemand darf wegen seinem Glauben….

  19. 8.

    Nein, es hat etwas mit dem Eingriff in die Privatsphäre zu tun. Es geht Sie als AG schlichtweg nichts an, ob Ihr AN geimpft ist oder auch impfen lassen will. Ja, Sie dürfen Anreize schaffen. Wer will, wird sich dann melden. Aber Sie dürfen auch nicht den Umkehrschluss ziehen, wer sich nicht meldet, sei impfunwillig. Sofern es keine rechtliche Grundlage für eine Impfnotwendigkeit gibt, solange dürfen Sie den Impftstatus nicht abfragen. AN haben nun mal Rechte. Sie schulden Ihnen lediglich die Arbeitsleistung. Und wie Sie in Kommentar 1 sehen, ist der Schutz der AN wichtig.

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