Kommentar | Aktion #allesdichtmachen - In Zeiten wie diesen ist Sarkasmus schwer zu ertragen

Fr 23.04.21 | 16:02 Uhr | Von Maria Ossowski
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Richy Müller atmet in seinem Clip für die Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen abwechselnd in zwei Tüten. Rund 50 prominente Film- und Fernsehschauspieler sorgen mit einer großangelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen. (Quelle: dpa/Internetaktion #allesdichtmachen)
Audio: Inforadio | 23.04.2021 | Maria Ossowski | Bild: dpa/Internetaktion #allesdichtmachen

Sarkasmus polarisiert, Ironie wertet ab. Die Aktion #allesdichtmachen ist nach hinten losgegangen, weil sie nicht zielführend war. Einfühlsame Künstler*innen hätten die Stimmung im Lande erspüren können, kommentiert Maria Ossowski.

Sie liegt am Boden und oft in den letzten Zügen. Eine Branche, die nicht nur Branche und als solche wirtschaftlich bedeutend ist, sondern die Lebenslust, Seelenraum und Geistesstütze bietet, es geht ihr und ihren Protagonisten miserabel. Die Politik reagiert auf die Verzweiflung aus den Kulturwelten nicht, Pilotprojekte sind abgesagt, aufwändige Hygienemaßnahmen werden ignoriert. Außer lauwarmem Geldregen, der oft nicht ankommt, gibt es keine Signale, die Mut machen und damit das Berufsverbot der Künstler*innen ein wenig erträglicher.

Kein Wort zu den Toten der Pandemie

Aus dieser Stimmung heraus sind die Videos mit den sarkastischen und ironischen Statements prominenter Schauspieler*innen entstanden. Alle haben einzeln zu Hause vor der Videokamera gesessen und in kurzen Clips Politik und Medien vorgeführt. Das sei, so erklärt die verantwortliche Münchner Produktionsfirma, Kunst. Ulrich Tukur rezitiert zu Beginn Rilkes berühmtes: "der Tod ist groß, wir sind die Seinen lachenden Munds..." - Das macht er zum Niederknien schön.

Dann allerdings leitet er ins Gruseln über, wir sollten doch alle Supermärkte schließen und Hungers sterben, damit das Virus keine Wirte mehr zerstört und selber stirbt. Liefers greift auch die Medien als Verursacher der Panik an, ebenfalls in Manier seiner Tatortfigur Professor Börne bitter ironisch. Das mag man gelungen finden oder peinlich, richtig oder geschmacklos, überfällig oder dreist. Allen Videos eigen ist die Tatsache, dass die Covidtoten, in Deutschland immerhin 80.000, nicht erwähnt werden. Das ist in der angespannten Situation unserer Zeit nicht besonders empathisch, teilweise im Medienbashing faktisch falsch und vor allem so gar nicht durchdacht.

Ziel verfehlt

Letztlich darf Satire nach Tucholsky zwar alles, die Frage nur, die sich stellt: Ist so eine Aktion momentan zielführend? Rührt sie, bewegt sie so sehr, dass, getragen von einer riesigen Welle des Verständnisses und des Mitgefühls, die Verantwortlichen erwachen und endlich begreifen, wie entwürdigt, wie deprimiert sich Kulturschaffende fühlen? Um dann vielleicht doch noch Open air zu erlauben oder durchdachte Pilotprojekte für Veranstaltungen? Das wäre das Ziel. Und das ist, mit Verlaub, leider verfehlt.

Sarkasmus polarisiert, Ironie wertet ab. Und deshalb schießen die Ressentiments aller, der Unterstützer wie der Kritiker, aus dem Boden in sämtliche Richtungen. Das liegt in erster Linie an unserer längst unerbittlichen, alle Extreme fördernden, schrecklichen Debattenunkultur vor allem in den sozialen Netzwerken. In den Rachen schieben sollten sie sich ihre Kritik, heißt es, Querdenkerei wird ihnen vorgeworfen, Kolleg*innen schämen sich, die ersten Schauspieler*innen distanzieren sich bereits von ihren Videos, wie z.B. Meret Becker. Das sei wohl nach hinten losgegangen, schreibt sie.

Die Statements gehen in Shitstorms unter

Ja. Das ist so. Wortmächtige Erzähler wie Ulrich Tukur, beliebte Darstellerinnen wie Ulrike Folkerts hätten weit mehr erreicht, wenn sie in ihrer künstlerischen Art authentisch berichtet hätten, wie es ihnen und ihren unbekannteren Kolleg*innen ergeht, sehr individuell, ohne Larmoyanz, aber doch mit Verve, hin und wieder selbstironisch und damit unangreifbar. Das hätte gesessen. In Zeiten wie diesen ertragen die meisten Menschen Sarkasmus nur schwer. Als einfühlsame Künstler*innen hätten sie die Stimmung im Lande erspüren können. Als Fanal ihrer Verzweiflung gehen die Statements jetzt jedoch in Shitstorms unter. Das ist bitter. Denn die seelische und wirtschaftliche Not in der Kultur wächst mit jedem Tag.

Sendung: Abendschau, 23.04.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Maria Ossowski

85 Kommentare

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  1. 85.

    Impfen vermasselt, keine richtigen Entscheidungen die der Pandemie Einhalt geben, getroffene Entscheidungen werden von den 16 Länderminister kaputt diskutiert usw . , diese Endlosschleife kann man doch nur noch mit Sarkasmus ertragen.
    Das schlimme ist ja, dass andere Länder es uns vormachen wie es geht z.B. Portugal, aber wir wissen alles besser und somit schweben wir seit fünf Monaten im selben Zustand.
    Nicht einfach,, wenn einem der Spiegel in einer anderen Art vorgehalten wird.

  2. 84.

    Erstaunlich ist diese Ausrichtung am Maximalen.

    Auf Fahrbahnen steht ein Schild mit 80 km/h drauf und prompt herrscht die Meinung, da müsse auch 80 km/h gefahren werden. Dabei bestehen doch alle Möglichkeiten, mit allen unterschiedlichen Tempi darunter zu bleiben. Kommt scheinbar nur keiner drauf.

    So auch hier. Fehlt nur, dass "bis zu ..." mit den gleichen großen Zahlen versehen wird wie in den Geschäften der Preis "ab ..." Denn das ist ja nur das Spiegelbild davon und deckt gleichfalls nur das Wenigste davon ab.

  3. 83.

    Ja, dann les' dir den mal in Ruhe durch.
    https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__74.html
    Den 73er auch gleich.
    https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__73.html

  4. 82.

    sprich nur wenn du sicher bist das dein schweigen nicht klüger gewesen wäre. mfg melusine

  5. 81.

    Sie bezeichnen alle, die nicht Ihre Meinung vertreten als vom Untertanengeist beseelten Mob und halten sich für mutig. In diesem Land braucht man keinen Mut, um seine Meinung zu sagen. Sie nicht und auch nicht irgendwelche Schauspieler. Man muss nur die Reaktionen derer aushalten, die anderer Meinung sind. Vom Mob würde ich eher in Bezug auf die Leerdenkerfraktion sprechen, Sie Möchtegernheld.

  6. 80.

    Man lese dazu einmal die Stellungnahme des Präsidenten der Filmakademie, Ulrich Matthes, zu dieser Aktion. Zu finden auf der Seite von n-tv.de.
    Ich meine, viel mehr muß man dazu auch nicht mehr sagen. Ansonsten sollte man die Herrschaften, wie man hier in Berlin so sagt, noch nicht mal ignorieren. Das scheint mir für die die Höchststrafe.

  7. 79.

    Für so beschränkt hätte ich die meisten der Schauspieler, die mitgemacht haben, gar nicht gehalten.
    Seltsame Blase, in der die leben müssen. Haben die keine normalen Freunde um sich herum?
    Komische Mischung aus Ignoranz, Larmoyanz, Aufmerksamkeitsdefizit, Egozentrik und sich Wichtigmachen.
    Zu kritisieren gäbe es genug, aber das war einfach nur peinlich.

  8. 78.

    Respekt, ich wurde gerade auf den Paragraphen 74 des Infektionsschutzgesetzes hingewiesen. Bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe sind zukünftig möglich, bei Zuwiderhandlung.

  9. 77.

    "Die 50 Promis stehen nicht für alle anderen!"
    Es ist immer leicht Behauptungen zu widersprechen, die überhaupt niemand aufgestellt hat.

    "Wie nicht an der Aktion beteiligte Schauspielkolleg*innen die Aktion beurteilen, kann man hier nachlesen"
    Die stehen aber, ob wirklich oder doch eher semi-prominent, auch nur für sich und nicht für den gesamten Rest, der sich bisher nicht geäußert hat.

  10. 76.

    Die Presse kann offensichtlich nicht mehr mit Kritik umgehen - fast alle Kommentare zu der Aktion der 50 Schauspieler sind negativ - speziell das WDR Interview zeigt, dass die Journaille beleidigt reagiert und das wahre Anliegen des Projekts nicht verstehen will - das Projekt will, dass Diskussion auch kontrovers weitergeführt werden sollen.
    Ein Anliegen das künstlerisch vorgetragen wurde - ironisch und tw. zynisch aber das steht der Kunst zu die Form der Interpretation zu wählen - Warum bloss wird diese "political correctness" immer wieder und weiter belohnt ???? Zur Vielfalt gehört nunmal Vielfalt und keine gleichförmige Meinungsbildung - Schade, aber ich denke auch dass das intellektuelle Niveau bei vielen Gegnern zu sehr strapaziert wurde durch die Wahl der Ironie und Zyniker als Stilmittel.

  11. 75.

    Ihr Kommentar zeigt doch sehr genau, wie nötig eine solche Aktion der Schauspieler war. Sie suggerieren, dass Schauspiel keine Arbeit ist und von der Allgemeinheit alimentiert wird. Gerade die beteiligten Künstler gehören zu den erfolgreichsten und angesagtesten ihres Fachs. Das sie sich hier für Kunst und Kultur einsetzen und aktionistische Maßnahmen aufs Korn nehmen ist höchst lobenswert. Was darf Satire - alles.
    Und nein - man darf zur Zeit eben nicht in Heimen auftreten wie auch überall sonst nicht - das ist verboten. Sollten Sie aber mitbekommen haben.

  12. 74.

    Fakt ist das Covid-19 gefährlich ist und die Leugner davon Leer- und nicht Querdenker sind. Fakt ist aber auch, das unsere Politik und Verwaltung überfordert ist und durch Fehlentscheidungen und Hick-Hack viele Menschen um Einkommen, Existenz und Freiheit gebracht werden und unsere Kinder um Bildung und Zukunfts-changsen.. Darauf aufmerksam zu machen wäre richtig, aber offensichtlich wurden nur die Leerdenker bedient. Nach mehr als einem Jahr Pandemie muss doch rauszufinden sein, welche Zahlen wichtig und welche nicht sind, wo Infektionen sich verbreiten und wo nicht und wie angemessen und effektiv die Pandemie bekämpft werden kann. Und Impfen, Impfen, Impfen. Durch das Versagen bei der Impfstoffbestellung werden die politischen Extremen gestärkt und die Demokratie geschwächt. Und niemand wird dafür zur Verantwortung gezogen.

  13. 73.

    Die 50 Promis stehen nicht für alle anderen! Wie nicht an der Aktion beteiligte Schauspielkolleg*innen die Aktion beurteilen, kann man hier nachlesen:
    https://www.jetzt.de/kultur/nach-allesdichtmachen-kampagne-was-halten-andere-prominente-schauspieler-innen-von-der-aktion

  14. 72.

    Im Passiv zu behaupten, die Pandemie werde "benutzt um die Meinungsfreiheit zu beschneiden", ist eine unhaltbare Verallgemeinerung, weil mit dieser Wortwahl suggeriert wird, es gäbe hegemoniale Mächte, die hier am Werk sind, das ist genau der Duktus von Verschwörungstheoretikern. Furchtbar der Vergleich mit DDR-Verhältnissen, auch typisch. Herr Spahn hat die Schauspieler*innen der Aktion zum Gespräch eingeladen. Die Behauptung ist also eine reine Bauchgeschichte. Kann man sagen, bitte schön. Aber darf man auch hinterfragen. Punkt.

  15. 71.

    Wenn gerade die BILD Zeitung sich für die Meinungsfreiheit in diesem Land einsetzen muss (Schlagzeile von heute), dann läuft etwas schief bei uns! Die Videos sollten Anstoß zu einer gesellschaftlichen Diskussion sein und nicht für Stigmatisierung der Schauspieler dienen. Das gerade ein linker Kultursenator sich nicht hinter die Künstler stellt lässt mich doch sehr verwundert zurück.

  16. 70.

    Ich kenne die privaten Beziehungen untereinander nicht, genauso wenig wie deren politische Haltung. Und es interessiert mich auch nicht, solange diese weder zu Gewalt- noch Straftaten aufrufen oder diese selber ausüben.

    Das Herr Duin seinen Kommentar gelöscht und zurückgerudert ist, ist aber doch sehr wahrscheinlich dem selben Druck und der Angst vor finanziellen Risiken geschuldet, wie es jetzt auch einige der 50 Schauspieler machen.

    Ich habe bisher nur einen Teil der 50 Statements gehört. Bisher hat sich keiner mit Rechts oder Querdenkern gemein gemacht, sondern beschreiben die hilflos agierende und nicht rechtssichere Politik.

    Der Hinweis auf Kollateralschäden in der Bevölkerung die kaum Gehör und Beachtung findet, sollte und muss erlaubt sein. Wer kümmert sich denn um die Jüngeren? Seit 1 Jahr halten wir uns an die Regeln und vermeiden soweit möglich alle nicht notwendigen Kontakt, außer beim Arbeiten. Das habe ich bei den Senioren oft vermisst.

  17. 69.

    ""Schade, wie die "Pandemie" genutzt wird, um die Meinungsfreiheit zubeschneiden."
    Wer macht denn das? Bitte belegen Sie mal diese krude Behauptung, bin sehr gespannt. Ansonsten ist das einfach nur ein verschwörungstheoretischer Ausguss. "
    Das machst du z.B., stellvertretend für viele Andere gerade. Wie man das macht? Exakt so, wie du es hier vorexerzierst.
    Die vertretene, konträre Meinung wiederspricht deinem Gusto oder dem Mainstream, folglich wird diese negiert, gern auch ohne Argumente, und in eine bestimmte, auch bei mir unbeliebte aber nunmal vorhandene, Ecke gedrückt. Die Meinungsfreiheit muss nicht durch ein Gesetz beschnitten werden. Das bekommt die "brüllende Masse" in Teilen weitaus besser hin - nur ändert sie nix dran. Weder am eigenen, noch am konträren Verhalten.

  18. 68.

    Wenn die Meinungsfreiheit in Deutschland angeblich nicht in Gefahr ist, dann verwundert es mich doch, das die Schauspieler so extrem angegangen werden."
    Das was Sie extrem angegangen nennen sind gegensätzliche Meinungen. Und die wird man ja wohl noch sagen dürfen. Auch wenn es um Bildschirmikonen geht, die etwas abgesondert haben, was den Rechten so richtig Wasser auf die Mühlen gibt.
    Da nützt dann auch die wohlfeile Distanzierung von afd und Leerdenkern relativ wenig. Wenn etwas watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es nur in den seltensten Fällen ein tasmanischer Beutelwolf.

  19. 67.

    Sie wissen aber schon, dass Herr Liefers sich in Kooperation mit Herrn Wunder diese Chose ausgedacht hat, einem Produzenten, der im letzten Jahr von "Coronazis" schwadronierte (was er natürlich später relativiert bzw. zurückgenommen hat). Bin sehr dafür, die künstlerische Leistung von den privaten Fehlleistungen zu trennen. Aber sich mit Sympathisanten von Verschwörungstheorien zumindest gemein zu machen ist schon ziemlich starker Tobak, dass sich eine öffentl.-rechtl. Sendeanstalt hier abgrenzt ist nicht verwunderlich. Im übrigen ist Herr Duin zurückgerudert.

  20. 66.

    Sehr geehrte Frau Ossowski,
    Ironie (incl. Sarkasmus) und Satire sind zu akzeptierende Stilmittel.
    Sie selbst haben auf rbb24 vor wenigen Tagen den Kommentar "Wahlen gewinnt man eben eher im Baumarkt als im Theater" veröffentlicht. Im Abschnitt "Hamlet vor dem Keksregal" werden auch Sie sehr ironisch und verwenden durchaus einen leicht sarkastischen Unterton, wenn Sie von einer Hamlet-Aufführung im Dänischen Bettenlager schreiben.
    Hat mir gefallen.
    Ob die Aktion der Schauspieler nun jedem gefällt - geschenkt.
    Aber schon wenn die Akteure ihre Statements im Rahmen einer Theateraufführung am Bühnenrand vortrügen, wären diese allgemein akzeptiert. "Theater muss provozieren" würde man in den Kritiken lesen.
    Und Schauspieler bewegen sich nun mal in ihrem Metier und nutzen es, um sich zu Wort zu melden.
    Auch weil sie nicht einfach sagen "Ich bin doch nur Schauspieler", wie es einst Klaus Mann seinen Hendrik Höfgen in "Mephisto" sagen ließ.
    Auch das gefällt mir.

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