Muslime in Neukölln - Imam: Das Virus als Strafe Gottes ist "Unsinn"

Di 10.03.20 | 11:22 Uhr | Von Vanessa Klüber
Männer blicken in einer Moschee auf eine Kanzel, auf der ein Imam steht
Video: rbb|24 | 10.03.2020 | Vanessa Klüber | Bild: rbb/Vanessa Klüber

Die arabisch sprechenden Muslime in Berlin beschäftigt das neue Coronavirus, auch in der religiösen Praktik ist es das beherrschende Thema. Vanessa Klüber besuchte ein Gebet in der Dar Assalam Moschee und hat sich angehört, welche Ratschläge der Imam gibt.

"Keine Panik, ruhig bleiben", das ist die Kernbotschaft von Imam Mohamed Taha Sabir an seine muslimische Gemeinde.

Zum Gebet sind an diesem Freitag etwas weniger Menschen in die Neuköllner Dar Assalam Moschee gekommen als sonst. Weil es draußen regnet. Und wegen des Coronavirus, mutmaßen Besucher. Normalerweise stehen sie bis draußen im Vorhof, heute passen alle rein ins Gebäude. Ein paar Hundert Menschen sind es dennoch, unten auf den Teppichen die Männer, oben auf den Rängen die Frauen.
 

Imam Mohamed Taha Sabri
Imam Mohamed Taha Sabri | Bild: rbb/Vanessa Klüber

Im Ernstfall sollen Freitagsgebete ausfallen

Die Freitagsgebete sind eine wichtige Gelegenheit für Muslime, ihre Religion auszudrücken und sich zu treffen. Noch fallen sie nicht aus, auch am kommenden Freitagmittag will der Imam sprechen. Sollten die Behörden jedoch anderslautende Anweisungen geben, werde man sich nicht mehr in der Moschee treffen und soll sich auch ansonsten nicht zu Gebeten versammeln - das predigt der Imam auf Arabisch mit deutscher Simultanübersetzung per Kopfhörer. Und ansonsten?

Hände waschen, in die Ellbeuge niesen, Umarmungen, Hände drücken, Küsse vermeiden. Das, was Ärzte, Gesundheitspersonal und Politiker seit Wochen im nicht-religiösem Kontext predigen, kommt auch auf die Moscheenkanzel – als praktische Handlungstipps und religiös eingebettet.

Der Prophet Mohammed soll damals die Menschen auch schon darauf hingewiesen haben, dass sie bei Gefahr ihre Gebete ausfallen lassen sollen. Und das Virus als Strafe Gottes? Im Internet kursieren Verschwörungstheorien dazu, auch Geistliche aus Tunesien oder Ägypten verbreiten diese Mythen. Das sei "Unsinn", sagt der Berliner Imam. Wer sich zum Beispiel von Chinesen fernhalte, handele rassistisch – "Rassismus ist im Islam verboten", ruft er den Gläubigen zu.

Mut haben, Hilfe leisten

Stattdessen, so schließt er seine Predigt nach 30 Minuten, soll man Mut haben und Hilfe leisten, nicht nur zu Hause bleiben und abwarten. Und sich vor allem rational verhalten.

Er sei nicht der einzige Imam, der so spreche. Er und seine Kollegen leiten die Infos der Behörden und Ärzte weiter. Sogar ein Arzt soll einen Imam bei seiner Predigt unterstützt haben zu den Gläubigen gesprochen haben. Die Predigt ist auch eine Informationsquelle für diejenigen, die nur Arabisch und kein Deutsch sprechen. "Viele unserer Leute sind Flüchtlinge, einfache Leute, die kennen die Sprache nicht. Die sind angewiesen auf die Bürger, die hier leben. Die Hilfe von Fachleuten ist gefragt."

Kein Körperkontakt: sehr schwierig

Keine Panik, Ruhe, das strahlen zumindest die Besucher der Moschee aus. Eine Frau beschreibt, wie ihre Familie trotzdem mit den Verkehrsmitteln zur Arbeit fährt, und dass man zu Hause gründlich mit Seife die Hände wasche, das war’s. Es herrscht Vertrauen in die Behörden. Die Politiker in Deutschland hätten bisher alle Probleme und Krankheiten überwunden.

Und ein anwesender Arzt erklärt, dass man sich ohnehin fünfmal am Tag wasche, inklusive Nasen- und Mundspülung. Nicht gerade schlecht in dieser Situation.

Ein einziger, ein alter Mann, trägt eine Atemschutzmaske, die er aber nicht übers Gesicht gezogen hat. Hier und da hüstelt einer oder schnäuzt sich die Nase. Überall schütteln sich Männer die Hände zur Begrüßung und zum Abschied.

Auch der Imam muss am Ende seiner Predigt dutzende Hände schütteln, umarmt auch einen Mann lange.

Trotz der Predigt gelingt es noch kaum, den Körperkontakt komplett zu unterbinden.

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Beitrag von Vanessa Klüber

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