Fragen zur Immunität gegen Corona - Krank, gesund, geschützt - es ist nicht so einfach

Mo 11.05.20 | 07:47 Uhr
Symbolbild: Ein Schnelltest von Covid-19 (Quelle: dpa/David Zorrakino)
Bild: dpa/David Zorrakino

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ebbt derzeit langsam ab. Aber wie sicher sind die Zahlen zu den Genesenen? Sind alle Genesenen immun? Wie sicher sind Antikörper-Tests? Und wie ist der Stand beim Impfstoff? Ein paar vorsichtige Antworten. Von Haluka Maier-Borst

Ab wann gilt man wieder als gesund?

Laut Definition des Robert-Koch-Instituts [rki.de] muss man nach drei Kategorien unterscheiden: Die Schwererkrankten im Krankenhaus, die Leichterkrankten in häuslicher Isolation und die positiv Getesteten ohne jegliche Symptome.

- Für die Erkrankten mit leichten Symptomen, gilt, dass zwei Wochen seit der Erkrankung vergangen sein müssen. Außerdem müssen sie die letzten 48 Stunden symptomfrei gewesen sein, damit sie als genesen aus der häuslichen Isolation entlassen werden können.

- Für vormals Schwererkrankte, die ohne Einschränkungen aus dem Krankenhaus entlassen werden, gelten strikte Regeln: Sie müssen 48 Stunden symptomfrei gewesen und bei zwei gleichzeitig gewonnenen Abstrichen negativ getestet sein. Für diejenigen, die zwar aus dem Krankenhaus entlassen werdem, aber dann in häusliche Isolation kommen, ist die Definition wieder eine andere. Für diese früheren Schwererkrankten müssen mindestens 14 Tage seit dem Krankenhausaufenthalt vergangen sein. Und sie müssen 48 Stunden symptomfrei gewesen sein, um als genesen zu gelten.

- Für die Positivgetesten ohne Symptome fällt das Kriterium der Gesundung ganz weg. "Daher wird hier eine Entlassung frühestens 14 Tage nach labordiagnostischem Erstnachweis des Erregers empfohlen", schreibt das RKI. Das macht es zum Beispiel besonders schwierig, wenn Altenheimbewohner äußerlich kerngesund sind, aber weiterhin positive Abstriche zeigen.

Gibt es offizielle Zahlen zu Genesenen?

Jein. Viele Behörden weisen inzwischen Zahlen aus, doch diese werden meist nicht offiziell gezählt sondern nur geschätzt. Und das teilweise unterschiedlich. Als Genesen gelten in Berlin [berlin.de]:

- nicht hospitalisierte Fälle 14 Tage nach Erkrankungsbeginn oder Meldedatum

- hospitalisierte Fälle 7 Tage nach Entlassung; bzw. bei fehlenden Daten 28 Tage nach Erkrankungsbeginn oder Meldedatum

In Brandenburg dagegen gelten als genesen [msgiv.brandenburg.de]

- nicht hospitalisierte Fälle 14 Tage nach Meldedatum

- zu hospitalisierten Fällen fehlt eine Angabe, wie sie in die Berechnung einfließen.

Auch weil es diese Unschärfen gibt, gibt rbb|24 die Zahl der Genesenen nicht an und auch nicht die Zahl der aktiven Infizierten (alle gemeldeten Fälle minus aller Genesenen). Die Zahl der Neuinfzierten der letzten Woche, die im 7-Tage-Trend abzulesen ist, ist aber ein grober Richtwert für den derzeitigen Ausbruch.

Ist man nach Erkrankung und Gesundung immun?

Nach allem was man weiß, scheint das so zu sein. Zwar gab es eine Studie aus China [jama.com] und Berichte aus Südkorea [scmp.com] über gesundete Patienten, die Wochen später nochmals einen positiven Test hatten. Allerdings scheint die plausibelste Erklärung dafür keine erneute Erkrankung zu sein. Sondern Virusreste in der Lunge, die im Heilungsprozess hochkommen.

Das ist die Einschätzung, die mehrere Virologen gegenüber dem Science Media Center [sciencemediacenter.de] äußerten und auch Maria Van Kerkhove, technische Leiterin der WHO, gab diese Erklärung gegenüber der britischen BBC [bbc.co.uk]. Diese Interpretation könnte erklären, wieso die positiv-getesteten Gesunden in Südkorea gar nicht oder sehr wenig infektiös waren [scmp.com].

Da aber noch nicht letzte Klarheit herrscht, warnt die WHO [who.int] davor, alle Genesenen als immun zu betrachten. Möglich sei auch, dass Genesene  in gewissen Fällen nur wenige Antikörper gegen Corona aufweisen und dies nicht reiche, um immun zu sein. Entsprechend spricht man sich bei der WHO auch gegen das Konzept von Immunitätspässen aus. Wie lange die Immunität im Regelfall anhält, ist derweil unklar. Schätzungen gehen hierbei weit auseinander von einigen Monaten bis einigen Jahren. 

Gibt es Tests auf Immunität gegen Corona und wie sicher sind diese?

Ja, es gibt sogenannte Antikörper-Tests inzwischen zu kaufen und sie wurden zum Beispiel in der Heinsberg-Studie genutzt, die man korrekterweise als Gangelt-Studie bezeichnen sollte. (Es wurde eben nur der Ort Gangelt im viel größeren Kreis Heinsberg untersucht.) Solche Antikörper-Tests prüfen, ob im Blut eben jene Antikörper gegen das Corona-Virus enthalten sind. Diese Antikörper sind eine Reaktion des Immunsystems, um das Virus unschädlich zu machen. Allerdings ist der Nachweis dieser Antikörper nicht perfekt. 

Der in der Gangelt-Studie benutzte Test ist in der Lage, bei 91 Prozent der Blutproben von vormals positiven Patienten die Antikörper aufzuspüren. Er hat eine Sensitivität von 91 Prozent. Das heißt aber, etwa einen von zehn vormals Erkrankten und inzwischen Gesundeten findet der Test nicht.

Es gibt aber noch eine andere wichtige Kennziffer, die Spezifität des Tests, die beim Test aus der Gangelt-Studie bei 99 Prozent liegt. Das heißt, bei 99 Prozent der Blutproben, bei denen der Test anschlägt, sind die Patienten auch tatsächlich positiv. Das sind sehr gute Werte, aber kann trotzdem Probleme mit sich bringen. Wenn nämlich nur sehr wenige Menschen das Virus schon hatten wie gerade jetzt im Rest von Deutschland, dann ist ein positiv-anschlagender Test mit 50-prozentiger Wahrscheilichkeit ein Fehlalarm. Wir erklären hier in der Grafik wieso:

Je kleiner also der Anteil Leute in der Bevölkerung ist, der schon die Erkrankung durchgemacht hat, desto anfälliger ist der Test für diese Art von Fehlern. Genau auf dieses Problem weisen die Forscher der Gangelt-Studie, Hendrik Streeck, Gunther Hartmann und ihr Team auch in der Veröffentlichung zur Untersuchung hin [uk-bonn.de]. Und auch das Robert-Koch-Institut [rki.de] warnt: “Es wird jedoch aktuell noch davon abgeraten, das Ergebnis eines alleinigen Antikörpertests als Kriterium für eine Diagnosestellung einzusetzen.”

Der in der Gangelt-Studie verwendete Test von Euroimmun scheint dabei recht ähnlich abzuschneiden wie der inzwischen von der Firma Roche vertriebene Antikörper-Test. Auch dieser hat laut der Deutschen Apotheker Zeitung [daz.de] eine Spezifizität von über 99 Prozent. Aber auch hier muss beachtet werden, dass eben bei einem geringem Prozentsatz an schon durchgemachten Erkrankungen in der Bevölkerung ein positiver Test falsch liegen kann.

Was sagt die Zahl der Gesundeten im Vergleich zur Zahl der Neuinfzierten aus?

“Mehr Genesungen als neue Infektionen” war Anfang April in vielen Medien [zdf.de] zu lesen als positive Nachricht. Leider hat aber das Verhältnis von Neugenesenen zu Neuinfzierten wenig Auswirkung auf das Infektionsgeschehen. Und das aus mehreren Gründen.

Zum einen kommt es erst einmal darauf an, wie viele Genesene es in der Bevölkerung insgesamt gibt. Nur wenn dieser Anteil insgesamt bei 60 bis 70% liegt [cell.com], beginnt die sogenannte Herdenimmunität und der Ausbruch verlangsamt sich. Darüber kann das aktuelle Verhältnis von Neuinfizierten zu Neugenesenen keine Aussage treffen. Deutschland ist jedoch weit entfernt von diesem Wert von 60 bis 70%. So kommt selbst die optimistische Schätzung der Gangelt-Studie auf rund zwei Prozent.

Zum anderen ist wichtig für die Krankenversorgung, wie viele Menschen sich innerhalb mehrerer Tage angesteckt haben und wie viele davon einen schweren Verlauf entwickeln. Denn Schwererkrankte sind laut bisherigen Schätzungen im Mittel anderthalb Wochen auf der Station [rki.de]. Würden sich also jeden Tag 100 Menschen anstecken und schwer erkranken, dann käme man sehr grob gerechnet auf 1000 Patienten auf der Intensivstation zur gleichen Zeit.

Wie weit ist man bei der Erforschung von Impfstoffen?

Derzeit werden erste Impfstoffstudien durchgeführt, doch sie sind alle in einem frühen Stadium. So scheint es einer Forschungsgruppe aus Oxford gelungen zu sein, sechs Makaken mit einem Impfstoff gegen Sars-Cov-2 zu immunisieren laut Berichten der New York Times [nyt.com]. Eine andere Forschergruppe aus China scheint es mit einem anderen Impfstoff ebenfalls gelungen zu sein, 20 Makaken gegen den Erreger erfolgreich zu impfen. Hier liegt schon ein Manuksript der Studie [biorxiv.org] sogar vor, es ist allerdings nicht von anderen Forschern begutachtet worden.

Zudem gibt es auch einige erste Studien mit Menschen. Deren Fokus ist aber vor allem, ob der Impfstoff überhaupt sicher ist. Entsprechend ist es noch zu früh, um irgendwelche Prognosen darüber abzugeben, ab wann ein wirksamer Impfstoff vorliegen könnte.

Video: rbb SPEZIAL | 06.05.2020 | Dr. Julia Fischer

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