Interview | Immunologe Hans-Dieter Volk - Menschen mit Blutgruppe A haben öfter schwere Corona-Krankheitsverläufe

Do 11.06.20 | 16:31 Uhr
Symbolbild: Eine medizinisch-technische Assistentin bereitet Patientenproben zur Abklärung des Coronavirus vor. Die Mitarbeiter im Labor arbeiten mit einem Schnelltest, der in Anlehnung an das Referenzlabor der Charite in Berlin nach Empfehlung der WHO entwickelt wurde. (Quelle: dpa/Grubitzsch)
Bild: dpa/Grubitzsch

Einer Studie zufolge ist das Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken, bei bestimmten Blutgruppen höher. Ob an den Ergebnissen etwas dran ist, erklärt Immunologe Hans-Dieter Volk von der Charité Berlin im Interview.

rbb|24: Eine deutsch-norwegische Studie soll zeigen, dass Blutgruppen beeinflussen, wie stark der Krankheitsverlauf von Covid-19-Patienten ist. Ist das überhaupt möglich?

Hans-Dieter Volk: Es wird immer wieder beschrieben, dass es eine Verbindung zwischen Blutgruppen und einem Krankheitsrisiko gibt. Warum nicht auch für Covid-19. Meines Wissens gibt es mehrere Studien dazu, die zumindest vorläufige Daten publiziert haben. Die letzte stammt aus Kiel von deutschen und norwegischen Forschern. [Mehr zu den Studien bei mdr.de]

Aber es gibt auch amerikanische Studien und vor Monaten gab es schon eine chinesische. Alle haben ähnliche Beobachtungen gemacht: Blutgruppen und das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bei Covid-19 stehen in einer Beziehung zueinander. Das heißt nicht, dass Menschen mit bestimmten Blutgruppen sich leichter infizieren. Sondern, ob eine Infektion leichter oder schwerer verläuft.

Wie unterscheiden sich Blutgruppen?

Blutgruppen werden, wie alle Eigenschaften von uns, durch Nukleinsäure in unserer DNA codiert. Zehntausende Gene bestimmen in einem Menschen, welche Blutgruppe er hat. Das von Forschern festgelegte AB0-System kategorisiert, welche vier Gruppen es gibt: A, B, AB und 0. Zusätzlich gibt es noch den Rhesusfaktor und andere Faktoren, die wir hier nicht einbeziehen.

Die Blutgruppe eines Menschen wird am Anfang seiner Entwicklung als Baby gebildet, wenig später entwickeln sich auch die Antikörper gegen Blutgruppen. Wenn sie die Blutgruppe A haben, dann haben sie Antikörper gegen B. Deswegen kann zwischen diesen kein Blut übertragen werden. Die Blutgruppe 0 ist besonders, weil sie keine Eigenschaften von A oder B hat. Ihre roten Blutkörperchen werden von Antikörpern nicht erkannt. Deswegen ist 0 universell einsetzbar und kann Menschen mit A, B, als auch AB in einer Transfusion verabreicht werden. Umgekehrt hat die Blutgruppe 0 Antikörper gegen die Blutgruppen A und B und kann deswegen von ihnen kein Blut bekommen, sondern nur von Menschen mit derselben Blutgruppe.

Wie sieht es bei anderen Krankheiten aus: Wie beeinflusst die Blutgruppe das Risiko eine Krankheit zu bekommen oder schwer darunter zu leiden?

Es gibt häufig einen Zusammenhang. Zum Beispiel hat die Blutgruppe 0 ein höheres Risiko für Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, wie Herzinfarkt oder Diabetes. Vor allem der Altersdiabetes wird mit Blutgruppen in Verbindung gebracht. Das heißt aber nicht, dass jeder, der eine solche Blutgruppe hat, dann ein höheres Risiko für gewisse Krankheiten hat. Das ist nur eine Steigerung.

Um auf Covid-19 zurückzukommen: Es gibt für Blutgruppe A ein 50 Prozent höheres Risiko, einen schweren Krankheitsverlauf zu haben. Es ist also nicht das zehnfache Risiko, nicht das hundertfache - sondern nur das 1,5-fache Risiko.

Weltweit machen Forscher sehr viele genetische Analysen und schauen, wie sie in Verbindung zueinander stehen. Die Studie aus Kiel habe ich gestern gelesen: Die haben einige Tausend Probanden untersucht. Es ist wichtig, eine große Anzahl von Probanden in die Studie aufzunehmen. Die Ergebnisse machen einen soliden Eindruck. Da war das Risiko in der Tat etwa 1,5-fach erhöht. Da sich die Daten mit denen der chinesischen und amerikanischen Forscher decken, ist sie sehr wahrscheinlich richtig.

Wenn eine Gruppe von Menschen mit derselben Blutgruppe ein höheres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs hat, muss sie dann anders behandelt werden?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist nur ein 1,5-faches Risiko. Wenn das ein zehn- oder hundertfach höheres Risiko wäre, müsste ich mir schon Gedanken machen. Es gibt sehr viele Leute mit Blutgruppe A, die einen vollkommen normalen Verlauf haben.

Was bedeuten die Erkenntnisse für die Suche nach einem Impfstoff?

Einige Impfstoffe sind schon bei Phase 2, also ist die erste klinische Prüfung sicher gewesen. Jetzt geht es um die Effektivität. Ich glaube nicht, dass die Blutgruppe beeinflusst, ob ein Impfstoff gegen Covid-19 effektiv ist. Es wird sicher geschaut, ob die Antwort des Immunsystems stärker oder schwächer bei unterschiedlichen genetischen Eigenschaften ist - nicht nur bei der Blutgruppe.

Das Interview mit Prof. Dr. Hans-Dieter Volk führte Helena Daehler, rbb 88,8.

Sendung: rbb 88,8, 11.06.2020, 06:00 Uhr

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