Labore zu 95 Prozent ausgelastet - Berlin nähert sich bei Corona-Tests der Kapazitätsgrenze

Mi 07.10.20 | 18:59 Uhr
Vor einer Arztpraxis in Berlin-Neukölln stehen Menschen für Corona-Tests Schlange. Quelle: Grit Lieder/rbb
Video: rbb|24 | 07.10.2020 | Bild: Grit Lieder/rbb

Mit dem starken Anstieg der Neuinfektionen gibt es in Berliner Arztpraxen auch einen Ansturm auf Corona-Tests. Vor Teststellen bilden sich lange Schlangen, während die Auslastung der Kapazitäten in den Laboren ein kritisches Maß erreicht. Von Roberto Jurkschat

Angesichts steigender Corona-Tests in Berlin hat die Fachgemeinschaft "Akkreditierte Labore in der Medizin" (ALM) erneut vor einer Überlastung der Testlabore in der Hauptstadt gewarnt. Allein in der Woche bis zum 4. Oktober wurden nach Angaben der Fachgemeinschaft rund 52.500 Proben auf das Coronavirus analysiert. Die Kapazitätsgrenze liegt in Berlin laut ALM-Geschäftsführerin Cornelia Wanke bei 55.080 Tests pro Woche.

"In Berlin liegen die Labore mit den Tests längst wieder im kritischen Bereich", sagt Wanke im Gespräch mit rbb|24. "Die Tests sind ein begrenztes Gut, mit dem wir vor allem denjenigen helfen sollten, die Hilfe auch wirklich benötigen. Derzeit werden aber auch immer wieder Menschen ohne Symptome getestet, das belastet die Labore zusätzlich", so Wanke.

ALM warnt vor Verzögerungen

In der vergangenen Woche waren die verfügbaren Kapazitäten in den Laboren zu 95 Prozent ausgeschöpft, einen ähnlich hohen Stand gab es nur einmal gegen Ende der Sommerferien, als in Berlin viele Reiserückkehrer getestet worden waren. Auch damals mahnte die ALM, die vorhandenen Tests für Patienten mit Symptomen freizuhalten.

"Die Labore arbeiten im Moment am Limit, um die Ergebnisse möglichst schnell zu liefern", sagt Wanke. Sollte die Zahl der eingesendeten Proben in Berlin in den kommenden Wochen weiter zunehmen, drohen laut Wanke erste zeitliche Verzögerungen bei der Ermittlung der Befunde.

Ohne Test keine Übernachtung

Abgesehen von den zuletzt wieder stark gestiegenen Infektionszahlen in Berlin sieht Wanke noch andere Faktoren hinter dem Ansturm auf die Corona-Tests: Die Bezirke Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wurden am 2. Oktober von den Bundesländern Rheinland Pfalz und Schleswig Holstein zu Corona-Risikogebieten erklärt. Am Mittwoch haben die Bundesländer nun ein bundesweites Beherbergungsverbot für Menschen aus Risikogebieten verkündet, das nun bereits für einzelne Berliner Bezirke gilt.

Das bedeutet, dass Berliner bald vielleicht nur noch unter Vorlage negativer Corona-Tests in anderen Städten übernachten dürfen. Als Risikogebiete gelten etwa Kommunen, in denen sich von 100.000 Menschen binnen sieben Tagen mehr als 50 neu infizieren. In der gesamten Hauptstadt stieg der Wert für diese 7-Tage-Inzidenz am Mittwoch auf 47,1. Neukölln meldete sogar einen neuen Höchstwert für Berlin seit Beginn der Pandemie von 95,5.

Nach einem massiven Anstieg der Neuinfektionen in den vergangenen Tagen hatte der Senat am Dienstag unter anderem eine Sperrstunde für Spätis, Kneipen und Restaurants beschlossen.

Vier Stunden Schlangestehen

Eine hohe Nachfrage nach Corona-Tests ist auch in den Berliner Arztpraxen spürbar, die sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) als Corona-Testpraxen angemeldet haben. Die KV Berlin hat eine Liste mit rund 100 Praxen erstellt, in der sich Patienten testen lassen können. Eine Sprecherin des Verbands sagte rbb|24, dass einzelne Praxen wegen großen Andrangs bereits um eine Streichung aus der Liste gebeten hätten. Andere Praxen begrenzen nach rbb-Informationen die Zahl der Patienten oder die Uhrzeiten, zu denen Corona-Tests durchgeführt werden.

Die Arztpraxis von Sibylle Katzenstein in der Bürknerstraße in Neukölln öffnet morgens um 8.30 Uhr. Kurz zuvor reichte die Menschenschlange am Mittwochmorgen 100 Meter weit über den Bürgersteig, fast bis auf den Kottbusser Damm. Manche Patienten berichten rbb|24 später über Wartezeiten von vier Stunden.

Testergebnis nach 48 Stunden

Wie eine Mitarbeiterin der Praxis rbb|24 am Mittwoch sagte, sind hier in den letzten Tagen jeweils rund 300 Menschen auf Corona getestet worden. Wer an der Reihe ist, muss einen Fragebogen ausfüllen, dann wird ein Abstrich aus dem Rachen genommen. Die Patienten erhalten einen Ausdruck mit einem QR-Code, über den sie nach 48 Stunden einen Befund einsehen können, der in einem der Berliner Testlabore ermittelt wird.

Laut einer Mitarbeiterin hat der Andrang in der Praxis in den letzten Tagen noch einmal zugenommen, nachdem Neukölln in zwei Bundesländern zum Risikogebiet erklärt wurde. Einerseits kommen Menschen mit Husten, Fieber und anderen Corona-Symptomen, hieß es. Andererseits bräuchten andere einen negativen Laborbefund nur pro forma, um eine zweiwöchige Quarantäne zu vermeiden – oder weil Arbeitgeber diesen Nachweis forderten.

Ärztekammer spricht von Kosten bis 300 Euro

Diffus ist die Situation derzeit mit Blick auf die Preise für Corona-Tests, die zum Beispiel bei symptomfreien Menschen als Privatleistung abgerechnet werden. Gemäß Gebührenordnung für gesetzlich Versicherte beträgt der Satz 59 Euro. Für Selbstzahler sind Tests mittlerweile bereits ab etwa 100 Euro zu haben. Nach Angaben der Berliner Ärztekammer wurden in der Vergangenheit aber durchaus auch Kosten von 150 bis 300 Euro berechnet - je nach Arzt, Labor, Abrechnungs- und Testart.

Während sich an einigen deutschen Flughäfen in den Corona-Testzentren auch Abreisende kostenpflichtig testen lassen können, so ist das weder in Tegel oder Schönefeld noch am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) oder dem Berliner Hauptbahnhof möglich. Auch deshalb bilden sich an den offiziellen Teststellen der Stadt im Virchow-Klinikum und in den DRK-Kliniken in Berlin-Köpenick, wo durchaus Kontingente für Tests von symptomfreien Probanden eingeplant sind, - ähnlich wie vor vielen Arztpraxen - derzeit lange Schlangen.

Die Labore der ALM hoffen laut Geschäftsführerin Wanke auf eine Entlastung durch die mögliche Einführung sogenannter Antigen-Tests. Die wäre etwa über eine Rechtsverordnung der Bundesregierung denkbar. Der Vorteil daran sei, dass diese Tests nicht ausschließlich in Laboren analysiert werden müssten, sagt Wanke: "Angesichts des Pandemiegeschehens hoffe ich, dass Antigen-Tests bereits in wenigen Wochen vorhanden sein könnten."

Sendung: Abendschau, 07.10.2020, 19.30 Uhr

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