Interview | Labore stoßen an Kapazitätsgrenzen - "Alle machen hier Überstunden"

Di 25.08.20 | 12:59 Uhr
BERLIN, GERMANY - APRIL 27: Health officials, wearing protective gear as a measure against the coronavirus (COVID-19) pandemic, are seen at a testing station, newly built at Festplatz in Wedding borough of Mitte, Berlin, Germany (Quelle: dpa/dpa/Abdulhamid Hosbas)
Audio: Radioeins | 25.08.2020 | Interview mit Michael Müller | Bild: dpa/Abdulhamid Hosbas

Seit gut drei Wochen werden Reiserückkehrer aus Risikogebieten auf Corona getestet. Doch die Labore stoßen an ihre Grenzen. Der Berliner Laborleiter Michael Müller sagt im Interview, warum es wichtig ist, fokussiert zu testen und wann mit Schnelltests zu rechnen ist.

rbb: Herr Müller, wie viele Überstunden machen Sie gerade?

Michael Müller: Alle machen hier Überstunden, und wir achten sehr darauf, dass wir insgesamt die Arbeitszeiten gut einhalten. Aber wegen der besonders hohen Belastung der letzten drei Wochen ist es erforderlich, dass jeder tatsächlich ein bisschen mehr arbeitet als üblich.

Sind Sie also froh, dass die Testpflicht im Herbst wieder abgeschafft wird?

Wir sind sehr froh darüber, dass die nationale Test-Strategie weiter fokussiert wird und die Informationen, die wir gegeben haben, dass die Labore über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus in Anspruch genommen werden, ernst genommen werden. Professor Christian Drosten und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci haben vollkommen recht, wie sie die Lage einschätzen. In Berlin lag die Test-Auslastung in der letzten aktuellen Woche sogar bei 96 Prozent. Es hat also noch mal einen Anstieg der Auslastung gegeben.

Die Politik sagt aber schon lange, wir müssen mehr testen. Warum sind die Labore nach drei Wochen an ihre Grenzen gestoßen? Das hätte die Politik ja vorher auch wissen können.

Na ja, die nationale Test-Strategie auf der Grundlage des Papiers des Bundesgesundheitsministeriums "Testen, testen, testen" hat den wichtigen Zusatz "aber gezielt". Und das heißt, wir wollen breit testen. Wir wollen Infektionen erkennen. Wir wollen Kontaktpersonen erkennen, Ausbrüche rasch und gut managen. Und je breiter wir testen, desto wichtiger ist es zu schauen, welcher Anlass ist der Test, wenn ich in einem Risikogebiet war. Es ist eine gute Idee, Risiko-Rückkehrer generell zu testen. Da kann ich mich fragen, teste ich jeden Reiserückkehrer oder versuche ich auch, dort eine Fokussierung zu machen auf die Reiserückkehrer, bei denen das Risiko möglicherweise höher ist oder weil ein Risikokontakt stattgefunden hat oder weil potenziell Symptome etwa eine Woche nach der Rückkehr auftreten. Da sind wir sehr froh, dass es hier eine Fokussierung und eine Schärfung gibt.

Aber das wäre ein großer organisatorischer Aufwand für die Gesundheitsämter. Sehen Sie das, dass das umgesetzt werden wird, so wie Sie das gerade beschrieben haben?

Ja, wir sehen, dass neben den Gesundheitsämtern auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Anspruch genommen werden. Die Urlaubsrückkehrer können ja auch bis zu 72 Stunden nach der Rückkehr dorthin gehen. Und dort sehen wir auch schon seit einigen Wochen eine sehr deutliche Zunahme. Der Hausarzt oder Facharzt kann auch ganz gut erkennen, ob diese Testung im Sinne von Risiko, im Sinne von Symptomatik, im Sinne von Kontakt tatsächlich sinnvoll ist. So wie das jetzt in vielen Fällen auch schon passiert.

Sie werten vor allem diese PCR-Tests aus, die Rachenabstriche. Was halten Sie von den Schnelltests, die in Deutschland noch nicht zugelassen sind?

Schnell ist relativ, wenn wir meinen, wir wollen die Testmethoden erweitern und ergänzen. Es ist ganz wichtig, dass wir hoffentlich in den nächsten Wochen und Monaten sogenannte Antigen-Tests zur Verfügung haben. Das sind Tests, die auch Virusbestandteile in einem Rachenabstrich untersuchen und hier Proteine und für die diese aufwendige PCR-Methode so nicht notwendig ist. Da gibt es hoffnungsvolle Aussichten, dass die ersten Tests zugelassen werden. Die kann ich dann unterschiedlich einsetzen. Ich kann sie patientennah zum Beispiel beim öffentlichen Gesundheitsdienst einsetzen. Und es wird sie auch für die Labore geben. Das ist eine wichtige Ergänzung, auf die wir dringend warten, um auch die PCR-Kapazitäten ein bisschen zu entlasten.

Wann wird es diese Schnelltest geben?

Wir hoffen, dass es dieses Tests bis zum Ende des vierten Quartals, also zum Ende des Jahres, geben wird. Und das wird dann für die Teststrategie und für die Testung insgesamt gut sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Michael Müller führten Kerstin Hermes und Julia Menger, Radioeins.

Der Text ist eine redaktionell bearbeitete und leicht gekürzte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 25.08.2020, 07:10 Uhr

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