Weniger Fahrten wegen Corona - Fahrdienst für Menschen mit Behinderung in Not

Fr 13.11.20 | 20:00 Uhr | Von Tobias Schmutzler und Birgit Raddatz
Fahrdienst für Menschen mit Behinderung in Not (Quelle: rbb/Tobias Schmutzler)
Video: Abendschau | 13.11.2020 | Bild: rbb/Tobias Schmutzler

Menschen, die im Rollstuhl sitzen, kommen mit Bus und Bahn oft schwer voran. Deshalb git es in Berlin den Sonderfahrdienst. Bei dem fallen wegen Corona jetzt aber viele Fahrten aus. Betroffene und Betreiber fürchten, dass es diesen Dienst bald nicht mehr geben könnte. Von Tobias Schmutzler und Birgit Raddatz

"Einmal Hochparterre", scherzt Sonderfahrdienstfahrer Thilo Frommann mit seinem Fahrgast. Das ist heute Dominik Peter. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Vor Corona hat er sich bis zu drei Mal pro Woche vom Sonderfahrdienst (SFD) zu Hause abholen lassen. Über eine Hebebühne geht es in das geräumige Auto. Peter, der auch Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands ist, weiß, dass der Fahrdienst für einige oft die einzige Möglichkeit ist, sich fortzubewegen. "Es gibt viele, die kommen nicht einmal zu ihrer Bushaltestelle oder ihnen muss bei Stufen geholfen werden. Der ÖPNV würde ihnen nichts nützen." Der Fahrdienst bietet auch einen Treppenservice an.

Fahrdienst für Menschen mit Behinderung in Not (Quelle: rbb/Tobias Schmutzler)
Bild: rbb/Tobias Schmutzler

Wegen Corona stehen viele Fahrzeuge still

Der Fahrdienst darf nur für private Fahrten genutzt werden und nur für Strecken, die nicht weiter als fünf Kilometer vom Berliner Stadtgebiet entfernt sind. 2,05 Euro zahlt jeder und jede pro Fahrt, der Rest wird vom Land bezuschusst. Durch die Coronapandemie bleiben die Menschen jetzt aber häufiger zu Hause und viele der Fahrten fallen weg, sagt der Regieleiter beim Sonderfahrdienst, Michael Hübner. Von vorher 400 Aufträgen pro Tag seien es jetzt nur noch 100. In der Hochphase der Pandemie im März waren es sogar nur 20.

Das Problem: Der SFD arbeitet vor allem mit Subunternehmern, und deren Fahrzeuge stehen ohne Aufträge still. Das war auch schon im Frühjahr so, deshalb beschloss der Senat, jede Fahrt von Juli bis Dezember mit noch einmal zusätzlich fünf Euro zu bezuschussen. Zwar ist damit die Zentrale des SFD weitgehend gesichert, für die Subunternehmer ist die Lage aber weiterhin ernst, sagt Fuhrunternehmer Uwe Schütz. Er übernimmt fast 40 Prozent der Fahrten für den SFD. Seit dem Frühjahr hat er schon einige Ersatzfahrzeuge verkaufen müssen. "Wir haben unsere Kreditmöglichkeiten ausgeschöpft und hoffen, dass wir den Fahrdienst überhaupt weiter betreiben können. Wer Inklusion möglich machen will, darf den Fahrdienst nicht austrocknen."

Fahrdienst für Menschen mit Behinderung in Not (Quelle: rbb/Tobias Schmutzler)
Bild: rbb/Tobias Schmutzler

Einigung in Sicht?

Die SPD habe schon im August einen Vorschlag erarbeitet, jede Fahrt mit 15 statt mit fünf Euro zu bezuschussen, sagt Lars Düsterhöft, Sprecher für Menschen mit Behinderung. Das Geld sei da, denn im Haushalt sind für den SFD so oder so gut sieben Millionen Euro veranschlagt. Die Sozialverwaltung möchte jedoch einen anderen Weg gehen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) sagte in dieser Woche dem rbb, sie wolle, dass den Betreibern 75 Prozent ihres Auftragsvolumens erstattet werden. "Wir haben dafür Geld locker gemacht, das ginge tatsächlich auch von jetzt auf gleich." Jedoch muss die Finanzverwaltung dem noch zustimmen.

Die Voraussetzung ist eine neue Einstufung. Der Sonderfahrdienst würde dann nicht nur reine Freizeitfahrten anbieten, sondern auch zum Beispiel Fahrten zum Arzt, sagte Breitenbach dem rbb. "Mich ärgert, dass offenbar erst jetzt im November eine Lösung gefunden wurde", kritisiert Düsterhöft.

Hübner und den Subunternehmern ist es vermutlich letztlich egal, wo das Geld herkommt. Sie hoffen, dass schnell eine Lösung gefunden wird. Diejenigen, die den Fahrdienst nutzen, haben vor allem Angst, isoliert zu werden, sagt Verbandschef Dominik Peter. "Tausende Menschen mit Behinderung sind auf den Sonderfahrdienst angewiesen, weil sie sonst einfach allein zu Hause sind."

Sendung: Abendschau, 13.11.2020, 19:30 Uhr

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Beitrag von Tobias Schmutzler und Birgit Raddatz

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