Scharfe Kritik an politischem Druck - Stiko plant vorerst keine neue Empfehlung für Kinderimpfungen

Fr 30.07.21 | 15:36 Uhr
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Symbolbild: Ein Kinder- und Jugendarzt impft am 09.06.2021 eine junge Frau mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
dpa/Fabian Sommer
Audio: Inforadio | 30.07.2021 | Interview mit Martin Terhardt | Bild: dpa/Fabian Sommer

Sollten Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gegen Corona geimpft werden? Während Politiker und Immunologen das fordern, bleibt die Stiko bei ihrer eingeschränkten Empfehlung. Stiko-Mitglied Martin Terhardt ist empört über den öffentlichen Druck.

Ungeachtet des massiven Drängens führender Politikerinnen und Politiker plant die Ständige Impfkommission (Stiko) vorerst keine neue Empfehlung zu Corona-Schutzimpfungen für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Solche Forderungen empörten ihn, sagte Kommissionsmitglied Martin Terhardt am Freitag dem rbb. Eine neue Stiko-Empfehlung dazu werde es erst in einigen Wochen geben.

Bisher sei die Datenlage noch nicht ausreichend, um eine Corona-Schutzimpfung für die 12- bis 16-Jährigen allgemein zu empfehlen, bekräftigte Terhardt die bisherige Haltung der Kommission. Diese rät zu Impfungen von Jugendlichen und älteren Kindern bislang nur in Risikofällen. Ansonsten solle individuell nach ärztlicher Beratung entschieden werden.

Covid für Kinder "relativ harmlos"

"Wir sind schon einiges gewöhnt in den letzten Wochen, dass die Politiker auf der Stiko herumschlagen, weil sie das Gefühl haben, sie würde nicht vernünftig oder nicht professionell arbeiten", sagte Terhardt im rbb-Inforadio. "Das erzürnt uns, das empört uns, das entwertet uns und das schadet dem Vertrauen der Ständigen Impfkommission, und das finde ich einen groben Fehler", kritisierte er.

Auch der Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, verteidigte die Position der Stiko im rbb. Die Kommission arbeite sehr gründlich und werte eine enorme Menge an Daten in sehr kurzer Zeit aus, sagte er am Freitag. Wenn sie ihre Einschätzung zu Kinder-Impfungen in Zukunft womöglich ändere, könne man sicher sein, dass die Impfung den Impflingen nicht mehr Schaden zufüge als die Krankheit selbst.

"Man muss einfach sagen, dass die Erkrankung Covid für Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen relativ harmlos ist", sagte Maske. "Wir sehen durch die Maßnahmen, die durch Covid ergriffen wurden, also die ganzen Lockdown-Maßnahmen, bei den Kindern und Jugendlichen mehr Schäden als durch die Erkrankung selbst."

Schäuble fordert Impfempfehlung von der Stiko

In den vergangenen Wochen hatten sich wiederholt führende Politikerinnen und Politiker - neben den Landeschefs Müller und Woidke zuletzt auch die Brandenburger Bildungsministerin Ernst - trotz der zurückhaltenden Linie der Stiko für die Impfung von älteren Kindern und Jugendlichen ausgesprochen. Kürzlich hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Impfstoffe erst von Biontech/Pfizer und anschließend auch von Moderna für diese Altersgruppe ausdrücklich zugelassen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußerte die Hoffnung auf eine hohe Impfbereitschaft bei Jugendlichen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) forderte die Stiko in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Freitag ausdrücklich auf, ihre Impfempfehlung entsprechend zu ändern und den EU-Empfehlungen zu folgen. Inzwischen sprach auch die Sächsische Impfkommission eine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren aus, da der Nutzen das Risiko überwiege.

Sendung: Inforadio, Interview mit Stiko-Mitglied Martin Terhardt, 30.07.2021, 12:25 Uhr

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49 Kommentare

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  1. 49.

    Genau so wie die Politik versucht auf die unabhängige Stiko Druck auszuüben, hat sie auf die Impfstoffhersteller Druck ausgeübt die Impfstoffe schnellstens und weniger geprüft und getestet auf den Markt zu bringen. Auf das Volk wird auf gleiche Weise von der Politik belehrender Druck aufgebaut, sich schnellstens impfen zu lassen. Was steckt eigentlich hinter diesen unablässigen politischen Druck. Wissen die höchsten Politiker unseres Landes mehr über den Ursprung des Coronavirus und sagen es dem Volk einfach nicht? Könnte der Ursprung in der westlichen Welt liegen? Ist es ein Laborunfall oder sogar Biokampfstoff? Die Vehemenz und Alternativlosigkeit der politischen Impfdiskussion wirft doch einige Fragen auf. Besonders in den USA, Frankreich und Deutschland scheinen sich die politischen Vorstellungen nicht schnell genug umzusetzen.

  2. 48.

    Die Stiko ist eine Berliner Behörde.

  3. 47.

    Und das ist auch gut so! Wenn wir jetzt nur noch von Politik beeinflusste Entscheidungen erwarten könnten, dann kann die STIKO den Laden auch dicht machen. Ich weiß gar nicht was das Theater soll. Demokratisch ist so ein Verhalten nicht, wenn auf nicht erwünschte Entscheidungen ständig in der Öffentlichkeit druck ausgeübt wird, oder die Bürger entgegen der Empfehlung von der STIKO überredet werden das Gegenteil zu denken. Einfach mal die Füße still halten und den Impfstoff anbieten, immer wieder anbieten, ohne Zwang.

  4. 46.

    Dass die Schulen geschlossen werden, lässt sich eigentlich nicht mit Coronainfektionen begründen. Die vielzitierten Inzidenzzahlen gingen Ende Nov/Anfang Dezember in Berlin zurück, die Schulen wurden Mitte Dezember geschlossen. Und die Zahlen stiegen, nachdem die Schulen 4 Wochen wegen der Ferien zu waren, also weit nach einer möglichen Inkubationszeit.
    Also was wird passieren? Vielleicht zur Abwechslung mal Unterricht?!

  5. 43.

    Zum Verhalten der STIKO beim Impfstoff von AstraZeneca möchte ich folgendes ergänzen: Weil der Impfstoff zunächst nur an wenigen älteren Menschen getestet worden war, wurde er zunächst nur an jüngere verimpft. Als dann bei jüngeren Frauen vereinzelt Hirnvenenthrombosen auftraten, wurde die jüngere Generation vorerst nicht mehr mit diesem Impfstoff geimpft. Zwischenzeitlich war die Impfkapagne in Großbritannien jedoch schon weit fortgeschritten und es lagen dann auch Erfahrungen mit dem Impfstoff bei älteren Menschen vor. Aufgrund dieser Datenlage wurde der Impfstoff für die Ü-60-jährigen freigegeben. Ebenso konnte sich jeder nach ärztlicher Beratung auch mit dem Impfstoff von AstraZeneca impfen lassen. Meiner Ansicht nach hat die STIKO auch hier richtig entschieden.
    Die Hirnvenenthrombosen traten übrigens seltener auf als die Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei den Schülern ab 12 Jahren.

  6. 42.

    Oha, wie kann sich nur eine "Ostbehörde" so etwas wagen?
    Gehts noch?

  7. 41.

    Die heißt Siko und nicht Stiko. Ist mir allerdings ein Rätsel wie eine Ostbehörde über einer RKI Institution hinwegsetzen kann. Aber wenn Sie eine Legitimation benötigen: Gute Reise

  8. 40.

    Wenn ausreichendes Wissen vorliegt? Denken wir an Astra zurück, da hatte die Stiko im wöchentlichen Wechsel ein anderes Wissen über diesen Impfstoff. Die Empfehlungen wurden wurden ständig geändert!

  9. 39.

    Und genau das wird sie ganz sicher nicht!
    Die Stiko ist noch eine von wenigen freien und unabhängigen Gesellschaften, die erst dann ihre Empfehlung pro abgibt, wenn ausreichendes Wissen dafür vorliegt.
    Das kann vlt schon bald sein, keine Frage. Es gibt ja genügend Eltern, die ihre Kinder impfen lassen. Doch auch dann wird ihre Empfehlung eingeschränkt bleiben, weil der Stiko die Risikosparte eventueller Spätschäden logischerweise noch fehlt.

    Vielen Dank Herr Gerhardt für Ihr emotionales Statement. Das war wichtig!

  10. 38.

    Für manche scheinen die eigenen Kinder echt eine Last zu sein. Die Verantwortung tragen nunmal die Eltern. Die Stiko gibt nur eine Empfehlung heraus. Besprecht das mit den Kinderärzten. Aber die empfehlen auch nur. Letztendlich entscheiden die Eltern. Das nennt sich Verantwortung. Die wollen einige offenbar gerne abschieben.

  11. 37.

    Der Artikel fasst es sehr schön zusammen:

    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/124620/COVID-19-Impfung-fuer-Kinder-Wie-Laender-bei-gleicher-Evidenz-zu-unterschiedlichen-Empfehlungen-kommen

  12. 36.

    Genau. Und diese nachzuliefernden Studien lasst ihr an euren Kindern machen?

  13. 35.

    Ja, das stimmt, aber wie lange noch? Wenn man sich, wie gefordert, bei/für Veranstaltungen oder im Restaurant als Ungeimpfter nicht mehr "freitesten" kann, wie sieht das in Kürze mit den Kindern aus? Haben die dann Schulverbot?

    Da alles immer ansteckender, tödlicher und gefährlicher wird, werden auch die Rufe nach härteren Maßnahmen gegen die ach so asozialen Ablehner des Impfangebotes immer lauter.

    Es wurde auch immernoch von keinem hier beantwortet, warum Kinder mit sehr sehr geringem Risiko geimpft werden müssen, wenn sich die Erwachsenen schützen konnten, die das wollten.

  14. 34.

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
    Ich werde meine Tochter nicht impfen lassen. Getestet wird jede Woche montags und Freitags.
    Wir selbst sind durchgeimpft, alle in der Familie, inkl Tanten, omas, uromas.

    Einer aus der Klasse wurde geimpft mit erheblichen Nebenwirkungen .

  15. 33.

    Nicht um die Erwachsenen zu schützen, damit Sie wieder normal zur Schule gehen können! Was glauben Sie eigentlich was in den Schulen passieren wird wenn alle Kinder wieder am Unterricht teilnehmen? Die Schließung von Schulen ist doch jetzt schon sicher, aber spätestens dann wird die Stiko ihre Empfehlung aussprechen!

  16. 32.

    Es gibt doch kein ImpfVERBOT ausserhalb Sachsens für Kinder ab 12 J.. Nur keine Empfehlung seitens der STIKO.

  17. 31.

    Es ist KEINE Notfallzulassung und auch keine befristete Zulassung in Europa durch die EMA erfolgt.

    Bei einer bedingten Zulassung (welche hier vorliegt) müssen im ersten Jahr noch Studienergebnisse nachgeliefert werden (Die aufgrund der Kürze der Zulassung noch nicht vorliegen können) und dann geht die bedingte Zulassung in eine reguläre Zulassung über.

    Erst informieren und dann polemisch werden.

  18. 30.

    Mann Leute.... Auch wenn die Stiko die Impfung empfiehlt könnt ihr immer noch alleine Entscheiden ob Ihr eure Kinder impfen lasst oder nicht.... Eine Empfehlung ist KEINE Impfpflicht....

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