Geplante Biontech-Begrenzung - Berlin und Brandenburg befürchten Rückschlag für Impfkampagne

So 21.11.21 | 22:05 Uhr
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Symbolbild: Eine Schale mit vorbereiteten Impfspritzen für Auffrischungsimpfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer sind im Corona-Impfzentrum. (Quelle: dpa/C. Charisius)
Video: rbb|24 | 21.11.2021 | Material: Abendschau | Bild: dpa/C. Charisius

Weniger Biontech, mehr Moderna: Mit Blick auf die Lagerbestände will Bundesgesundheitsminister Spahn den Impfstoff kontingentieren. Brandenburg und Berlin kritisieren den Vorstoß scharf und warnen vor einem geringeren Impftempo.

Berlin und Brandenburg haben die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte Begrenzung des Biontech-Impfstoffes scharf kritisiert.

"Jetzt, wo die Impfkampagne erfreulich anzieht, wo die Arztpraxen für die nächste Woche Rekordbestellungen nach Impfstoff haben, hat Spahn ein Kommunikations-Desaster angerichtet, das geeignet ist, die Beschleunigung der Impfkampagne zu gefährden", sagte der Sprecher des brandenburgischen Gesundheitsministeriums, Gabriel Hesse, am Sonntag.

Hesse: Spahns Pläne führen zu großer Verunsicherung

In der vergangenen Woche sei mehr als 63.000 Mal geimpft worden, sagte Hesse weiter. Zum Vergleich: In der Vorwoche waren es 41.000 Impfungen. Die rot-schwarz-grüne Landesregierung will die Zahl auf 160.000 pro Woche steigern - mit Hilfe der Ärzte, aber auch mit 100 neuen Impfstellen in Kommunen.

Doch Spahns Pläne führten zu einer großen Verunsicherung, so der Ministeriumssprecher. Im rbb kündigte Hesse an, dass über die Probleme am Montag bei einer Sondersitzung der Gesundheitsminister gesprochen werden soll.

Berliner Staatssekretär: nicht genug Impfstoff bestellt

Die angekündigte Begrenzung des Corona-Impstoffs von Biontech könnte auch in den Berliner Impfzentren zu Problemen führen. Der Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) sagte dem rbb, die Pläne des Bundesgesundheitsministers seien "eine Katastrophe in mehrfacher Hinsicht." Er betonte, dass nach den Erstimpfungen mit Biontech nicht einmal die geplanten Zweitimpfungen durchgeführt werden könnten, sollten Spahns Pläne tatsächlich umgesetzt werden.

Die Ankündigung für eine Obergrenze des Biontech-Impfstoffes zeige vielmehr, dass das Bundesgesundheitsministerium nicht genügend Impfstoff bestellt habe, so der Staatssekretär. "Jetzt wird noch versucht, zusätzlichen Impfstoff heranzuschaffen. Und bis dahin wird rationiert. Und dann wird noch suggeriert, Moderna sei ein Restposten, ein Impfstoff zweiter Klasse." Dabei zeige gerade eine Drittimpfung mit Moderna eine sehr hohe Wirksamkeit.

30 Dosen Biontech pro Praxis

Das Bundesgesundheitsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den Impfstoff von Biontech/Pfizer angekündigt, damit das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen vermehrt zum Einsatz kommt. Andernfalls drohten eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 zu verfallen, was vermieden werden müsse.

Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1.020 Dosen. Für Bestellungen von Moderna soll es keine Höchstgrenzen geben.

Spahn: "Das hätten wir klarer kommunizieren müssen"

Noch am Sonntagabend betonte Spahn jedoch, dass eine Rücknahme der viel kritisierten Bestellobergrenzen für Biontech-Impfstoff nicht möglich sei. "Ich kann's deswegen nicht zurückziehen, weil es einfach 'ne Frage der verfügbaren Menge ist", sagte der CDU-Politiker in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist."

Die Nachfrage sei wahnsinnig gestiegen in den letzten zwei Wochen, "wir werden allein ab morgen sechs Millionen Biontech-Dosen ausliefern", sagte Spahn. Durch diese massive Nachfrage laufe "unser Biontech-Lager gerade leer".

Spahn fügte in der Sendung hinzu: "Und es ist einfach so, dass ich im Moment (...) - also ab übernächster Woche, wenn jetzt die große Lieferung war - nicht mehr als zwei bis drei Millionen Impfdosen Biontech zur Verfügung habe." Er räumte ein: "Das hätten wir noch klarer kommunizieren müssen."

Hausärzteverbands Berlin-Brandenburg spricht von "Super-Gau"

Zuvor kritsierten auch verschiedene Ärzteverbände Spahns Vorstoß. Wolfgang Kreischer, Verbandschef des Hausärzteverbands Berlin-Brandenburg, sagte dem rbb am Sonntag, dies sei der "Super-Gau" für die Impfkampagne in der Region.

Viele Patienten seien auf den Biontech-Impfstoff fixiert und lehnten andere Vakzine wie Moderna ab. Diese Menschen müssten nun von den ohnehin schon stark belasteten Mitarbeitern in den Praxen zeitaufwändig überzeugt werden. Das Personal sei am Limit, es habe schon Kündigungen gegeben.

Kreischer: Ärzte werden aufs Impfen verzichten

Der Regierung sei offenbar nicht klar, dass unter diesen Umständen viele niedergelassene Ärzte künftig auf das Impfen verzichten werden. Diese Tendenz sei schon jetzt erkennbar: Von ehemals 3.000 Berliner Praxen impfen laut Kreischer jetzt nur noch 2.000.

Der Hausärzteverband Brandenburg sieht auch praktische Probleme bei der Umsetzung von Spahns Plänen. Verbandschefin Karin Harre sagte am Sonntag im rbb, beim Biontech-Impfstoff gebe es immer nur kleine Fläschchen mit sechs Impfdosen. Bei Moderna seien es aber immer 20 Dosen pro Flasche. Die Hausärzte müssten, so Harre weiter, dann deutlich mehr Menschen gleichzeitig in die Praxen bestellen. Das sei in einer Arztpraxis nicht zu machen.

Kritik auch von Kassenärzten

Kritik an Spahns Plänen gibt es auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen in Berlin und Brandenburg. KVBB-Vizechef Holger Rostek sagte am Sonntag im rbb, es werde wohl zu vielen Rückfragen seitens der Patienten oder sogar zu Absagen kommen. "Moderna ist gut, aber viele werden Fragen haben, ob das von den Zeitabläufen passt", so Rostek.

"Von daher hält jede Minute, die der Arzt sinnvoller Weise mit seinem Patienten spricht, um ihn aufzuklären, ihn davon ab, weitere Impfungen durchzuführen." Damit werde das Impftempo, worauf man sich eigentlich beim Impfgipfel am Freitag verständigt hatte, ausgebremst.

"Massive organisatorische Komplikationen"

Der Berliner KV-Vorstandschef Burkhard Ruppert erwartet nach Angaben vom Sonntag "massive organisatorische Komplikationen in den Praxen, Terminverschiebungen und hohen Beratungsbedarf bei den Patienten, wenn nicht wie geplant Biontech, sondern Moderna verimpft werden muss. So wird die ohnehin schon schwierige Impfsituation weiter erschwert." Die KV fordere "klar und eindeutig", die Impfstoffe zu liefern, die in den Praxen bestellt wurden.

Aus Sicht von Christiane Wessel, Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Berlin, wird die mit viel Aufwand wieder hochgefahrene Impfkampagne in der Praxis so nicht mehr möglich sein. Bei den Anmeldungen über Onlinesysteme lasse sich die Impfhistorie für den
richtigen Impfstoff nicht nachvollziehen. "Das heißt, hinterher telefonieren, was kostbare Zeit raubt."

Spahn: Beide Impfstoffe sicher und genug vorhanden

Spahn hatte einen möglichen Mehraufwand bedauert. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er am Samstag: "Ich weiß, dass diese kurzfristige Umstellung für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort in den Arztpraxen und Impfzentren viel zusätzlichen Stress bedeutet. Und das bedauere ich ausdrücklich."

Das Gesundheitsministerium unterstrich hingegen, es sei genug Impfstoff da, nämlich rund 24 Millionen Dosen Biontech und 26 Millionen Dosen Moderna. Beide Impfstoffe seien sicher, wirksam und gleich gut für Auffrischungsimpfungen, betonte das Ministerium. Es gibt auch Studien, die ein Boostern mit dem jeweils anderen Vakzin als wirkungsvoller nahelegen.

Sendung: Inforadio, 21.11.2021, 06:00 Uhr

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220 Kommentare

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  1. 220.

    Sie haben Recht, Herr Meister ! Ich gebe mich geschlagen :-)
    Gute Nacht

  2. 219.

    Spahn hat mit der überfälligen Aufhebung der Ü70-Regel eine gute Figur gemacht und sich einen würdevollen Abschied vorbereitet. Jetzt gibt es Anlass zur Kritik. In "kleinkrämerischer Absicht" werden die Ladenhüter nach vorne ins Regal geräumt, auf Augenhöhe wie im Supermarkt üblich, und angepriesen. Da man keine wirtschaftlichen Anreize (Rabatte o.a.) geben kann wird das Machtmonopol des Staates benutzt, oder sollte man besser sagen missbraucht?

    Es gab schon mit den damaligen Regelungen für AZ das gleiche. Keiner wollte ihn , U.v.L. gab bekannt keinen mehr zu kaufen, und in Deutschland wurde er (nötigend) den vulnerablen Gruppen der Ü60 verordnet.

    Wieso nimmt man nicht ein oder zwei BW-Transporter, packt das ganze Zeug in Kühlcontainer und fliegt es als Spende irgendwo hin? Von mir aus in den Nahen Osten, unter der Maßgabe, dass die ihre restlichen gestrandeten Urlauber aus Belarus abholen.

  3. 218.

    Schon allein diese Antwort ist Beleg. Hier sind viele, die Äpfel und Birnen nicht auseinander halten können. Wenn es aber soweit geht, dass mehrmals völlig ohne Bezug agiert wird (#166 und #181)und das dabei Aussagen und Sachverhalte umgekehrt werden, ist das bedenklich.

  4. 217.

    Dafür wurde er doch von Ur-"es soll alles bleiben wie es ist"-Deutschen gewählt.

    Wer nix macht, macht nix falsch.

  5. 216.

    es nicht mehr, erst einmal muss Moderna weg weil es bald abläuft.

    Genau sooooo überzeugt man Menschen die noch unentschlossen sind und sich vielleicht gerade dazu durchringen wollten, wieder mal ein klasse Leistung von einem absolut unfähigem Gesundheitsminister, bin sowas von froh das der bald weg ist, dann kann er sich ja impfen lassen wo und von wem er will...

  6. 215.

    Impfgegner leben in ihrer eigenen Welt oder?

    Der Impfstoff von Biontech wurde Milliardenfach seit 1 Jahr verimpft und ist noch nicht ausreichend getestet?

    YMMD, sie müssten ihre Ironie besser Kennzeichnen...

    Es hat nie jemand eine sterile Immunität behauptet, trotzdem behaupten Impfgegner die ganze Zeit der Impfstoff hält nicht was versprochen war....zuviel Facebook News geschaut?

  7. 214.

    Ja, gegen Coronaviren gibt es keinen lebenslangen und sterilen Schutz, wie beispielsweise gegen Masern. Dabei ist es völlig unerheblich ob die Immunisierung durch Infektion oder Impfung erreicht wird.
    Das heißt auch Genesene müssen ihre Immunität regelmäßig neu erwerben.
    Was für die älteren Impfgegner bedeutet, dass nach jedem Zyklus das Überleben neu ausgewürfelt wird und mathematisch heißt, dass die Chance zu sterben mit jedem Spiel steigt.

  8. 213.

    " 100% Sicherheit gibt es in der Biologie nirgends "

    doch , die gibt es , nämlich dass die belebten Materie, die Lebewesen, füher oder später ihr Leben beenden , ungeachtet äußerer Einflüsse

  9. 212.

    Ich verstehe Sie nicht, was drücke ich denn nicht verständlich aus, sagen Die es mir und ich erkläre es Ihnen gerne !

  10. 211.

    " Wo ist der eigentlich? "

    ja wo ? der will keinesfalls was Falsches sagen , also sagt er lieber gar nichts , ähnlich wie Merkel - abwarten

  11. 209.

    Nein. Wäre verfassungsgemäß. Wurde in den 50er Jahren ausdiskutiert. Auch höchstrichterlich.

  12. 208.

    Falls Sie auf die Masern Impflicht anspielen diese gildet nur für bestimmte Personengruppen keinesfalls "allgemein"

  13. 207.

    Jetzt ist es an der Zeit, daß sich A.M. auf ihre alten Tage an ihren Amsteid erinnert und Jens Spahn sofort aus dem Spiel nimmt, auch wenn es kurz vor Toresschluß ist.

  14. 206.

    Interessanter Gedanke, da der Genesenen-Status nur ein halbes Jahr gültig ist, wird man ja dafür einen Grund haben.
    Sollte es sein, das auch hier die Antikörper nach und nach abnehmen, dann liegt der Wirkungsverlust der Impfung ja gar nicht am Impfstoff, sondern in der Natur der Sache ?
    Denn dem Körper ist es doch egal, ob er auf echte Viren oder den Impfstoff reagiert und Antikörper bildet ?
    weiß da Jemand was drüber ?

  15. 205.

    "Wieso nicht? Bei Kinderkrankheiten ist sie das doch schließlich auch …?"

    Sie sind einem Irrtum aufgeseessen.
    Es gibt KEINE Allgemeine (!) Impfflicht für die Masern, nur für bestimmte Einrichtungen.
    Und es gibt dort auch keinen Impfzang sondern nur eine Nachweispflicht und falls dieser fehlt , möglicherweise ein Bußgeld:

    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht/faq-masernschutzgesetz.html

    Es liegt im Ermessen der zuständigen Behörde, ob sie ein Bußgeld verhängt.
    Das Bußgeld kann in der Regel nur einmal verhängt werden.
    Neben oder alternativ zum Bußgeld kann auch ein Zwangsgeld in Betracht kommen. Insofern ist auch nach einer Bußgeldzahlung noch ein Druckmittel vorhanden.
    Eine Zwangsimpfung kommt in keinem Fall in Betracht.

  16. 204.

    Steffen, 100% Sicherheit gibt es in der Biologie nirgends, es wird auch immer ein paar Menschen geben, die trotz Impfung keine Antikörper bilden können, zum Beispiel denke ich an die Leute, die ihr Leben lang mit Immunsuppressiva behandelt werden, einige, nicht alle, dieser Medikamente greifen dort ein, wo auch der Impfstoff wirkt und behindert die Antikörperbildung.
    Aber im Prinzip haben Sie schon Recht, die Seuche ist dann eine ganz normale Infektionskrankheit, hat den Schrecken verloren, wenn alle geimpft sind, da bin ich fest von überzeugt.

  17. 203.

    Es gab hier interessante Diskussionen zu Gibraltar. 100% Quote, hohe Inzidenz, aber keine Fälle auf der Intensiv.
    https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2021/11/medizinhistoriker-ethiker-florian-steger-pandemie-impfpflicht-ddr-brd-demokratie-freiheit.html

    "Gibraltar beweist mit seinen aktuellen Zahlen, was Studien schon länger belegt haben: Auch Geimpfte können sich anstecken und andere infizieren. Schwere Krankheitsverläufe bleiben jedoch selten, eine Überlastung des Gesundheitswesens droht kaum." [Spiegel Ausland]
    https://www.spiegel.de/ausland/gibraltar-corona-neuinfektionen-trotz-hoher-impfquote-woran-das-liegt-a-60756224-0f37-4edd-912c-32d9fe3ba43a

  18. 202.

    Genau. Ich hatte mir schon eine Meinung gebildet und im #174 mitgeteilt. hat vermutlich nischt genutzt.
    Überlegen sie sich doch erstmal, was sie eigentlich ausdrücken wollen. Alles andere stört.

  19. 201.

    „Eine allgemeine Impfpflicht wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nicht verfassungsgemäß.“

    Wieso nicht? Bei Kinderkrankheiten ist sie das doch schließlich auch …?


    „Selbst bei einer 100%igen Impfquote wird es weiterhin Infektionen, Erkrankungen und Tote geben.“

    In dem Fall wäre ich mir nicht sicher, dass das Virus sich nicht doch irgendwann „totlaufen“ würde … Ist das eine reine Vermutung Ihrerseits, oder wissen Sie da Näheres?

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