Berliner Bundestagsabgeordnete uneinig - Corona-Impfpflicht? "Keine Hektik"

Mi 12.01.22 | 07:15 Uhr | Von Angela Ulrich
Eine Person wird geimpft. (Quelle: dpa/Daniel Bockwoldt)
Audio: Inforadio | 12.01.2022 | Angela Ulrich | Bild: dpa/Daniel Bockwoldt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hätte gern schon im Frühjahr eine allgemeine Impfpflicht gesehen. So schnell wird es nicht gehen. Am Mittwoch ist die Pflichtimpfung Thema im Bundestag. Die Meinungen dazu gehen auch innerhalb der Parteien weit auseinander. Von Angela Ulrich

Seit Michael Müller im Bundestags sitzt, hat Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister gefühlt ein deutlich kleineres Büro. Manche Kisten sind noch verpackt, einige Kaffeebecher mit Müllers Konterfei stehen im Regal. Was geblieben ist: Weiterhin findet der SPD-Politiker deutliche Worte.

"Ich halte nach wie vor eine Impfpflicht für ein wichtiges Instrument, um endlich das Hin und Her in der Corona-Bekämpfung beenden zu können." Sie sei ein entscheidender Schritt nach vorn, sagt er. "Je schneller wir zu einem Ergebnis kommen, umso besser!" Auf ein paar Tage komme es zwar nicht an. Müller wünscht sich allerdings, dass es schnell zu einer Abstimmung kommt.

Gewissensentscheidung der Abgeordneten

Wie diese Abstimmung ausgehen wird, ist derzeit offen. Sowohl in den Regierungsparteien, als auch in der Opposition gibt es Befürworter und Gegner einer Impfpflicht. Deswegen soll bei der Abstimmung über sie der Fraktionszwang aufgehoben werden. Die Abgeordneten sollen nach ihrem Gewissen entscheiden. Auch unter den Parlamentariern aus Berlin gibt es ein breites Spektrum an Meinungen zu dem Thema. Am Mittwoch haben sie die Möglichkeit, Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) zu dem Thema zu befragen.

Scholz hatte sich im November weit vorgewagt. Eine Impfpflicht ab Mitte Februar oder Mitte März sei "wünschenswert". Inzwischen räumt aber auch der Kanzler ein, dass der Bundestag noch eine ganze Menge Zeit zum Reden braucht. Eine ersten Orientierungsdebatte ist für Ende Januar geplant. Ob es im Februar zusätzlich zur einzigen bisher geplanten Sitzungswoche eine weitere Präsenzsitzung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier geben wird, ist noch nicht entschieden. Auch der Bundesrat müsste sich mit dem Thema befassen. Aber auch für das Ländergremium sind Sondersitzungen möglich, wenn es schnell gehen soll.

CDU-Abgeordneter Heilmann will Impfregister

Thomas Heilmann, der für die CDU im Bundestag sitzt, hält die Frage für absolut dringend und relevant. "Aus meiner Sicht sollten wir auch eine Sondersitzung noch im Januar machen, und sagen: Wir fangen jetzt mal an, das Impfregister auf den Weg zu bringen." Ein Register sei wichtig, damit zum Beispiel die Polizei überprüfen kann, ob jemand geimpft ist. Geimpfte müssten deswegen erfasst werden. Erst dann könne über eine allgemeine Pflicht zum Impfen entschieden werden. Datenschutzrechtliche Bedenken sieht Heilmann nicht. Wer eine Impfpflicht durchsetzen wolle, der könne ja wohl an einem Register dazu nicht scheitern, findet er.

Auch Daniela Kluckert von der FDP sieht die mangelhafte Datenlage kritisch: "Wir wissen überhaupt nicht, wer geimpft ist und wer nicht geimpft ist." Das liege auch an einer fehlenden digitalen Erfassung. "Ich glaube, man sollte nicht Regeln erlassen als Gesellschaft, als Staat, die dann tatsächlich nicht kontrollierbar sind", sagt sie. Die Berliner FDP-Politikerin ist generell gegen eine Pflicht zum Impfen, wirbt aber für den freiwilligen Pieks und will näher ran an die Leute. "Impfbusse an jeder Ecke, noch mehr Ansprache, die Möglichkeiten zur Familienimpfung."

Für die AfD ist eine allgemeine Impfpflicht indiskutabel. "Eine Impfpflicht lehnen wir ab", sagt Beatrix von Storch, Vizefraktionsvorsitzende der AfD. "Jeder der sich impfen lassen möchte, soll das Recht haben, sich impfen zu lassen, und jeder, der sich nicht impfen lassen möchte, soll das Recht haben, sich nicht impfen zu lassen." Sie ist zufrieden damit, dass sich der Streit in die Länge zieht.

Aufklärung statt Pflicht mit Sanktionen, sagt Gysi

Aus anderen Gründen ist der Linke Gregor Gysi gegen eine allgemeine Impfpflicht: "Wenn man eine Pflicht machte, muss es auch Sanktionen geben wie Geldbußen. Wenn die nicht bezahlt werden, muss man die umwandeln in Ordnungshaft." Aber auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könne nicht wollen, dass Ungeimpfte ins Gefängnis müssten, so Gysi. Mehr Aufklärung, vielleicht sogar materielle Anreize, seien besser geeignet, um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen, findet er.

Renate Künast hingegen will die allgemeine Impfpflicht und schlägt den großen Bogen. Die Grünen-Politikerin ist überzeugt, dass der Pandemie nur durch eine weltweit hohe Impfquote Einhalt geboten werden kann. Wie solle das Bildungswesen, das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben in den nächsten Monaten und Jahren aufrechterhalten werden, fragt Künast, ohne dass immer wieder neue Virusvarianten dazwischenfunkten? "Da ist die Impfpflicht eine Antwort, um einen hohen Level an Geimpften hinzukriegen."

Wie die meisten anderen Berliner Bundestagsabgeordneten ist auch Renate Künast der Meinung, dass der Debatte um eine Impfpflicht ausreichend Zeit eingeräumt werden müsse. "Keine Hektik", sagt sie.

Sendung: Inforadio, 12.01.2022, 15 Uhr

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