Verwirrung um Kontaktpersonen - Klare Quarantäne-Regeln für Berliner Kitas und Schulen gesucht

So 23.01.22 | 18:10 Uhr | Von Jan Menzel
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Symbolbild: Zwei Schulkinder halten am 09.01.2022 ihren SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test in der Hand (Quelle: dpa/K. Schmitt)
Video: Abendschau | 24.01.2022 | Philipp Höpner | Bild: dpa/K. Schmitt

Die Infektionszahlen an Berliner Schulen und Kitas steigen erheblich an. Doch gerade jetzt lockern die Amtsärzte die Quarantäne-Regeln für Kontaktpersonen. Der Senat reagiert unkoordiniert und Die Linke ist schockiert.Von Jan Menzel

In der letzten Woche vor Beginn der Winterferien herrscht Unklarheit über die aktuellen Quarantäne-Regelungen für Kontaktpersonen an den Berliner Schulen und Kitas.

Die Amtsärzte der zwölf Berliner Bezirke haben bereits in der vergangenen Woche beschlossen, dass Kinder und Jugendliche, die in der Klasse Kontakt mit positiv getesteten Mitschülerinnen und Mitschülern hatten, nicht mehr in Quarantäne gehen müssen. Das wurde am Wochenende bekannt. Stattdessen sollen täglich Schnelltests in diesen Klassen durchgeführt werden. In den Kitas soll nach dem gleichen Muster verfahren werden.

Gesundheitsämter können Nachverfolgung nicht mehr leisten

Kritik an diesem Ansatz kommt aus der Bildungsverwaltung. Auch die Gesundheitsverwaltung reagiert skeptisch. Offenbar wird die neue Vorgabe zum Wochenstart auch nicht an allen Schulen umgesetzt, obwohl die Amtsärzte den Quarantäne-Verzicht für Kontaktpersonen berlinweit als Standard etablieren wollen.

Ein Grund für die Entscheidung ist, dass die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung und die Anordnung von Quarantäne personell nicht mehr leisten können. Allein in Spandau gingen täglich bis zu 1.500 neue Fall-Meldungen ein, so die Amtsärztin des Bezirks Gudrun Widders gegenüber dem rbb. "Wenn jetzt in dieser Phase der Pandemie noch angenommen wird, dass man mit einer umfassenden Kontaktnachverfolgung alle Infektionsketten unterbrechen könnte, dann ist das eigentlich Augenwischerei." Die Ämter würden nur unnötig viele Datensätze produzieren, ohne etwas zu bewirken. Sinnvoller als Kontakte im Schul- und Kita-Bereich in Quarantäne zu schicken, sei es, dort zu testen.

SPD: Bildungssenatorin steht hinter Neuregelung

Mit deutlicher Kritik reagierte der Staatssekretär für Jugend, Familie und Schuldigitalisierung Aziz Bozkurt (SPD) auf das Vorgehen der Amtsärzte. "Da fehlt mir jedes Verständnis. In meiner Welt gehören auch Kinder zu vulnerablen Gruppen", schrieb Bozkurt auf Twitter. Fraglich ist, ob Bozkurt sich hier öffentlich gegen seine Vorgesetzte, Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse, stellt. Busse äußerte sich am Sonntag nicht.

Aus Kreisen der SPD wurde aber angedeutet, dass die Bildungssenatorin hinter der Quarantäne-Neuregelung stehe. Aus der Gesundheitsverwaltung hieß es, dass das Abschaffen der Quarantäne für Kontaktpersonen in Schule und Kita nicht durch die geltende Corona-Verordnung gedeckt sei. Dort ist nach wie vor eine Quarantäne vorgesehen, mit der Option sich nach fünf Tagen frei zu testen.

Amtsarzt von Neukölln verwundert

Der Amtsarzt von Neukölln, Nicolai Savaskan, zeigte sich gegenüber dem rbb verwundert über die Kritik. Die Amtsärzte hätten sich sowohl mit der Gesundheitsverwaltung als mit der Bildungsverwaltung eng abgestimmt, betonte er. Savaskan sagte auch, die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Schule vielfach der Ort sei, an dem eine Infektion festgestellt werde. "Leider wird oft verwechselt, dass ein Feststellungsort nicht gleichbedeutend mit einem Infektionsort ist".

Die Infektionen fänden vor allem im Privat- und Freizeitbereich statt. Die Amtsärzte berufen sich bei ihrem Beschluss auf die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI). Dort heißt es, Ausnahmen von der Quarantäne für Kontaktpersonen seien möglich, "wenn ein Test-to-Stay-Ansatz (tägliche Testung und Maskenpflicht) in der Einrichtung etabliert wurde". Genau das ist in den Berliner Schulen die Praxis. In den Kitas tragen die deutlich kleineren Kinder allerdings keine Maske.

Testen um in der Schule zu bleiben

Einige Schulen weisen schon explizit darauf hin, dass nun "Test-to-Stay", also das Testen um in der Schule bleiben zu können, angewendet wird. Das Wald-Gymnasium in Charlottenburg-Wilmersdorf hat auf seiner Website das entsprechende Schreiben des bezirklichen Gesundheitsamtes veröffentlicht. Darin heißt es: "Bei positivem Testergebnis isoliert sich nur das positive Kind. Enge Kontaktpersonen, also v.a. Sitznachbarn (bzw. Nachbarn beim Essen), werden dann für 5 Tage täglich in der Schule getestet."

In Klassen oder Lerngruppen mit zwei oder mehr positiven Fällen sollen alle Kinder und Jugendlichen eine Woche lang getestet werden. Andere Schulen praktizieren wohl zunächst noch die alte Regelung. Eine Grundschule im Bezirk Mitte kündigt per Elternbrief an, dass sie die direkten Sitznachbarn von bestätigten Positiv-Fällen weiter in Quarantäne schicken wird.

Linke: "Russisch Roulette" mit Gesundheit von Kindern

Umstritten ist der Ansatz der Amtsärzte auch in der rot-grün-roten Koalition. Angesichts der sich weiter aufbauenden Omikron-Welle den Schulbetrieb einfach so weiterlaufen zu lassen, bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der Linken im Abgeordnetenhaus, Carsten Schatz, gegenüber dem rbb als "Russisch Roulette".

Das Aussetzen der Quarantäne für Kontaktpersonen in den Schulen sei nicht das Mittel der Wahl, so der Linken-Politiker. Er erneuerte die Forderung seiner Fraktion, die Winterferien um eine Woche zu verlängern und Schulen zu erlauben, in Eigenregie in den Wechselunterricht zu gehen. Als ersten Schritt verlangte Schatz, die Präsenzpflicht an den Schulen aufzuheben.

Sendung: Abendschau, 23.01.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

60 Kommentare

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  1. 60.

    Super! Da dürfen die kleinsten in unserer Gesellschaft ausbaden, was die Experten verbocken...

  2. 59.

    Hurra,es geht wieder los.Präsenzpflicht wieder ausgesetzt.Weiß die Bildungsministerin eigentlich was sie tut?Ich unterrichte die Kleinen.Ein Teil ab morgen in der Klasse.Danach SaLz für die,die zu Hause bleiben.Nebenbei Arbeitsergebnisse kontrollieren.Ach ja, es kann ja heute so und morgen so entschieden werden,ob das Kind zu Hause bleibt.Und nebenbei 3xca.20 Minuten testen.Kontaktpersonen 5xdie Woche und der Rest der Klasse…?Nebenbei für die,die wollen,Livestreaming zum Unterricht. PRIMA. DANKE

  3. 58.

    In der Schule mag das ja funktionieren aber bei den Kitas ist das doch eine billige Ausrede. Da ist die ganze Gruppe halt Kontaktperson , der Aufwand ist da echt überschaubar. Zudem trägt in den Gruppen niemend Maske und man weiß das die Tests erst recht spät anschlagen. Die Erzieher müssen ggf. trotdem in Qurantäne und wenn Sie selbst infiziert sind natürlich in Isolation. Dann dürfen die Kinder zwar kommen es ist aber schlicht niemand mehr da der sich um die Kinder kümmert. Entweder werden dann Springer dazugeholt oder Kinder verteilt oder die Kita ist dicht. Im den ersten Fällen mit guten chancen die Antseckung noch etwas besser in der Einrichtung zu verteilen oder man hat die Kinder zu Hause aber keine offiziellen Dokumente für den Arbeitgeber.

    Schulen und Kitas sollten da deutlich differenzierter behandelt werden.

  4. 57.

    Als erstes würde ich mir wünschen das Kita und Schule getrennt betrachtet und differenziert entschieden wird. An den Schulen gab es drei Tests vor Ort/unter Aufsicht - an den Kitas zwei Tests zu Hause mit Unklarheit ob stattgefunden. Die neue Regelung Kontaktkinder nicht mehr in Quarantäne zu schicken, soll an den Schulen mit täglichen Tests vor Ort! stattfinden - an den Kitas wird es drei Lollitests für zu Hause! geben. Was glauben die Amtsärzte wie die Erzieher und etliche Eltern sich gerade fühlen? Ich kann azs meiner Tätigkeit berichten: Erzieher schon mehrmals hintereinander an Corona erkrankt (trotz Booster), vor Angst nd Erschöpfung weinende Kollegen, ältere Kollegen mit Vorerkrankung die heute zum Arzt gegangen sind, Coronapositive Kinder von Eltern verschwiegen und in die Kita gebracht...

  5. 56.

    Warum wird soetwas immer rückwirkend beschlossen? Noch am Freitag haben wir vom Gesundheitsamt die Anweisung bekommen, dass wir seit Dienstag in Quarantäne müssen (wir haben uns selbst isoliert, nach positivem Kontakt). Freitag durften wir uns freitesten und hätten seit Mittwoch ja sowieso nicht gemusst? Super, nicht nur dass die Eltern mit den Arbeitgebern eine Freistellung auskämpfen müssen, jetzt müssen Sie auch noch finanziellen Schaden abwenden, da sie um Ihre Quarantänebescheinigungen fürchten müssen. Denn wie immer wird da oben was beschlossen und da unten nicht Bescheid gesagt.

    Wir brauchen endlich einheitliche Regeln - ohne wenn und aber - und verlässliche Antworten an die Ausführenden, damit nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht.

  6. 55.

    In der Schule meiner Kinder wird das ziemlich transparent kommuniziert und bisher wurden die direkten Kontaktpersonen auch umgehend informiert. Auf das Gesundheitsamt kann man da wohl nicht warten....

  7. 54.

    Dann mal los - wer das so sieht, soll eben "einfach handeln". :-)
    Die anderen - so wie ich - handeln auch, und so können alle glücklich sein.
    Es ist ja jeder frei zu handeln...

  8. 53.

    Erwachsene stehen in einem virusfreundlichen Raum, lange sprechend hinter einer Maske und atmen etwas ein, was der Hersteller so lange am Stück nicht freigibt. Der Bildungsauftrag ist nicht gleichzusetzen mit "Verwahranstalt". "Schule ist nur dann stabilisierend, wenn sie tatsächlich Bildung vermittelt, Ressourcen und Interessen fördert und stärkt, wenn sie eine stabile pädagogische Infrastruktur hat und Tagesstruktur und Rhythmus bietet." Sie ist nicht dafür da, Erwachsenen eine Komfortzone zu bieten.

  9. 52.

    Das ist wahr!! Etwas Vertiefung an so einer Stelle würde dem Thema guttun...

  10. 51.

    Einfach handeln.Wer bei diesen Infektionszahlen an Schulen immer noch seine Kinder zum Untericht schickt handelt gegen das Kindeswohl.Wer kann lässt seine Kinder zu Hause und besorgt sich ein Qualifiziertes Attest vom Kinderarzt. Problem gelöst,ganz einfach.

  11. 50.

    In finde die Beobachtung des Arztes eher interessant und würde gern die dokumentierten Infektionsketten (anonymisiert) mal sehen, welche wohl seiner Stellungnahme zugrunde liegen. Eigentlich hieß es doch schon sehr lange, daß die Infektionsketten gar nicht mehr bestimmbar sind und somit der Ansteckungsort und der weitere Verlauf der Ketten unbekannt ist. Da wäre ein Ansatzpunkt für die Redaktion, um bei dem Arzt genaueres zu erfahren über die Grundlagen seiner Einschätzung, vielleicht hat er ja auch Recht für seinen Bereich, nur möge man dann auch mal Daten dazu vorlegen, um sachlich darüber diskutieren zu können.

  12. 49.

    Woher wissen Sie (zeitnah), ob es in der Klasse Fälle gibt und das nicht nur gerüchteweise? Wocher wissen Sie, wer Kontaktperson ist und nicht in Quarantäne geht? Diese Daten werden unter den Datenschutz fallen und können nicht einfach so von der Schule täglich mit Namen und Klasse für alle veröffentlicht werden. Das Gesundheitsamt wäre schon die bessere Adresse, um das zu koordinieren, da diese Stelle zur Vertraulichkeit verpflichtet ist.

  13. 48.

    Nur: Wer informiert die Schulen jetzt noch darüber, welche Kinder nun plötzlich täglich zu testen sind? Die Ämter machen das ja scheinbar nicht mehr. Und der Datenschutz erledigt den Rest… (Es soll ja auch noch Kinder geben, die fehlen, weil sie sich den Arm gebrochen haben oder einfach nur schwänzen…)

  14. 47.

    Wie verantwortungslos ist denn diese Entscheidung. Ich kann die Überlastung der Gesundheitsämter verstehen aber deshalb keine Gruppen oder Kitas mehr schließen zu dürfen, wenn dort infizierte Kinder sind, die eng an eng ohne Maske miteinander spielen, setz grob fahrlässig die Gesundheit der anderen Kinder und Erzieher*innen aufs Spiel. Da werden unsere Kitas nicht mitmachen!

  15. 46.

    Das Gesundheitsamt soll sich nicht so anstellen. Die können doch gar nicht überlastet sein mit der Nachverfolgung weil ja laut unserer Bürgermeisterin nur 0,5% der ausgegebenen Tests für Kitas und Schulen positiv ist und die Einrichtungen weiterhin sichere Orte sind. Also alles easy.

  16. 45.

    Ich würde meine Kinder auf jeden Fall zu Hause lassen, wenn es in der Klasse Fälle gibt und die Kontaktpersonen nicht in Quarantäne gehen. Ein bisschen selber denken muss man schon, wenn die Politik es nicht tut....

  17. 44.

    Also meine Tochter ist seit letzter Woche in Quarantäne weil ihre Sitznachbarin positiv war. Da ich bisher weder von der Schule noch vom Gesundheitsamt die Info habe, wann Tag 1 war, lass ich das Kind einfach bis zu den Ferien zu Hause. Verpasst eh nichts, da sich gerade die ganze Schule durchseucht und es kaum Lehrer gibt um den Unterricht abzudecken. Sie ist geimpft, aber es dauert noch 1 Woche bis die 2 Wochen um sind. Nach den Ferien kann sie dann hoffentlich wieder durchstarten.

  18. 43.

    Ich bin mein eigenes Gesundheitsamt. Meine Kinder bleiben zuhause nachdem letzte Woche die Zahlen durch die Decke gegangen sind. Seitens Schule und Gesundheitsamt passiert nichts. Dem Gesundheitsamt mache ich noch nicht mal einen Vorwurf. Wir wissen was dort los ist. Daher Kopf einschalten, Kontaktketten unterbrechen und eigenständig isolieren. Mag sein ,dass ein Kind das Virus von seinen Eltern mitgebracht hat, aber in der Schule bin ich mir sicher, ist Corona von Kind zu Kind gesprungen und anschließend auf die Eltern zuhause. Und dieses ganze Quarantäne-, Isolationstheater, Arztbesuche bzw. hoffen, dass man rankommt und nicht stundenlang in der Kälte stehen muss - im schlimmsten Fall mit krankem Kind - ist viel ätzender als geplanter, gut gemachter Fern- oder Wechselunterricht für ein paar Wochen. Das gilt nicht für alle und jeden, aber bestimmt für viele.

  19. 42.

    Genau so ist es. Wer behauptet Durchseuchung sei schlimmer für die Kinder als geschlossene Schulen, hat ganz offensichtlich keine Ahnung wie es den Kindern und Jugendlichen seit 2 Jahren geht.
    Und die Familienangehörigen sollten sich einfach impfen lassen statt zu jammern.

  20. 41.

    Wir kommen mit unseren behinderten Sohn gar nicht mehr aus der Kontaktquarantäne raus. D.h. Er kann seine Arzttermine nicht wahrnehmen und bekommt keine Frühförderung! Und das in einer Situation, in der er sich in jedem Fall anstecken wird, weil es für ihn noch keinen Impfstoff gibt. Ich frage mich warum, er hat nur Kontakt zu geimpften Erwachsenen. Wenn soll er dennoch schützen?

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