Fristen und aufwändige Verfahren - Brandenburg will Personal-Ausfälle durch die Impfpflicht hinauszögern

Fr 18.02.22 | 19:26 Uhr | Von Amelie Ernst
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Booster-Spritze gegen Corona (Bild: imago images/Bihlmayerfotografie)
Video: Brandenburg aktuell | 18.02.2022 | Stephanie Teistler | Bild: imago images/Bihlmayerfotografie

Ab dem 15. März müssen auch in Brandenburg alle Beschäftigten im medizinisch-pflegerischen Bereich gegen Corona impfen lassen. Ein Meldeportal soll gewährleisten, dass diese Einrichtungen trotz Impfpflicht arbeitsfähig bleiben. Von Amelie Ernst

Am Anfang steht das digitale Meldeportal: Hier sollen die Betreiber beispielsweise von Pflegeheimen und Arztpraxen Mitte März eingeben, wie viele und welche Mitarbeitenden keinen Corona-Immunschutz haben - und: ob die Einrichtung auch ohne diese Mitarbeitenden weiterbetrieben werden kann oder nicht. Das Gesundheitsamt entscheidet anschließend, ob mögliche Lücken vor Ort ausgeglichen werden können.

"Wenn ein Krankenhaus (mangels geimpftem Personal) zum Beispiel kein Röntgen mehr anbieten kann, dann wäre das natürlich eine Gefährdung der gesundheitlichen Versorgung", so die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). "Dann wird eine Sechs-Wochen-Frist gegeben, in der nachgebessert werden kann."

Beschäftigungsverbot ist letzte Stufe

Wenn allerdings andere Praxen, Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen vor Ort die Lücken schließen können, dann droht nicht immunisierten Beschäftigten schneller ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot – nach einer Frist, in der die Beschäftigten erneut beraten und vom Gesundheitsamt zur Impfung aufgefordert werden.

In jedem Fall sei ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot erst die letzte Stufe des Verfahrens, so Nonnemacher. Ohnehin hätten sich viele Einrichtungen und die Beschäftigten längst auf die Impfpflicht eingestellt. Schon jetzt seien knapp 90 Prozent von ihnen geimpft oder genesen.

Jurist rechnet nicht mit Klagewelle

Auch beim Arbeitsgericht Potsdam rechnet Sprecher Robert Crumbach nicht mit einer Klagewelle. "Die Menschen, die sich nicht haben impfen lassen, die wissen nun seit Monaten, was ihnen passiert. Die nehmen das in Kauf." Er glaube nicht, dass viele klagen würden, so Crumbach. Der neue Impfstoff von Novavax könnte ebenfalls helfen, Konflikte zu vermeiden, vermutet Hubertus Diemer, der Vorstandschef der Liga der Freien Wohlfahrtspflege.

Knapp 1.000 bisher ungeimpfte Mitarbeitende hätten dem Verband schon signalisiert, sich damit nun impfen zu lassen. Und die Vorgaben aus dem Ministerium seien ein guter Kompromiss, der sowohl den Schutz der Patienten berücksichtige als auch die Interessen der Pflegenden. "Uns war wichtig, dass es ein einheitliches Verfahren gibt im gesamten Land Brandenburg. Und dieses Verfahren ist abgestimmt mit den Verbänden und den Landkreisen."

Gesundheitsämter fühlen sich überfordert

Doch nicht alle Landkreise sind mit den Vorgaben aus dem Ministerium zufrieden: Mehrere Gesundheitsämter, beispielsweise das im Kreis Teltow-Fläming, fühlen sich mit der geplanten Kontrolle der Meldungen überfordert. Es gehe allein dort um 750 Einrichtungen, für die dann gegebenenfalls Bescheide erstellt und Tätigkeitsverbote umgesetzt werden müssten, kritisiert Teltow-Flämings Gesundheitsdezernentin Kirsten Gurske.

Aufgrund des zu erwartenden hohen Bearbeitungsaufwandes und der "bereits bestehenden Überlastung der Gesundheitsämter" würden "Sinn und Zweck der einrichtungsbezogenen Impfpflicht konterkariert". Außerdem sei die Finanzierung des Mehraufwandes für die Ämter noch nicht geklärt, so Gurske.

Gesundheitsministerin Nonnemacher dagegen geht davon aus, dass wegen der sinkenden Corona-Fallzahlen bald auch in den Gesundheitsämtern wieder weniger zu tun ist. Mit dem digitalen Meldeportal habe man zudem versucht, den Behörden die Arbeit zu erleichtern. Und vor allem sei es richtig und wichtig, die Impfpflicht in der Pflege nun auch konsequent umzusetzen und so vulnerable Gruppen vor weiteren Corona-Wellen zu schützen.

Impfpflicht greift wohl erst im Mai

Doch was bringt eine Impfpflicht, die de facto erst nach Übergangsfristen und mehrstufigen Prüfungen samt Widerspruchsmöglichkeit greift? Befürworter hoffen, dass mit ihr Pflege- und Gesundheitsangebote weiter bestehen wie bisher und Mitarbeitende sich und andere bestmöglich schützen.

Nicht zuletzt wünschen sich auch viele der überwiegend geimpften Mitarbeitenden in den Gesundheitsberufen, dass die Impfpflicht kommt. Greifen wird sie allerdings mit Blick auf Fristen und die belasteten Gesundheitsämter wohl frühestens ab Mai.

Sendung: Inforadio, 18. Februar 2022, 18:32 Uhr

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Beitrag von Amelie Ernst

14 Kommentare

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  1. 14.

    Zusätzlich zu meinen 3 Impfungen werde ich jeden Tag getestet als Krankenschwester der Charité

  2. 13.

    Es reicht! Allerdings reicht es mit dem dummen Leerdenkergeschwurbel!

    " Zumal eine Infektion nicht verkehrt ist - ein gesunder Mensch übersteht das, wie die Genesenen beweisen. "

    Die Long Covid Fälle auch?

  3. 11.

    Die Impfpflicht wird es nicht geben - dafür gibt es am Ende keine 2/3 Mehrheit - in ein paar Wochen ist Frühling und Mäuse werden auf dem Tisch tanzen - gut so! Zumal eine Infektion nicht verkehrt ist - ein gesunder Mensch übersteht das, wie die Genesenen beweisen.
    Macht endlich die Krankenhäuser für normale OPs wieder gangbar und schiebt die drei Corona-Betten beiseite.
    Wir zahlen auch Steuern und sehen es nicht ein, dass Patienten mit teils unheilbaren Vorerkrankungen die Kapazitäten hier über Jahre als "Corona-Intensivpatienten" belegen. Diese könnte man auch in wenigen Gebäuden zentralisieren, damit die Resoucen frei werden. Es reicht.

  4. 10.

    Gebe Ihnen so recht. Es ist doch genug Geld für die hoch bezahlten Politiker zur Verfügung. Irgend etwas muss alsbald passieren; wir können uns doch nun auch nicht auf die Straßen setzen.

  5. 9.

    Warum? Machen die ungeimpften Pflegerinnen und Pfleger eine qualitativ schlechtere Arbeit als das geimpfte Personal? Sind Sie persönlich gegen Hepatitis, TBC, Pocken usw. geimpft? Wenn nicht wird das bei Ihnen auch nichts mit der Lohnerhöhung. Und den Beweis, dass das ungeimpfte Personal weniger aufopferungsvoll die anvertrauten Menschen versorgt werden Sie nicht erbringen können. Wer ist eigentlich "unsolidarisch"? Der Ungeimpfte oder der Geimpfte, der für sich das Meiste beansprucht?

  6. 8.

    Ich gebe Ihnen vollkommen Recht. Leider sagen die politisch Verantwortlichen, dass sie etwas ändern werden. Und was machen sie wirklich? Ende 2021 wurden wieder 2 Krankenhäuser in Südbrandenburg verkauft, weil die keine "schwarzen" Zahlen vorweisen konnten. Und der Personalmangel ist hinreichend bekannt, aber weder der Betreuungsschlüssel wird geändert noch die bis jetzt erforderlichen Stellen besetzt.

  7. 7.

    Seit vielen Monaten angekündigt, einschließlich Datum. Wie lange will die Politik das hinaus schieben? Alles zum Wohle der Patienten, der Alten.

  8. 6.

    Ok, aber diese besseren Löhne und Tarife nur für geimpfte Menschen und nicht für unsolidarische Personen, die irgendwie den Beruf verfehlt haben.

  9. 5.

    Seit mindestens 15 Jahren ist der Personalmangel im Gesundheitswesen bekannt. ALLE Politiker und ALLE Parteien haben NICHT wirklich maßgeblich etwas dagegen unternommen!
    Rund 330 Milliarden Euro kosten Deutschland die wirtschaftlichen Ausfälle durch Corona. "Dies ist die schwerste Weltwirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 30er Jahren", sagt IFO-Präsident Fuest. Obwohl Gesundheitminister Lauterbach mit Coronaviren noch über Jahre rechnet wird nichts unternommen um notwendige zehntausende medizinische Fachkräfte einzustellen. Selbst ein übertariflicher steuerbezuschußter fürstlicher Lohn ist günstiger als 330 Milliarden Euro verlorene Wirtschaftskraft. Die Privatisierungen im Krankenhauswesen müssen zudem revidiert werden. Aber die Politik konzentriert sich auf eine Allgemeine Impfpflicht auf Vorrat, deren Wirkung bescheiden ist und verfassungsrechtlich sehr schwer umzusetzen ist. Wo sind die Gesetzgebungen für einen höheren Personalschlüssel?

  10. 4.

    Der Sinn oder besser die erhoffte Wirkung ist ja auch genau gegensätzlich, wie schon die Überschrift des Artikels beschreibt. Es geht gar nicht um Schutz, es geht schlicht darum, dass die ohnehin überlasteten Pflegekräfte in ihrer Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben sollen, also wieder mal mehr um Profit, als um Sorge um die Mitarbeiter und gleich gar nicht um die Patienten. Dass dies mit den zur Verfügung stehenden Impfstoffen gar nicht funktionieren kann, wird wieder einmal ignoriert. Ich nenne das wirtschaftsorientierte Pippi-Langstrumpf-Politik. Mag sich jeder selbst seine eigene Meinung dazu bilden. Wenn man es mit dem Schutz wirklich ernst meinen würde, wäre eine morgendliche Testung aller in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Tätiger und Wohnender bis auf Weiteres zwingend. Nur das rettet Leben und Gesundheit.

  11. 3.

    Wenn doch angeblich schon 90% der Beschäftigten geimpft sind dann braucht es auch kein wenn und aber. Und wenn Frau Nonnemacher ihre Hausaufgaben gemacht hätte, dann muss sie wissen, dass die Gesundheitsämter schon vor Corona die Aufgaben nur eingeschränkt ausführen konnten. Denn die Personalstärke war schon immer sehr dünn. Aber mich wundert bei der Ministerin gar nichts mehr. Ob ein Betretungsverbot nicht zu einer Klagewelle führt? Es sei denn, die Beschäftigten suchen sich ein neues Betätigungsfeld und sind für die Pflege nicht mehr vorhanden.

  12. 2.

    Wenn die Politik nicht mehr weiter weiss wird normalerweise eine Kommission gebildet. Dieses mal heisst es nun Meldeportal. Zeit gewinnen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Im Sommer haben die meisten Leute andere Interessen und dann hat man wieder andere Themen.

  13. 1.

    Was soll diese Vorgensweise bewirken? Frau Giffey war „nur“ mit geimpften und geboosterten zusammen und wurde jetzt positiv getestet. Wenn es also um Ansteckung geht, sind diese Personen ebenso ansteckend wie die nicht geimpften. Der Sinn dahinter erschließt sich mir nicht wirklicp

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