Schutz vulnerabler Gruppen - Impfpflicht im Berliner Gesundheitswesen bislang kaum umsetzbar

Do 26.05.22 | 08:13 Uhr
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Zwei Mitarbeiterinnen gehen durch den Flur eines Krankenhauses, wobei ein Krankenpfleger an einem mobilen Computerarbeitsplatz steht. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: rbb|24 Inforadio | 25.05.2022 | Franziska Hoppen | Bild: dpa/Christoph Soeder

Seit Mitte März müssen Angestellte im Gesundheitswesen nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Doch die Umsetzung funktioniere kaum, heißt es in den Gesundheitsämtern, es fehlen Tausende Nachweise.

Obwohl in Berlin seit mehr als drei Monaten die Impfpflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens gilt, haben rund 7.600 Personen aus der Branche keinen Nachweis über ihren Impf- oder Genesenenstatus erbracht. Bei 180 Personen zweifeln die Arbeitgeber an der Echtheit der Nachweise. Das teilte die Senatsgesundheitsverwaltung dem rbb mit. Konsequenzen hatte das bislang aber keine: Kein einziges Berliner Gesundheitsamt hat nach rbb-Informationen bisher ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen.

Larscheid: "Gesundheitsämter haben keinerlei Personal dafür"

Eigentlich mussten laut Bundesinfektionsschutzgesetz alle Beschäftigten im Gesundheitswesen bis zum 15. März vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder davon genesen sein, und ihrem Arbeitgeber einen Nachweis vorgelegt haben. Wer bis zum Stichtag nicht immunisiert war, sollte vom Arbeitgeber an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gemeldet werden. Die Gesundheitsämter sollten dann ein Bußgeldverfahren einleiten und konnten als letzte Instanz, sofern die Versorgung in den Einrichtungen nicht gefährdet war, ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Mit der Maßnahme sollten vulnerable Gruppen wie Neugeborene, Alte und Kranke geschützt werden.

In Berlin sind die Gesundheitsämter so weit aber noch gar nicht gekommen. "Es ist in allen Bezirken dasselbe Problem", sagt der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid. "Die Gesundheitsämter haben neue Aufgaben zugeteilt bekommen, aber keinerlei Personal dafür. Das ist völlig illusorisch."

Noch keine Briefe an Einrichtungen verschickt

Der zusätzliche bürokratische Aufwand sei hoch, sagte Larscheid. So müsse das Lageso die Meldungen der Arbeitgeber auf Vollständigkeit prüfen, danach sollen die Gesundheitsämter erneut Nachweise anfordern und Impfangebote vermitteln. Sie müssen zudem die Selbsteinschätzungen der Einrichtungen zur Gefahrenlage prüfen. Dafür braucht es sowohl medizinisch als auch juristisch geschultes Personal.

"Gleichzeitig ist die Zahl von Verfahren so hoch", sagt Larscheid, "das ist nicht zu schaffen." Das Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg schreibt auf rbb-Nachfrage: "Wir sind derzeit primär mit der Sichtung, Ordnung und Digitalisierung der Unterlagen befasst." Briefe an die gemeldeten Personen seien noch nicht einmal rausgegangen.

Impfstatus vieler Mitarbeiter im Gesundheitsbereich unklar

Bis heute hat laut Larscheid kein Gesundheitsamt in Berlin ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Mehrere Ämter bestätigen das auf Nachfrage. Detlef Wagner, Bezirksstadtrat für Gesundheit in Charlottenburg-Wilmersdorf schätzt sogar, dass sein Gesundheitsamt erst Ende des Jahres in der Lage sein wird, eventuelle Verbote auszusprechen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt jedoch ohnehin nur bis zum 1. Januar 2023.

Es ist also nicht nur unklar, wie viele Mitarbeiter im Gesundheitsbereich wirklich ungeimpft sind. Es werde auch nicht systematisch überprüft, ob sie mittlerweile in anderen Bereichen eingesetzt werden und nicht mehr mit vulnerablen Gruppen arbeiten. Das geht auch aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Christian Zander, dem gesundheitspolitischen Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Ende April hervor: Demnach liege der Senatsgesundheitsverwaltung weder die Gesamtzahl der Gesundheitseinrichtungen in Berlin vor, noch die Gesamtzahl der Mitarbeiter, noch werde systematisch überprüft, ob alle Einrichtungen Meldungen abgegeben haben. "Das Ganze wird zum Rohrkrepierer werden", resümiert Zander. Das sieht auch Larscheid so: Man müsse befürchten, dass mit Absicht ein zahnloser Tiger geschaffen worden sei.

Zander kritisiert, dass der Senat kein Personal vom Lageso abgezogen und zur Unterstützung in die Gesundheitsämter geschickt hat. "Zu erwarten, dass sie das allein schaffen, war eine komplette Fehleinschätzung", so Zander.

Linke bitten um Geduld

Tobias Schulze, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken, gibt sich zurückhaltender. Dass die Gesundheitsämter nicht mehr Personal bekommen hätten, habe vor allem an den noch laufenden Haushaltsverhandlungen gelegen. Und das Ziel der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei ja nicht, Mitarbeitern Beschäftigungsverbote auszusprechen, sondern Personen zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Deshalb müssen man dem Prozess auch Zeit einräumen.

Sendung: rbb|24 Inforadio, 26.05.2022 | 07:00 Uhr

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47 Kommentare

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  1. 47.

    Lächerlich die Impfpflicht. Wenn es die Politik ernst meinen würde und Omikron so schlimm ist und gefährlich ist, dann wäre es wohl bei der Home Office Pflicht geblieben.

  2. 46.

    Ziel ist möglichst viele zum Impfen zu bewegen.

    War nicht das Ziel die vulnerable Gruppen zu schützen?

    Man man herrlich immer diese Klugscheisser Null Ahnung vom Job,
    Vielleicht wollen viele Pflegekräfte die Impfung nicht weil sie besser als jeder Laie abschätzen können zwischen Nutzen und Risiko.
    Ich hab es in 2,5 Jahren Pandemie nicht einmal erlebt das eine Pflegekraft Auslöser eines Infektionsgeschehen war.
    Und ebenfalls ist genauso geimpftes wie ungeimpftes Personal an covid erkrankt mit selben Symptomen.

    Ihr ganzen vollgestofften booster Willigen Balkonklatscher, haltet doch einfach mal euer Maul denn ihr habt keine Ahnung.

    Danke!

  3. 45.

    Falls Sie überhaupt Pflegerin sein sollten, wie stehen Sie dazu das die vulnerable zu pflegende Gruppe keiner Impfpflicht unterliegt?

    Ich halte es schon für sehr fragwürdig das eine ganze Gesellschaft incl. Kinder fast 2 Jahre lang quasi zum Impfen und zur Kontaktvermeidung genötigt wurde, um die am meisten gefährdete Gruppe der Senioren nicht mit einer Impfpflicht oder Kontaktsperre zu belegen. Wenn ich die 2 Jahre Revue passieren lasse und Arbeitskollegen und Freunde haben diesen Eindruck bestätigt, fehlte auffallend häufig gerade in dieser Gruppe der Wille zum Abstand halten, Maske richtig tragen oder gängige Hygieneregeln einzuhalten.

  4. 44.

    Vor Jahren gab es diese Voraussetzung bei Berufseintritt nicht. Es ist eine nachträgliche Voraussetzung geschaffen worden. Wenn medizinisch gebildetes Personal einer bestimmten neuen Injektion kritisch gegenüber steht gibt mir das zu denken.

  5. 43.

    Ob verfassungsgemäß oder nicht, sagt nichts über die Sinnhaftigkeit dieser Impfpflicht aus. Auch der Geimpfte gibt das Virus weiter und bleibt damit Ansteckungsquelle. Schutz bietet nur die eigene Impfung und die Sicherung des Zugangs zu besonders gefährdeten Personen durch tägliche Tests des Personals und der Besucher. Kann man die eigene Inkompetenz deutlicher ausdrücken als es dieser gesundheitspolitische Sprecher der Linken macht?
    Dieses Gesetz wurde gemacht, nicht um es umzusetzen, sondern um eine Gruppe zu motivieren, sich impfen zu lassen, die bereits zu einem höheren Anteil geimpft ist als die übrige Bevölkerung und die bisher die Hauptlast im Kampf gegen die Pandemie getragen hat? Wohlwissend, dass eine Umsetzung und Kontrolle des Gesetzes aufgrund des bekannten Personalmangels in den Ämtern gar nicht möglich ist? Und nach den Haushaltsverhandlungen kontrollieren wir dann mit welchem Personal die Umsetzung eines Gesetzes, das parallel dazu ausläuft? Absurd!


  6. 42.

    "Aber es zwingt sie doch niemand. Es ist halt eine Berufsvoraussetzung. Wie ein Lkw-Fahrer einen Führerschein besitzen sollte." Ihr Vergleich hinkt aber gewaltig. Um im medialen Bereich tätig sein zu dürfen war in der DDR die SED-Mitgliedschaft unentbehrlich. Es war halt die Berufsvoraussetzung. Noch früher möchte ich aus verständlichen Gründen nicht gehen und Ariernachweis als Voraussetzung für Ausübung vieler Berufe soll deshalb lieber unerwähnt bleiben.
    Kurz: "es zwingt Sie keiner, ist halt eine Berufsvoraussetzung" ist kein Argument in einem offenen Diskurs über Sinn und Nutzen einer Maßnahme. Es ist nun beschlossene Sache, die Zulässigkeit wurde vom BvG bestätigt. Zur Sinnhaftigkeit hat sich das Gericht nicht geäußert und die darf angezweifelt werden. Wenn der Schutz des Patienten an erster Stelle steht, dann ist die Maßnahme, solange keinen Beweis dafür gibt dass sich der Patientenschutz dadurch verbessert, als bedenklich zu werten.

  7. 41.

    Aber es zwingt sie doch niemand. Es ist halt eine Berufsvoraussetzung. Wie ein Lkw-Fahrer einen Führerschein besitzen sollte. Egal, ob er auch ohne fahren kann.
    Ein Polizist benötigt ein Führungszeugnis, eine Erzieherin sollte Kinder mögen und ein Arzt sollte Blut sehen können. All das sind Vorraussetzungen - falls die nicht erfüllt werden, dann Beruf wechseln. Es werden überall Fachkräfte gesucht. Naturwissenschaftsfeindliche Pflegekräfte finden sicher auch etwas anderes. Ohne Menschenkontakt

  8. 40.

    Das die Impfung absolute Sicherheit bietet wurde nie behauptet und das die verfügbaren Impfstoffe zu mehr als 50% Schutz gegen Corona bieten, sagt selbst Lauterbach nicht mehr !

  9. 39.

    Ein Paradebeispiel für das Kaputtdemokratisieren in diesem Land, wollen, aber nicht können.
    Demokratie, halt.
    Manchmal fehlt eben eine "harte Hand", grade wenn es um Leben geht. Aber Wähler sind wohl wichtiger.
    Oder sollte hier etwa was beschlossen worden sein, ohne vorher auf Machbarkeit zu prüfen ? Das wäre genauso schlimm und dann eben mit Überstürzen ohne einzustürzen zu erklären.
    Was solls, das Leben geht weiter :-)

  10. 38.

    Wie man an Hand der Kommentare erkennen kann dämmert bei vielen die Erkenntnis, dass die Impfungen zwar schützen, aber keine Sicherheit bieten. Ob ein halbwegs gesunder Mensch zwischen 0 und 55 ohne Booster bei einer Ansteckung einen schwereren Verlauf hätte gibt es keine Erkenntnis. Fakt ist aber, dass diese Personengruppe im letzten halben Jahr ohne Booster sich jeden Tag hätte testen lassen müssen bzw. wäre nicht in den Genuss gekommen in den Urlaub zu fahren oder auf den Restaurant hätte verzichten müssen. Mal sehen wie es im Herbst weitergeht.

  11. 37.

    Ich kenne keine Coronaleugner. Dieser Virus ist stärker, ansteckender und weiter verbreitet als die bisherigen Grippeviren.
    Die SARS-CoV-2 bzw. RNA-Impfstoffe haben aber auch heftigere Impfreaktionen und Nebenwirkungen als die bisherigen Grippeimpfstoffe. Nicht nur RBB und MDR haben mehrfach darüber berichtet. Daher ist es zutiefst undemokratisch wenn man Menschen verpflichten möchte sich gegen ihren Willen mit diesen Stoffen impfen zu lassen.

  12. 36.

    Die Impfpflicht wurde vom BVerfG bestätigt. Das sollte man so akzeptieren. Eine Diskussion ob die Pflicht gut schlecht oder sonst was ist, hat sich damit erledigt.
    Es ist auch nicht neu, dass vom Bund etwas verabschiedet wird und man sich erst dann Gedanken macht, wer kann das wie umsetzen.
    Interessant wäre, wieviele haben sich denn wegen der Impfpflicht impfen lassen ? Ob das so viele waren die den ganzen Aufwand rechtfertigen ? Leider macht der Staat / öffentliche Dienst eher keine Kosten/Nutzen Betrachtung.

  13. 34.

    Wie schlimm,es gibt immer noch Menschen,die glauben,die Ungeimpften infizieren alles und jeden.Noch nicht in der Realität angekommen???Ich als Ungeimpfte und mein Partner ebenso,wurden von einem Geimpften und Geboosterten Anfang Februar angesteckt.Zum Glück war es eine leichte Infektion,zumindest bei uns beiden.In den letzten Wochen waren es am Arbeitsplatz meines Freundes,ständig die Geboosterten,die wieder an Corona erkrankten,teilweise schwer.Es wird Zeit,endlich die Realität zu akzeptieren, wir alle ,egal ob geimpft oder ungeimpft können uns anstecken und anderen das Virus weitergeben.Übrigens,die Viruslast bei einem 4fach!!!!!!Geboosterten war bei 11,also extrem ansteckend.Alles ist möglich sehen sie das einfach ein und vergessen sie das Märchen,der Pandemie der Ungeimpften man sollte niemanden zu einer Impfung zwingen,die wohl nicht das bringt,was man sich erhofft hat.

  14. 33.

    Wenn durch Personalknappheit diese Überprüfungen nicht stattfinden können, frage ich mich, wieso solch ein Gesetz dann erlassen wurde. Denn die Gesundheitsverwaltung sollte doch wohl über den Personalstand Bescheid wissen.
    Aber das ist wieder mal typisch für diesen unfähigen Senat, erst mal beschließen und wenns nicht hinhaut, die Bezirke dafür verantwortlich machen.
    Nicht mal von selbst vorher überlegen.
    Das wäre zuviel verlangt von der Politik.

  15. 32.

    Wie kann man jemanden gefährden der durch eine Impfung geschützt ist , oder taugt das Zeugs nichts ?

  16. 31.

    Welcher Leugnet bitte schön? Sie können auch nur über Menschen mit anderer Meinung und Erfahrung her ziehen. Bin froh das solche Menschen nicht kenne. Für manche ist Demokratie ein Fremdwort

  17. 30.

    Ja, das war mit dem Militarismus und der Reaktion in Deutschland die offizielle Begründung des Kontrollrates zur Auflösung des Preußischen Staates 1947. Was man allerdings nicht erwähnte, das ehemalige Preußen erstreckte sich 1945 über die Flächen der verschiedenen Besatzungszonen, sowie über die unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellten Gebiete östlich von Oder und Lausitzer Neiße. Somit war einem Staat Preußen eine reale Lebensgrundlage ohnehin genommen. Insbesondere auch unter den Bedingungen des aufkeimenden Kalten Krieges,

  18. 29.

    Kein thread zu Corona ohne Coronaleugner und/oder Impfverweigerer und deren abstrusen Verschwörungstheorien...

  19. 28.

    Kein thread zu Corona ohne Coronaleugner und/oder Impfverweigerer und deren abstrusen Verschwörungstheorien...

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