Beherbergungsverbot und Lockdown - Steht der Brandenburger Pferdetourismus vor dem Aus?
Ferien auf dem Reiterhof sind ein attraktives Tourismusangebot im ländlichen Brandenburg. Ostern ist normalerweise Saisonstart. Doch wegen des Lockdowns bleiben die Gäste aus. Ein wichtiger regionaler Wirtschaftssektor gerät so in Gefahr. Von Ula Brunner
Früher war in den Osterferien Hochbetrieb auf dem Reiterhof in Groß Briesen: Kinder striegeln ihre Pferde, machen gemeinsame Ausritte, nehmen Reitstunden. Früher, das heißt: vor Corona. Doch in diesem Jahr bleibt es, abgesehen von einigen Einzelreitstunden, wohl erneut ruhig.
"Es ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn wir an den Wochenenden 15 bis 20 Reitstunden haben, insgesamt aber 80 Schulpferde, die rumstehen, weil wir keinen Gruppenunterricht durchführen dürfen und die Gäste in der Woche fehlen", beschreibt Sabine Opitz-Wieben die Situation, in der sich ihr Betrieb aktuell befindet. Sie ist Geschäftsführerin des Reiter- und Erlebnisbauernhofs nordwestlich von Bad Belzig (Potsdam Mittelmark) und hat ihr Tourismusgeschäft eigentlich breit aufgestellt: von Reitstunden über Ausritte, Reitferien für Kinder und Jugendliche, Klassenfahrten bis hin zu Familienurlauben.
Maßnahmen nur bedingt nachvollziehbar
Rund 15.000 Übernachtungen verzeichnet der Hof in einem normalen Jahr. Doch seit dem Lockdown kann davon nicht mehr die Rede sein. Das Angebot ist erheblich geschrumpft: Der Beherbergungsbetrieb ist geschlossen, die Mitarbeiter der Gastronomie sind in Kurzarbeit. Lediglich das Reitprogramm kann der Hof fortführen, "aber auch nur als Einzelunterricht, normalerweise machen wir das als Gruppenunterricht." Nachvollziehen kann sie die Logik der Maßnahmen nur bedingt: Fänden doch auch Gruppenstunden überwiegend im Freien statt und sowieso mit genügend Abstand zwischen den einzelnen Reitern, sagt sie.
Für viele Brandenburger Höfe, die vom Pferdetourismus leben, bedeutet das Beherbergungsverbot ein finanzielles Desaster: Während die Gäste ausbleiben – und damit auch die Einnahmen – laufen die Kosten für Futter, Hufschmied, Tierarzt, Einstreu und oft auch Personal unvermindert weiter.
Pferdetourismus ist in Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
"Maschinen können abgestellt werden, Räume geschlossen werden, doch die Tiere müssen weiterhin versorgt werden", sagt auch Kai Rückewold, Geschäftsführer des Verbandes pro agro zur Förderung des ländlichen Raumes im Land. Brandenburger Reiterhöfe befänden sich derzeit "in einem sehr angespannten Ausnahmezustand". Der Verband befürchtet, dass viele Betriebe, die meist 20, aber auch mehr als 50 Pferde haben, aufgeben müssen.
Dabei ist der Pferdetourismus in Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Rund 45.000 Pferde und Ponys werden in etwa 600 Pferdehöfen, Gestüten oder Agrarbetrieben gehalten. Allein mit dem Reitgeschäft sind rund 12.000 Arbeitsplätze verbunden. Der Umsatz liegt bei 200 Millionen Euro im Jahr.
Ein Bürokratiemonster deutscher Art
Zwar haben Kurzarbeitergeld und die Überbrückungshilfen bislang geholfen, die gröbsten wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bei den Landtourismusbetrieben abzufangen, sagt Rückewold. Doch könnten die staatlichen Sofortmaßnahmen die hohen laufenden Kosten nicht annähernd kompensieren.
Die Anträge seien zudem "ein Bürokratiemonster deutscher Art", kritisiert Opitz-Wieben. Eine ihrer Mitarbeiterinnen sei zusammen mit dem Steuerbüro ausschließlich damit beschäftigt, "den Bürokratie-Dschungel zu durchdringen: Kurzarbeitergeld, Azubizuschuss, Novemberhilfe, Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe III". Die Kosten für die Beantragung der Hilfen würden am Ende deutlich im "fünfstelligen Bereich" liegen.
Saisongeschäft ab Ostern ist Lebensgrundlage
Ostern ist normalerweise Saisonstart: "Wir haben 100 Betten, die sind sonst immer belegt während der Osterferien, danach kommen die Klassenfahrten, die Kinderferien, die Wochenendübernachtungen. Das fiel schon letztes Jahr alles weg, obwohl wir ausgebucht waren", erklärt Sabine Opitz-Wieben.
2020 musste sie wegen des Beherbergungsverbots kurzfristig stornieren. In diesem Jahr hat sie für die Ferien erst gar keine Buchungen angenommen – obwohl es immer wieder Anfragen gab.
"Wir fahren auf Sicht", sagt sie. Aber das ist für ein Geschäft wie ihres schwierig. Sie braucht eine gewisse Planungssicherheit, auch um einen Puffer für den betriebsschwachen Winter zu bilden. Doch das kann ihr die Politik zurzeit nicht bieten.
"Das Saisongeschäft von Ostern bis zu den Herbstferien ist für die Betriebe die Lebensgrundlage", erklärt auch Kai Rückewold. Breche das weg, seien sie akut in ihrer Existenz gefährdet.
Nur sieben Prozent der Höfe seien laut einer deutschlandweiten Branchen-Befragung sicher, dass sie die Krise gut überstehen. Das sei auch ein Problem für das Land Brandenburg: "Ländliche Regionen verlieren damit ihre Anziehungspunkte und veröden." Effiziente Förderprogramme für den ländlichen Tourismus, die auch solche Fälle "höherer Gewalt" berücksichtigen, müssten in Brandenburg ein wichtiger Baustein sein, um neue Einkommenspotenziale für den ländlichen Raum zu erschließen und seine Attraktivität zu erhalten.
"Noch ein Kredit? Nein!"
"Die jetzige Politik ist einfallslos und von Angst getrieben. Wer in Angst handelt, entwickelt einen Tunnelblick, und das sieht man derzeit an den Maßnahmen. Einen langfristigen, für alle tragbaren Plan, außer Durchhalten was das Zeug hält bis die Impfungen kommen, kann man leider nicht erkennen", sagt Sabine Opitz-Wieben. Sie wünscht sich, dass die Regierung nicht nur "auf die Virologen hört. Ein Gremium aus vielen Experten, sollte in der Lage sein, alle Belange zu beleuchten, Alternativen aufzuzeigen und eine transparente, nachvollziehbare Strategie vorzulegen."
Für ihren Pferdehof könnte das existenzsichernd sein. Sie selbst hat bereits einen Kredit über 150.000 Euro aufgenommen. Tiefer verschulden will sie sich nicht: "Noch ein Kredit? Nein! Irgendwann ist es auch mal vorbei. Dann überlegt man sich halt, was anderes zu machen. Dann machen wir halt nur noch Ferienwohnungen und müssen nicht mehr einen so riesigen Apparat bewegen."