Verhandlung im Arbeitsgericht - Verkäufer an Flughäfen dürfen nun doch Mundschutz tragen

Mi 04.03.20 | 17:21 Uhr | Von Lisa Steger
Symbolbild: Duty Free Shop, Flughafen Schoenefeld, Brandenburg. (Quelle: imago images/Joko)
Video: Abendschau | 04.03.2020 | Norbert Siegmund | Bild: imago images/Joko

Erstmals hat sich ein Arbeitsgericht in der Region mit einem Konflikt um Corona beschäftigt. Mitarbeiter von Duty-Free-Shops an Berliner Flughäfen sollten keinen Mundschutz tragen dürfen. Kurz vor der Verhandlung ruderte der Arbeitgeber zurück. Von Lisa Steger

Was Sie jetzt wissen müssen

In mehreren Duty-Free-Shops der Flughäfen Berlin-Tegel und Schönefeld darf das Verkaufspersonal Mundschutz und Handschuhe tragen, um sich vor einer Corona-Infektion zu schützen. Das ergab am Mittwoch eine Verhandlung im Berliner Arbeitsgericht.

Der Betriebsrat des Unternehmens mit 250 Mitarbeitern hatte erklärt, der Arbeitgeber habe Schutzkleidung verboten und damit gedroht, Mitarbeiter nach Hause zu schicken, wenn sie diese tragen wollen. Die Arbeitnehmervertretung wollte eine einstweilige Verfügung erwirken, weil sie zuvor nicht gefragt worden war.

Riesiger Medienansturm im Arbeitsgericht

Mehr als 20 Reporter drängelten sich im Gerichtssaal. Doch nach 15 Minuten war bereits alles wieder vorbei, denn der Arbeitgeber hatte in letzter Minute nachgegeben. Ein Erfolg für den Betriebsrat und dessen Anwalt Andreas Dittmann, der den Fall jetzt nicht weiterverfolgen wird. "Ich habe zugestimmt, dass der Fall erledigt wird", so der Rechtsanwalt, "denn der Arbeitgeber hat inzwischen gesagt, dass er das Tragen der Handschuhe und der Schutzmaske erlaubt".

Die Firma hatte dem Arbeitsgericht zudem schriftlich mitgeteilt, dass es ein Verbot nie gegeben habe. Der Anwalt des Betriebsrates bleibt aber bei diesem Vorwurf: "Es wurde den Angestellten gesagt, es besteht die Gefahr, dass tatsächlich jemand nach Hause geschickt wird", so Dittmann. Das sei mehrfach angedroht worden. Der Arbeitgeber habe sich auf das Robert-Koch-Institut berufen. Denn die dortigen Experten sagen, die Atemmasken würden gesunde Menschen nicht vor Ansteckung schützen. Sie seien nur für bereits Infizierte und Klinikmitarbeiter wichtig.

Rechtsanwalt Andreas Dittmann mit Betriebsrätin Melanie Urbschat. (Quelle: rbb/L. Steger)Rechtsanwalt Andreas Dittmann und Betriebsrätin Melanie Urbschat

Sorgen in der Firma

Betriebsrätin Melanie Urbschat kennt die Auffassung des Robert-Koch-Instituts. Allerdings habe es viele Anfragen verunsicherter Kollegen gegeben, von Einzelfällen könne nicht die Rede sein. "Aufgrund der aktuellen Situation, aber auch schon Ende Januar hatten viele einfach Angst", so Urbschat. "Ob der Mundschutz sicher ist, darüber streitet man ja auch jetzt wieder. Es hatte auch einen psychologischen Aspekt für die Belegschaft, das zu erlauben."

Dabei spiele auch keine Rolle, dass in den Duty-Free-Shops normalerweise nicht die ankommenden Fluggäste einkaufen, sondern die, die Tegel oder Schönefeld verlassen. "Man weiß ja nicht, wer das Virus in sich trägt", so Urbschat. Fazit der Betriebsrätin: "Für uns ist es jetzt geklärt."

Arbeitgeber erschien nicht zur Verhandlung

Der Arbeitgeber war zur Gerichtsverhandlung nicht erschienen, es war auch kein Anwalt für das Unternehmen gekommen. Der Anwalt des Betriebsrats vermutet, der mediale Druck habe das Unternehmen zum Einlenken bewogen.

Die Arbeitnehmervertretung hatte sich an das Arbeitsgericht Berlin gewandt. Dabei ging es nicht einmal um die Frage, ob Schutzkleidung in Geschäften erlaubt sein sollte oder nicht: Der Betriebsrat wollte vielmehr bei diesem Konflikt mitbestimmen, war aber nicht gefragt worden und dagegen wollte er eine einstweilige Verfügung erwirken.

Andrea Baer, Sprecherin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. (Quelle: rbb/L. Steger)
Gerichtssprecherin Andrea Baer | Bild: rbb/L. Steger

Wenn der Arbeitgeber binnen zehn Tagen - also bis zum 14. März - erkläre, dass er die Sache ebenfalls nicht weiterverfolgen möchte, werde das Arbeitsgericht Berlin den Fall endgültig einstellen, so der Vorsitzende Richter in der Verhandlung.

Gericht rechnet mit weiteren Corona-Fällen

Für die Arbeitsgerichte der Region sei es der erste Corona-Konflikt gewesen, sagt Andrea Baer, Sprecherin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, doch sicher nicht der letzte: "Es geht um Fragen des Arbeitsschutzes, der Mitbestimmung, es geht um Fragen der Erkrankung und darum, wer für welche Maßnahmen zuständig ist."

Die Verkäuferinnen und Verkäufer der betreffenden Duty-Free-Shops dürfen also ab sofort Handschuhe und Masken tragen. Wenn sie noch welche bekommen - denn in den vielen Apotheken sind diese Produkte längst ausverkauft.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.03.2020, 14:00 Uhr  

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