rbb exklusiv - Vergabekammer erklärt Auftrag für landeseigene Teststellen in Berlin für unwirksam

Do 13.01.22 | 16:55 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Eine Mitarbeiterin der Betreiber-Firma 21Dx GmbH und ein Bürger stehen vor einem Corona-Schnelltestzentrum in der Lehrter Straße (Bild: dpa/Jörg Canrstensen)
Bild: dpa/Jörg Carstensen

Die Corona-Teststellen des Senats in Berlin werden seit Monaten von ein und derselben Firma betrieben. Der millionenschwere Deal wurde mehrfach kritisiert, trotzdem behielt die Firma den lukrativen Auftrag. Nun hat die Vergabekammer ein Machtwort gesprochen. Von Sebastian Schöbel

Am Betrieb der landeseigenen Berliner Corona-Teststellen gibt es erhebliche Zweifel. Nach rbb-Informationen hat die Vergabekammer Einspruch gegen die Auftragsvergabe an ein Münchner Unternehmen erhoben.

Betrieben werden die zwölf Corona-Teststellen durch die Firma 21DX. Die hatte den millionenschweren Auftrag im Frühjahr 2021 bekommen, allerdings gab es schon damals erhebliche Kritik am Verfahren.

21DX hatte Vorteil gegenüber der Konkurrenz

Wie der rbb berichtet hatte, war die Firma direkt involviert bei der Erstellung von Dokumenten des Auftrags, genoss also einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Zuletzt hatte der "Tagesspiegel"-Newsletter Checkpoint über interne Dokumente berichtet, die eine große Nähe zwischen der zuständigen Abteilung bei der Gesundheitsverwaltung und 21DX vermuten lassen.

Direkt nach der Vergabe des Auftrags legte ein Unternehmen, das im Bieterverfahren unterlegen war, Widerspruch ein. Die Vergabekammer untersagte schließlich im Mai 2021 der damaligen Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), den Auftrag wie geplant zu vergeben. Doch 21DX kam trotzdem zum Zuge, in Form von kurzfristigen Interimsverträgen. Die Prüfung der Beschwerden zieht sich derweil bis heute hin. Die Vergabekammer hat durch "monatelange Vakanzen in der 1. Beschlussabteilung nach Ausscheiden ihrer bisherigen Mitglieder" Personalengpässe und schiebt eine erhebliche Zahl von Anträgen vor sich her. Das geht aus Schreiben der Kammer hervor, die der rbb einsehen konnte. Die Frist für eine Entscheidung wurde mehrfach verschoben.

Fortführung des Auftrags seit 1. Januar untersagt

Der Interimsvertrag mit 21DX wurde zuletzt Ende November erneut verlängert, kurz vor dem Regierungswechsel. Auch gegen diese Entscheidung hatte es Beschwerden eines weiteren Testanbieters gegeben – und die Vergabekammer hat erneut Einspruch erhoben, das zeigen Dokumente, die dem rbb vorliegen. Demnach hat die die Kontrollbehörde die Auftragsvergabe für "unwirksam" erklärt und der Gesundheitsverwaltung die Fortführung des Auftrags ab 1. Januar 2022 "untersagt".

Dennoch betreibt weiterhin 21DX die landeseigenen Teststellen, denn die juristische Auseinandersetzung darüber läuft noch. Kommende Woche wird eine Gerichtsentscheidung in der Sache erwartet.

Zwickmühle für grüne Gesundheitssenatorin Gote

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit sagte dem rbb, die Vergabe für den Betrieb der durch den vorherigen Senat beauftragten Corona-Testzentren werde derzeit in der Gesundheitsverwaltung geprüft. "Transparenz ist uns wichtig. Unabhängig davon muss wegen der Omikronwelle das Testen für die Berlinerinnen und Berliner bis auf weiteres gewährleistet werden", hieß es. "Deshalb haben wir gegen die Entscheidung der Vergabekammer Rechtsmittel eingelegt. Wir warten die Entscheidung des Gerichts ab."

Für Berlins neue Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) ist der Vorgang ein recht unerfreuliches Erbe ihrer SPD-Vorgängerin. Gote hatte bereits am Dienstag nach der Senatssitzung angekündigt, dass die Auftragsvergabe an 21DX intern aufgearbeitet werde. Das Ergebnis könnte allerdings unangenehme Details über die Amtsführung von Dilek Kalayci zu Tage fördern und zum Streit mit dem Koalitionspartner SPD führen.

Derweil wächst angesichts langer Wartezeiten in den von 21DX betriebene Teststellen die Kritik. Christian Zander von der CDU forderte am Donnerstag im Parlament eine "dezentrale Lösung für kostenlose PCR-Tests in allen Berliner Ortsteilen". Das klappe nur, wenn man weitere private Testanbieter einbeziehe. Der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert warf dem Senat vor, die Laborkapazitäten anderer Anbieter ungenutzt zu lassen und nur auf die landeseigenen Teststellen zu setzen.

Gote kündigte an, die Öffnungszeiten der zwölf landeseigenen Teststellen zu verlängern und mehr Personal zur Verfügung zu stellen. "Wir prüfen auch die Beauftragung der gewerblichen Teststrukturen. Aber eins ist auch klar: Es wird am Ende nicht reichen."

Sendung: Inforadio, 13.01.2022, 14.00 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schöbel

26 Kommentare

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  1. 26.

    Das Konzept von 21DX funktioniert, vor allem für 21DX selbst ... ich war mit meinem Sohn vor zwei Tagen in der Teststelle Berlin Tempelhof-Schöneberg. Lassen wir mal die Parkplatzsuche bei dieser tollen Lage am Ma Damm 64 außer acht und sagen wir mal es ist nicht das Problem von 21DX, dass nur eine Testkabine vorhanden ist und sich mitunter kranke Menschen bei um 0 Grad die Beine in der Warteschlange in den Bauch stehen ... in unserem Fall wurden die Personalien überhaupt nicht verifiziert und ich vermute, dass das kein Einzelfall, sondern ein systematisches Problem ist. Jeder kann sich unter beliebigem Namen registrieren, vor Ort will man keinen Ausweis sehen.

  2. 25.

    "...die eine große Nähe zwischen der zuständigen Abteilung bei der Gesundheitsverwaltung und 21DX vermuten lassen..."
    Für mich heißt das übersetzt: Vetternwirtschaft! Ein Entscheidungsträger aus der Gesundheitsverwaltung war irgendwie mit einem Entscheidungsträger von 21DX verbandelt. Auch das ist ein Teil von Fr. Kalayci´s Erbe, die nichts im Griff hatte. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, welchem der Weiterbetrieb untersagt wurde, bis zur Klärung als sog. "Interimslösung" weitermachen darf. Wie lange eine Klärung in Berlin dauern kann, kennt man ja an vielen Beispielen.
    Mein Vorschlag für Senatorin Gote: entweder Butter bei de Fische und sofortige Klärung der Missstände oder die umgehende Schließung von 21DX, falls diese doch länger dauern sollte. Mitbewerber gibt es ja genug. Z.B. könnte der Zweitbeste des Ausschreibungsverfahrens einspringen. Also bitte keine weiteren Ausreden u. "Angst" vor der SPD-Kollegin. Fr. Kalayci muss die Kröte nun schlucken.

  3. 24.

    Frieda, danke für die Richtigstellung. Derlei unangemessene Anwürfe gegen die Regierende sind hier häufig zu finden.

  4. 23.

    Ja, und mit einem, wenn ich mich recht erinnere, zweistelligen Millionenbetrag, der in Tests und z. B. Zertfizierungen von jedem, der es wollte (Späti- und Barbetreiber beispielsweise), durch eben diese Firma geflossen sein soll…

  5. 22.

    Heute mit "Katjuscha" am Start und damit die alten Lieder von Diepgen und Momper getrellert?
    Nährt sich durch diesen beiden Personen Ihre Beeinträchtigung?
    Wie einfallslos und peinlich.
    Nun, hier geht es um aller Menschen Gesundheit und Leben und nicht um irgendwelche Immobiliendeals vergangener Jahrzehnte.

  6. 21.

    Wenn es zum worst case wie von „Spandauer“ in Kommentar #1 kommen sollte, dann können die das mit dem 2G+ vergessen. Dann brauchen die im ÖPNV auch keine 3G mehr machen. Weil, wie gesagt es nur ein Gedanke ist, wenn es dann nur noch 4 oder garkeine Teststellen mehr gibt, wie soll man dann einen Test herbekommen?

  7. 20.

    Da kommt die Korruption von RRG wieder zum Vorschein. Pfui sage ich da nur

  8. 19.

    Gut dran geblieben, rbb :-) ich hoffe, dass jetzt dieser Deal, in dem der Eigentümer der Berliner Zeitung auch involviert ist, ein Ende findet. War auch höchst seltsam, dass mit einem Mal alle privaten (Apotheken-)Testzentren geschlossen werden mussten, gerade, als man sie am nötigsten brauchte. Nachtigall...

    Und ja, egal WER gerade Berlin regiert, es gab immer Schmu, Mauscheleien, und geballte Unfähigkeiten. Einmal mit... ach, vergessen wir das!

  9. 18.

    Damit ist wieder bewiesen, Corona ist ein Mittel zu erhöhtem Profitstreben und das gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen, Ebenen und geografischen Regionen. Lasst das sein und uns laufen, wohin wir wollen. Politiker sind Spielbälle des Kapitals und nichts anderes

  10. 17.

    War das das, mit den abertausenden Fördergeldern für eine 0815 Standard Baukasten Webseite, die jeder Anfänger in 5 Min. zusammenklickt ?
    Die RGR Parteien sind ja nicht Doof. Sie haben nur extrem viel Pech beim nachdenken und entscheiden.
    Wenn ich an die letzte Wahlperiode denke, dann fällt mir Popup, Betonpoller, Verkehrschaos, sterbende Innenstadt, Deckeldesaster, Wahlchaos, Wartezeiten im Bürgeramt und Baustadtrat Schmidt aus Friedrichshain ein. Ah und ein Bericht des rbb, wie der Senat den Wohnungsbau behindert. Und viel, viel Steuergeld für ihr Wählerklientel.
    Berlin, der Selbstbedienungsladen der Minderheitenparteien.

  11. 16.

    War das das, mit den abertausenden Fördergeldern für eine 0815 Standard Baukasten Webseite, die jeder Anfänger in 5 Min. zusammenklickt ?
    Die RGR Parteien sind ja nicht Doof. Sie haben nur extrem viel Pech beim nachdenken und entscheiden.
    Wenn ich an die letzte Wahlperiode denke, dann fällt mir Popup, Betonpoller, Verkehrschaos, sterbende Innenstadt, Deckeldesaster, Wahlchaos, Wartezeiten im Bürgeramt und Baustadtrat Schmidt aus Friedrichshain ein. Ah und ein Bericht des rbb, wie der Senat den Wohnungsbau behindert. Und viel, viel Steuergeld für ihr Wählerklientel.
    Berlin, der Selbstbedienungsladen der Minderheitenparteien.

  12. 15.

    Das was Sie meinen sind Ruinen, die aufgrund der nicht ansatzweise kostendeckenden Mieten verrottet und wirtschaftlich nicht zu unterhalten waren. Erst nachdem private Investoren diese mit viel Geld wieder aufgepeppelt haben, waren sie wieder gefragt. Ich habe damals selbst in sowas gewohnt. 107,- DM warm (mit Kachelofen und Boiler) Also umgerechnet 53,50 € warm heutzutage. Also mal schön bei der Wahrheit bleiben. Und ich kann Ihnen noch etwas prophezeien, wenn RRG so weiter macht, dann wird es wieder genauso kommen. Denn auch mit 300 € kalt (600 DM) ist eine Wohnung nicht angemessen zu unterhalten.
    Vielleicht ist Ihnen ja die Tage nicht entgangen, dass die Firmen des Mietendeckelsenates ( die mit 10 Milliarden € verschuldet sind)die Mieten erhöhen werden. Der Senat und auch seine Mieter können dankbar sein, dass sein Irrsinn vor Gericht gescheitert ist.

  13. 14.

    21DX hat wenigstens ein funktionsfähiges Konzept mit funktionierender App..!

  14. 13.

    Mit Verlaub, die Ausschreibungen werden durch die Fachverwaltung, also Beamte und Angestellte des Landes realisiert und nicht durch die Politiker. Es kann sich also auch um einen blau-schwarzen, violetten oder gelben Sumpf handeln. Es ist im Land Berlin nicht selten, dass die Verwaltung (administrativ) anders handelt als von der politischen Leitung vorgesehen. Das haben wir im Kontext der Wahlen umfassend erfahren dürfen.

    Betrügerin ist ein unangemessener Ausdruck. Das ist ein Straftatbestand. Mich wundert, dass der RBB so etwas zulässt.

  15. 12.

    Ja, und an die Immobiliendeals unter Diepchen und Momper, als kommunales Wohneigentum für 'n Appel und 'n Ei an Investoren im Westen verhökert wurde ...

  16. 11.

    Teststellen noch und nöcher bringen rein gar nichts, wenn die Labore, die die PCR-Test dann auswerten, damit nicht mehr hinterherkommen. Mit Omikron wird das leider definitiv auf uns zukommen. Neue Labore, die Technik und das dazugehörige Personal lassen sich nicht einfach mal eben aus dem Boden stampfen.

  17. 10.

    Da hatte man doch jetzt wahrlich genug Zeit, die Sache in Ordnung zu bringen, die Zentren werden doch sooo gebraucht.
    Da war wohl irgendjemand so penedrant neidisch, dass er den Auftrag nicht bekommen hat, dass er keine Ruhe gab.

  18. 9.

    Finanziell wird da nie irgendwer zur Verantwortung gezogen…. jetzt stellen sie sich mal vor jeder Politiker würde finanziell haftbar zu machen sein…. dann würde die Genehmigung eines Mülleimers 100 Jahre dauern. Bei dem fachlichen Potenzial würde die wohl keine Versicherung absichern.

  19. 8.

    @Hannes Biehl "...und niemand räumt den Sumpf auf." Genau so ist es. Man kann es nur allen raten: Geht in die Politik - egal, ob auf Landes- oder Bundesebene! Man kann machen was man will, wird für nix zur Verantwortung gezogen und kriegt dafür auch noch jede Menge Geld! Dass Fehler gemacht werden, ist normal - zumal in einer solchen Situation wie einer (plötzlichen) Pandemie. Man kann und muss nicht immer von vornherein alles richtig machen. Aber sich bemühen, die Gesetze einzuhalten und ab und zu dran zu denken, dass es Steuergelder sind, die man da verwendet. Dieses gewisse Maß an Grundanstand ist das, was aktuell leider fast allen Politikern fehlt. Ups. Jetzt bin ich bestimmt gleich wieder Querdenker!

  20. 7.

    Einfach nur ein rotdunkelrotgrüner Sumpf.
    Nun gut, wählten wir auch eine Betrügerin zur Bürgermeisterin.
    Erinnern wir uns noch an den Aufschrei der Moralisten beim "Masken-Deal".

  21. 6.

    Im Amtsdeutsch heißt das weggelobt. Kommt nicht selten vor. Die Dienstposten sind sicher schon eingeplant. War ja Wahl, da kommt ein Nachtragshaushalt. Eine Krähe........

  22. 5.

    Berlin ist schon ein besonderer Haufen der Verantwortungslosen. Und niemand räumt den Sumpf auf. Eine tolle Hauptstadt !

  23. 4.

    Ich erinnere mich noch an den 7. März 2021, als Frau Kalayci die Eröffnung der Testzentren stolz verkündete, in der Berliner Zeitung dafür bejubelt wurde wie der Messias; an die hurtig freigeschaltete Website, deren Impressum ebenso hurtig geändert wurde, sodass es aussah, als sei es eine senatseigene; an den Server, der sich irgendwo befand… Kann sich noch jemand an die diversen Datenlecks erinnern?
    Sagt Frau Kalayci noch irgendetwas dazu?

  24. 3.

    Viel interessanter ist doch, ob die Leute beim Senat die das eingefädelt haben, zur Verantwortung gezogen werden. Ich habe meine Zweifel daran, eher werden sie auf einen besser bezahlten Posten versetzt um sie aus der Schusslinie zu bringen.

  25. 2.

    In der Pandemie zeigt sich einmal mehr die Oberflächlichkeit und die gefühlte Sicherheit der verantwortlichen Ämter und Behörden in Berlin. Könnte das nur die Spitze eines Eisbergs sein ?

  26. 1.

    Na dann bin ich mal gespannt, ob die sowieso viel zu wenigen Teststellen geschlossen werden, wenn der Vertrag endgültig untersagt wird.
    Wieder einmal eine Berlin-Posse!

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