Fragen und Antworten - Die wichtigsten Fakten zur Corona-Sommerwelle

Do 16.06.22 | 09:33 Uhr
Eine Reisende sitzt am Hauptbahnhof am Bahnsteig und wartet auf ihren Zug. (Quelle: dpa/Joerg Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 15.06.2022 | Thomas Rosteck | Bild: dpa/Joerg Carstensen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ruft bereits die nahende "Sommerwelle" aus. Was sie über die möglichen Auswirkungen, die aktuell dominierende Corona-Variante und mögliche Auffrischungsimpfungen wissen sollten.

Wie ist die aktuelle Lage im Vergleich zu den Höhepunkten der Pandemie?

Noch nicht besorgniserregend. Im Vergleich zu den Höchstwerten der bisherigen Pandemie sind wir aktuell (Stand: 14.06.) bei rund 17 Prozent Hospitalisierungsrate in Berlin und 12,2 Prozent in Brandenburg. Die aktuellen Coronazahlen sowie interessante Vergleichswerte finden Sie fortlaufend und immer aktuell in den rbb|24 Corona-Grafiken für die Region.

Was sind die aktuell vorherrschenden Varianten und was wissen wir über sie?

In Deutschland dominiert Omikron, laut dem aktuellen Lagebericht des Robert Koch-Instituts [rki.de] vom 9. Juni werden insgesamt 99 Prozent der Fälle Omikron zugeschrieben. 87 Prozent davon werden dem seit Anfang des Jahres dominierenden Omikron Typ BA.2 zugerechnet. Der könnte aber bald abgelöst werden, denn das stärkste Wachstum zeigen dem RKI zufolge die Subtypen BA.4 und BA.5. Das Institut rechnet damit, dass diese Typen in wenigen Wochen die Mehrzahl der Fälle ausmachen werden.

Die Experten gehen davon aus, dass sich BA.4 und BA.5 stärker verbreiten - also ansteckender sind - und dass deshalb auch insgesamt die Fälle wieder steigen werden. Ob die neuen Omikron-Typen auch wieder gefährlicher werden, ist noch nicht bekannt. Das RKI rechnet bei Omikron grundsätzlich weiter mit einem geringeren Anteil schwerer Erkrankungen.

Dass die neuen Typen sich in der Tat schneller verbreiten, dürfte eine Erklärung für die gegenwärtige Sommerwelle in Portugal sein. Dort stiegen die Zahlen in den letzten Wochen wieder deutlich an, dafür verantwortlich soll der BA.5-Typ sein. Das Nationale Gesundheitsinstitut Portugals, "INSA" [insa.min-saude.pt], gab Ende Mai an, dass geschätzte 87 Prozent der Fälle auf den Omikron-Subtyp zurückzuführen seien.

Was kann ich tun, um mich selbst und andere zu schützen?

Die mittlerweile gelernten Regeln helfen immer noch. In geschlossenen Räumen Masken tragen, am besten eine des Standards FFP2, sowie Abstand- und Hygieneregeln beachten, wo immer nötig und möglich. Auch wenn die FFP2-Masken derzeit nur noch im Öffentlichen Nahverkehr Pflicht sind, empfiehlt sich das eigenverantwortliche Tragen in vollen Geschäften oder ähnlichen Situationen. Wichtig außerdem: Wer Symptome hat, sollte - soweit das möglich ist - Kontakte einschränken, selbst wenn der erste Selbsttest negativ sein sollte.

Muss ich bald wieder zur Auffrischungsimpfung?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt bislang nur für vulnerable Gruppen eine zweite Auffrischungsimpfung. Dazu zählen laut Stiko Menschen ab 70 Jahren, Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie von Einrichtungen mit Eingliederungshilfen und Personen, die ein besonderes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Außerdem Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten und deshalb besonders viel Kontakt zu diesen vulnerablen Gruppen haben.

Die zweite Auffrischungsimpfung wird für Risikogruppen bereits ab drei Monaten nach der ersten Auffrischungsimpfung empfohlen. Menschen, die aufgrund ihrer vermehrten Kontakte zu Risikogruppen eine weitere Auffrischungsimpfung machen sollten, wird diese nach frühestens sechs Monaten empfohlen.

Eine allgemeine Auffrischungsimpfung für alle als zusätzlicher Impfschutz gegen die Sommerwelle wird von Expertinnen und Experten noch nicht empfohlen. Studien zufolge steigt die Zahl der Antikörper zwar kurz nach einer vierten Impfung stark an, fällt danach aber innerhalb weniger Wochen auf das Niveau nach der dritten Impfung zurück.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Mittwoch: "Für diejenigen, die den Sommer für sich selbst absichern wollen, ist eine vierte Impfung eine gute Investition." Die vierte Impfung reduziere für einige Monate das Infektionsrisiko und schütze vor schweren Verläufen.

Der Virologe Alexander Kekulé sagt in der neuesten Ausgabe seines ARD-Podcasts "Corona Kompass" [mdr.de], eine vierte Impfung könne zwar das Ansteckungsrisiko vorübergehend reduzieren, allerdings nur kurzzeitig. Wer das also jetzt machen würde, als eine Art Booster, müsste sich gegebenenfalls schon im Herbst wieder über eine weitere Impfung Gedanken machen, wenn die Winter-Welle droht. Er rät deshalb nicht grundsätzlich zur Auffrischung.

Wie könnte mein Sommerurlaub davon betroffen sein?

Reisebeschränkungen über die gelernte Praxis hinaus bahnen sich im Moment nicht flächendeckend in Urlaubsländern an. Wer ein gültiges Impfzertifikat hat, sollte also mindestens in der EU frei reisen können, andere müssen möglicherweise Tests oder andere Regeln beachten. Trotzdem lohnt sich vor Reiseantritt immer der Blick auf die Regelungen des jeweiligen Ziellandes. Teilweise werden noch Reiseformulare oder ähnliches benötigt. Innerhalb der EU bietet ein interaktives Tool der Europäischen Union schnell einen Überblick über die aktuellen Reiseregeln in allen Mitgliedstaaten, es ist hier [reopen.europa.eu] verlinkt.

Für das digitale Impfzertifikat (ja, das gibt es auch noch, auch wenn man es in den letzten Wochen kaum noch vorzeigen musste) wurde von der Europäischen Union eine Verlängerung zum Reisen beschlossen. Das Zertifikat für die Auffrischungsimpfung soll nun bis Juni 2023 gültig sein. Ursprünglich war es technisch auf die Dauer von einem Jahr eingestellt, sodass es bei einigen Menschen im Spätsommer verfallen wäre. Damit könnten im Spätsommer oder Herbst wieder verstärkt Reise-Regelungen eingeführt werden, die an dieses Zertifikat geknüpft sind, ohne dass jeder eine zweite Auffrischungsimpfung braucht. Die Zertifikate für die Grundimmunisierung sollen weiterhin nur neun Monate gültig sein, dann muss eine Auffrischungsimpfung erfolgen.

Durch eine mögliche Sommerwelle mit vielen Fällen könnte allerdings der ohnehin schon auf Kante genähte Flugbetrieb von weiteren Verspätungen und Ausfällen betroffen sein, wenn sich übermäßig viel Personal anstecken würde. Viele Fluggesellschaften hatten zuletzt ohnehin schon zahlreiche Flüge aufgrund von Personalmangel gestrichen. Was Sie in solchen Fällen tun können, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst. Wer noch nicht gebucht hat, für den könnte sich in diesem Fall eine Reiserücktrittversicherung empfehlen, falls es einen selbst mit Corona erwischt. Dann allerdings unbedingt darauf achten, dass dieser Fall auch tatsächlich vom Versicherungsschutz abgedeckt ist.

Wo kann ich mich überhaupt noch impfen lassen?

Vor allem bei den Hausärzten. In Berlin und Brandenburg wurden viele Impfzentren bereits geschlossen. Anfang des Monats wurden mangels Nachfrage die Berliner Impfzentren im ICC und in Tegel dicht gemacht, vorerst noch geöffnet ist das Impfzentrum im Ring-Center an der Frankfurter Allee. In Brandenburg gibt es keine Impfzentren mehr, aber die Möglichkeit für Kommunen, eigene Impfstellen zu betreiben oder diese in einen Stand-By-Modus zu versetzen.

Während die Berliner Regierung im Zuge der Impfzentrumsschließungen nur mitteilte, mögliche Pandemie-Szenarien mit Blick auf den Herbst vorzubereiten, soll in Brandenburg bereits vertraglich eine höhere Impfkapazität ab November eingeplant sein.

Was passiert mit den Testzentren, wenn die Inzidenzen jetzt wieder steigen?

Das ist noch nicht klar. Die aktuelle Corona-Verordnung läuft Ende des Monats aus und damit auch die bislang vorhandene flächendeckende Teststrategie. In der kommenden Woche (22. und 23. Juni) beraten sich die Gesundheitsminister der Länder und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Ministerkonferenz, um über das künftige Vorgehen und eine mögliche Verlängerung zu beraten.

Die Berliner Gesundheitsministerin Ulrike Gote geht davon aus, dass die sogenannten Bürgertests, also anlasslose Tests ohne Symptome, in Zukunft eine kleinere Rolle spielen könnten. Trotzdem glaube sie, dass es weiter eine Teststrategie auf Bundesebene brauche. "Wir haben viele Menschen, die nicht alleine klar kommen mit Selbstverantwortung und eigenen Tests, und wir haben Gruppen, die wir schützen müssen", sagte Gote dem rbb. Auch eine Sachverständigenkommission der Bundesregierung beschäftigt sich aktuell damit, wie es weiter gehen könnte mit dem Testen.

Wäre es sinnvoll, die Testkapazitäten zurückzufahren?

Schwer zu beurteilen. Einige Experten glauben tatsächlich: Ja. Der Virologe Klaus Stöhr, selbst Mitglied in der Sachverständigenkommission der Bundesregierung, hält angesichts der Omikron-Welle nicht viel vom Festhalten an den Testzentren und dem anlasslosen Testen. "Was notwendig ist, ist der Schutz der vulnerablen Gruppen durch die Impfung. Aber in der Gesamtpopulation ist das Testen überfällig, dass es beendet wird", sagt Stöhr dem rbb.

Allerdings könnte das Abschaffen der kostenlosen Bürgertests auch dazu führen, dass Menschen sich bei Kontakt zu Infizierten gar nicht mehr "provisorisch" testen lassen, weil die Hürde zu hoch würde. Nicht jeder hat Lust oder Geld, um die Selbsttests in Drogerien oder Supermärkten zu kaufen. Niedrigschwellige Testmöglichkeiten erhöhen die Chance, dass sich Menschen testen und dann bei einem positiven Test isolieren und so die Verbreitung des Virus vermindern.

Nicht in der Diskussion sind die PCR-Tests, mit denen die Infektion sicherer nachgewiesen werden kann und soll. In Berlin alleine gibt es Kapazität für rund 100.000 PCR-Tests pro Woche. Diese sollten auch weiterhin bei Symptomen genutzt werden, zum Beispiel von Ärzten, fordert der Chef des Berliner Interessenverbandes der akkreditierten Labore in der Medizin, Michael Müller. Dafür brauche es jetzt schon eine Strategie, die dann spätestens im Herbst bei der nächsten Welle stehen soll.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.06.2022, 18.20 Uhr

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