Riesige Nachfrage, unsichere Lieferung - Berliner Praxen beim Corona-Impfen am Anschlag

So 25.04.21 | 18:37 Uhr | Von Sylvia Tiegs
  72
In einer Hausarztraxis erhält ein Patient eine Impfung mit dem Vakzin von Astrazenca. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Bild: dpa/Jens Kalaene

Seit die Berliner Gesundheitsverwaltung Astrazeneca freigegeben hat für alle, ist in den Arztpraxen die Hölle los. Offensichtlich wollen sich sehr, sehr viele Menschen damit gegen Corona impfen lassen. Ob sich die Lage zum Wochenstart entspannt, ist nicht sicher. Von Sylvia Tiegs

Wenn der Lieferdienst am Montag in Berlins Arztpraxen klingelt, dann könnte es sein, dass er ausschließlich den Impfstoff von Biontech/Pfizer bringt. Klingt verrückt – wo doch Astrazeneca in Berlin gerade erst freigegeben wurde für alle, die ihn haben wollen.

Doch die Gesundheitsverwaltung hat den Nachschub des britisch-schwedischen Vakzins erst einmal abgesagt. Der Berliner Senat habe für kommende Woche nur Biontech angekündigt, sagte der Schöneberger Hausarzt Malik Böttcher am Donnerstag in der rbb-Abendschau. Es fehlt offenbar an Astrazeneca-Nachschub - sowohl für die Berliner Impfzentren, als auch für die Praxen. Warum, ist unklar. Wie auch die Frage, ob es dabei bleibt.

Wolfgang Kreischer, Allgemeinmediziner in Berlin-Zehlendorf und Vorsitzender des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg, kennt die Unsicherheiten bei der Impfstofflieferung nur allzu gut. Kreischer berichtete am Freitagnachmittag im rbb-Inforadio aus seinem Praxisalltag: "Wir erfahren immer erst montags, was tatsächlich geliefert wird. Diese ganzen Ankündigungen sind oft Schall und Rauch am nächsten Tag. Wir impfen, was kommt." Natürlich gebe es jetzt ein ziemliches Gerangel, aber Kreischer ist sicher: "Wir schaffen das."

Nachfrage und Angebot

Der Haken dabei: Ob die Impfstofflieferungen zu den Terminen passen, die die Praxen ausgemacht haben, ist völlig offen. Im Kern hängt es davon ab, wie weit die jeweilige Praxis mit ihren Patienten und Impfinteressenten ist. Wolfgang Kreischer führt nach eigenen Angaben aktuell drei verschiedene Wartelisten: Von eigenen Patienten, die in eine Priorisierungsgruppe gehören; von Patienten, die nicht priorisiert geimpft werden müssen, und eine Liste fremder Patienten, die bei ihm geimpft werden wollen.

Wann wer rankommt, entscheidet der Arzt – und sein Vorrat an Impfstoff. Denn die medizinische Haltung zu Astrazeneca spielt schon noch eine Rolle. Die Freigabe für alle bedeutet nicht, dass auch wirklich alle Mediziner*innen den Stoff flächendeckend einsetzen.

So freute sich Hausärztechef Wolfang Kreischer zwar, dass Ärzte wie er Astrazeneca aufgrund der Freigabe jetzt "juristisch abgesichert an alle" verimpfen können. "Wir werden dennoch in unserer Praxis jüngere Frauen nicht mit diesem Impfstoff impfen, sondern mit Biontech", betonte er. Es gebe in seiner Praxis auch etliche PatientInnen, die wollten nur Biontech. Doch auch die Nachfrage für Astrazeneca sei "gewaltig", sagte Kreischer.

Praxen im Dauerstress

Das haben wahrscheinlich die meisten der rund 1.500 Berliner Praxen gemerkt, die seit Ostern gegen Corona impfen.

Schon gleich zu Beginn hatte sich die interessierte Kundschaft auf Wartelisten setzen lassen – manche in mehreren Praxen auf einmal. Als klar zu sein schien, dass Astrazeneca noch reichlich vorhanden sein würde, zog die Nachfrage weiter an – um am Donnerstag nach der Freigabe durch die Gesundheitsverwaltung schier zu explodieren. Etliche Praxen waren zum Ende der Woche telefonisch nicht mehr zu erreichen. Und die, bei denen man durchkam, waren völlig ermattet. So wie diese Sprechstundenhilfe einer Praxis in Berlin-Schöneberg: "Wir haben allein heute 150 E-Mails von Impfinteressenten bekommen!" Für Interviews mit Reportern fehlten Nerven, Zeit und Kraft.

Die Berliner Kassenärztliche Vereinigung (KV) sieht den Stress der Kollegen mit einiger Sorge. KV-Chef Burkhard Ruppert hat angekündigt, so schnell wie möglich Informationen zur Belieferung mit Astrazeneca auf der Internetseite der KV zu veröffentlichen. Damit könne wenigstens an dieser Stelle etwas Ruhe einkehren.

Kassenärzte fordern endlich zuverlässige Belieferung

Die Kassenärztliche Vereinigung kann die riesige Nachfrage der Berliner*innen verstehen - und ärgert sich sehr über die Unsicherheit bei der Belieferung der Praxen mit Impfstoff.

Mit Blick auf den Bund-Länder-Impfgipfel am Montagnachmittag sei das das wichtigste Thema, sagt Berlins KV-Chef: "Ich verstehe es nach wie vor nicht, dass wir nach so langer Zeit immer noch nicht wirklich sicher sagen können, was kommt wann." Wie sollen die Praxen so vernünftig planen, fragt Burkhard Ruppert, der selbst Kinder- und Jugendmediziner ist.

Ärzte berichteten ihm, es gäbe nichts schlimmeres, als Impftermine abzusagen – ohne Option auf einen neuen Termin. "Das ist eine enorme Enttäuschung für die Menschen", sagt Ruppert, auch für die Praxen. Die KV appelliert an alle Impfwilligen, sich noch "einige Tage zu gedulden", bis Praxen genauer sagen könnten, welchen Impfstoff sie für wen wirklich haben.

Sendung: Inforadio, 26.04.2021

Was Sie jetzt wissen müssen

Beitrag von Sylvia Tiegs

72 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 72.

    Sehr geehrter Herr Nilson, endlich weist uns jemand auf diesen Betrug hin. Danke, dass Sie da so genau hingeschaut haben. Das ist doch Teil dieser riesigen Verschwörung. Man will uns gefügig machen und die Staatslenker tun nur so als würden sie geimpft. Und Hollywood mischt kräftig mit. Wahrscheinlich in der Mehrheit sogar das jüdische Hollywood. Oder sind es eventuell sogar die Kommunisten? Haben Sie dies sicherheitshalber McCarthy schon gesteckt? Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, lebt der noch. Der hat die letzten Jahrzehnte in einer Kältekapsel im Aldebaran-System verbracht. Jetzt ist er wieder aus dem Karbonit aufgetaut. Hat uns Professor Stoll neulich auf dem letzten Neuschwabenland-Treffen erzählt. Auch er ist in Wirklichkeit gar nicht verstorben, sondern hatte sich nur in die innere Hohlerde zurückgezogen. Endlich kommt das alles jetzt auf den Tisch. Danke nochmal ;-)

  2. 71.

    Das nenne ich mal einen guten Service;-) Mit meinem Hausarzt stehe ich zumindest schon beim Du.

  3. 70.

    Sehr geehrter Herr "Impfer",
    berechtigte Frage. Es gibt kein Bildmaterial die beweisen konnten das Frau Merkel mit AZ geimpft wurde. Es gab ja medienwirksam "Impfungen" von Politikern wo man bei genauem Hinschauen festgestellt hatte das die Schutzkappe über der Kanüle noch drauf war. Oder es wurden Spritzen genutzt á la Hollywood.
    Mit freundl. Grüßen

  4. 69.

    Die Hausärztin meiner alten Dame rief heute bei ihr an und kündigte ihr Kommen für Mittwoch an. Einmal vom Besten für Mutti (86 und voll durch den Staatsrost gefallen), sie freut sich. Dauer pro Hausbesuchpatient (GKV übrigens ;-) )etwa 30 Min. Aufklärungsgespräch, Papierkram durchsehen, Pieks, Smalltalk. Das macht die nach Praxisschluss. Man könnte sagen .. so geht Arzt heute (auch).

  5. 68.

    Mit "nicht schlecht" mögen Sie recht haben - aber bedauerlicherweise ist der Impfstoff in der EU mangels fehlender Daten nicht zugelassen! Googeln Sie mal Impftourismus nach Moskau

  6. 67.

    leider sind alle Ihre Favoriten in der EU nicht zugelassen - Reisen Sie doch nach Moskau - geht zum Pauschalpreis und lassen sich mit Sputnik Impfen. Es gibt genügend Berichte zum Thema Impftourismus.

  7. 66.

    AstraZeneca ist ohne Altersbeschränkung freigegeben. Dafür braucht man auch keinen Code.

  8. 65.

    Sputnik V ist ein in der EU nicht zugelassener Wirkstoff - es gibt aber Flüge nach Moskau, da kann man sich dann zum Pauschalpreis impfen lassen.
    Ihr Kommentar hat aber sowas von NICHTS mit den Grünen zu tun!

  9. 64.

    Tja, den russischen Impfstoff einkaufen könnte Abhilfe schaffen. Aber das wollen die Grünen ja nicht, aus sicher total plausiblen Gründen...*augenroll* Ich finde es zudem ein Unding, dass Astra Zeneca zwar für alle freiggeben wurde (theoretisch), die einzige Gruppe für die DIESER Impfstoff aber sicher wäre, nämlich unsere lieben Rentner, diesen ablehnen und stattdessen das "gute Zeug" verlangen - egoistisch hoch 10 finde ich das!

    Ich hätte mir sehr gewünscht die Wahlfreiheit wäre aufgehoben, die Alten sollen Astra nehmen, oder nichts. So dürfen junge Frauen, die die Pille nehmen, wie ich, zu den Allerletzten gehören, die geimpft werden, und sicher noch ein paar Monate länger warten. Es ist zum Heulen! Für mich ist das Risiko LEIDER zu hoch, diese Unsolidarität von Leuten, die den Großteil ihres Lebens bereits hinter sich haben, ist schwer zu ertragen.
    Mein Schwiegervater (Ü70) tönt ebenfalls nur Biontech zu wollen, und denkt gleichzeitig ICH kümmere mich nur nicht genug!

  10. 63.

    Natürlich sollte man genau überlegen, wo und womit man das Putin-Regime unterstützt. Aber was würde wohl Nawallny sagen? Wenn wir damit bei uns hier Menschenleben retten kann - warum zögern die Grünen noch? Nicht alles aus Russland ist schlecht.

  11. 62.

    Die Impfzentren MÜSSEN m.E. offen bleiben - auf jeden Fall in den Großstädten.
    Auf dem flachen Land sieht es schon wieder wegen den Entfernungen anders aus.

    1. Lagerung / Logistik von Biontech (Kühlung) - bieten sich doch eher Impfzentren an

    2. Machen Hausärzte - für 20,- Euro pro Impfung - die Bürokratie und den "Aufwand" lange und ausreichend mit?
    Können sich dann die Ärzte noch um die "normal" Kranke kümmern?

    3. wenn bald Impfstoff "in Hülle und Fülle" da ist, schnellstens alles zu impfen, was Beine hat!

    Kurzes Rechnenbeispiel bei genügend Impfstoff:
    zur Zeit ca. 1.800 Praxen x ca. 200 Impfdosen pro Woche = 360.000 Impfungen pro Woche
    6 Impfzentren (ca. 30.000 Impfungen pro Tag) x 7 Tage = 210.000 Impfungen pro Woche
    Grob überschlagen: 5 Wochen impfen und in Berlin hätten alle die Erstimpfung!

    Wäre doch schon ein großer Fortschritt und würde vielen Menschen vor schweren gesundheitlichen Folgen schützen!

  12. 61.

    Dem stimme ich absolut zu. Auch im Teaser-Text unter der Überschrift: "... sehr, sehr viele Menschen ..." => Darunter geht es nicht mehr. Spannend ist, dass im gesamten Text keine einzige Zahl genannt wird. Überdramatisierung a la Öffentlich-Rechtliche! Nein Danke! Ich möchte lieber ausgewogen und sachlich informiert werden. Vielen Dank!

  13. 60.

    Manchmal wünscht man sich schon etwas weniger Alarmismus:
    In den Praxen ist die Hölle los, sie sind am Anschlag und im Dauerstress.
    Aber wahrscheinlich geht darunter nichts mehr. Nachdem jetzt ja erst so ca 50 leidende Künstlerseelchen ihre Not herausposaunen mussten, geht unter Hölle wohl nix mehr.

  14. 59.

    NTV heute:
    Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hat eine Liste veröffentlicht, in der alle Arztpraxen genannt werden, in denen der Impfstoff von Astrazeneca verabreicht wird. In der Hauptstadt ist das Vakzin bereits seit Tagen für alle Bürger freigegeben. Die Liste enthält nicht nur Namen, Adresse und Kontaktdaten des impfenden Arztes, sondern auch dessen Fachrichtung sowie weitere Informationen zur Terminbuchung. Viele Praxen weisen zudem vorsorglich darauf hin, dass Interessierte vorab einen Aufklärungs- und Anamnsefragebogen ausfüllen sollen.

  15. 58.

    Und auch bei vielen anderen Sachen.... selbst Termin mit Zeitfenster im Schwimmbad... letztes Jahr.
    Viele Ärzte sind es aber gewohnt mit Listen zu arbeiten.... und "früher" wurden dann einfach Patienten hinbestellt.... konnte ja auch mal laaange warten..... etwas, was sich nur Ärzte und Behörden erlauben.

  16. 57.

    Klassische Totimpfstoffe haben einen deutlich schlechteren Impfschutz als die modernen Vektor- und mRNA-Impfstoffe. Das Problem ersterer sieht man aktuell in Chile. Laut der dortigen Studienlage bieten die Totimpfstoffe einen 50% Impffschutz, das ist zu wenig zum erreichen einer Herdnimmunität und auch nur einen 85% Schutz vor schweren Verläufen (mRNA, Vektor >95%). I Effekt hat Chile aktuell eine tolle Impfquote und trotzdem eine ausufernde Infektionslage.
    Und bevor Sputnik V hierher geliefert werden würde, haben wir eh genügend Impfstoff. Bis Mitte Juli sind genug Dosen für alle Bundesbürger da, Russland könnte nicht genug vorher liefern.

  17. 56.

    Wann werden endlich weitere (verfügbare) Impfstoffe eingekauft? Sputnik V - in vielen Ländern bereits erfolgreich im Einsatz? Oder die chinesischen Vakzine von Sinopharm und Sinovac? (Beide übrigens "klassische" Totimpfstoffe mit inaktivierten Viren, keine neuartigen Methoden. Ebenso EpiVacCorona - Totimpfstoff mit Peptid-Antigenen.)
    Statt dessen gibt es (fast) allerorten nur China-Bashing und Hetze gegen Russland. Weil die ja alle "mit dem Impfstoff Politik machen" und generell böse sind. Dass die Bekämpfung einer weltweiten Pandemie eine gemeinschaftliche Angelegenheit und im Interesse aller Länder sein könnte, soweit denken deutsche Politiker nicht. Wahn geht vor Gesundheit. Danke für nichts.

  18. 55.

    Ich halte es nicht für besonders schlau die volle Verantwortung an die Hausärzte zu übertragen und schon von Schließungen der Impfzentren zu sprechen. Hausärzte sind ein wichtiger Bestandteil einer Impfstrategie, jedoch sollte man die gesunden Jüngeren nicht vergessen. Es gibt durchaus Menschen, die seit 10 Jahren keinen Hausarzt gesehen haben, da sie noch nicht im Alter für regelmäßige Voruntersuchungen sind und sonst außer einer jährlichen sanften Erkältung keine Probleme haben. Wenn dann noch ein Umzug dazu kommt, hat man unter Umständen keinen "Hausarzt" am Wohnort und die Situation war schon vor Corona so, dass viele Hausärzte keine neuen Patienten annehmen können oder wollen. Wenn diese Personengruppe dann an der Reihe ist, sollte es noch genügend Impfzentren geben, die diese Menschen "am Fließband" durchimpfen können.

  19. 54.

    die letzte Wahl gewesen sein!!!!!!!!+++++++"
    Wenn wir nur alles so reichlich hätten wie unsinnige Satzzeichen.

  20. 53.

    "Auf gelieferte Mengen und Zubehör haben Apotheken keinen Einfluss!"
    Genau das ist aktuell das Problem. Meinem Doc wurden Impfstofflieferungen zugesagt, die dann wieder abgesagt und beim nächsten Mal stark geduziert geliefert wurden. Es ist deshalb die mangelnde Planbarkeit,die in den Praxen zusätzliche Arbeit verursacht. Deshalb bleibt nur zu hoffen,dass bald austeichend Impfstoff und dann wie zugesagt angeliefert wird. Und wenn Patienten nun die Praxis ihres Arztes stürmen oder sogar Leute,die bisher nicht mal dort Patient sind,verschärft das nur die Situation in hilft KEINEM. Also,Ruhe bewahren und noch etwas gedulden.

Nächster Artikel